Als "Cradle of Humankind", also als Wiege der Menschheit, hat nicht nur Charles Darwin den afrikanischen Kontinent beschrieben. Mit diesem Begriff werden seit einigen Jahren auch Fundstätten frühmenschlicher Fossilien in Südafrika bezeichnet. Diese haben es mittlerweile auch auf die Liste des Weltkulturerbes der UNESCO geschafft. Nun weisen zwei Studien darauf hin, dass im südlichen Afrika auch - im übertragenen Sinne - die Wiege der menschlichen Krebserkrankungen gestanden haben könnte. Das legen unter anderem neue Untersuchungen eines Knochens nahe, der vor mehr als 40 Jahren ausgegraben wurde und in einem Museum in Pretoria lagert, so Patrick Randolph-Quinney.
"Dabei handelt es sich um den fünften Mittelfußknochen, also jener, der zum kleinen Zeh hinführt. Wir haben den Knochen mithilfe eines Micro-CTs gescannt und damit ins Innere geschaut. Dabei sahen wir, dass der Röhrenknochen nicht leer war, sondern sich etwas darin befand. Zunächst dachten wir an Sediment, aber dann wurde klar, dass dort eine knöcherne Struktur gewachsen war. Die klinische Diagnose ergab, dass es sich um eine bösartige Krebserkrankung handelt, genauer gesagt um einen Knochentumor.
Knochenuntersuchungen bestätigen Krebsverdacht
Zu welcher Menschenart der Besitzer des krankhaft veränderten Fußknochens gehörte, ist nicht bekannt. Denn in der Fundstätte Swartkrans wurden versteinerte Überreste sowohl von Paranthropus robustus als auch von Homo ergaster gefunden, die beide vor rund 1,7 Millionen Jahren dort lebten. Da die Fußanatomie bei beiden frühmenschlichen Vertretern relativ ähnlich ist, ist eine genaue Zuordnung nicht möglich. Fest steht nur, dass es sich hier um einen aggressiven Krebs handelt, der den Knochen zerstört und sich rasch im Körper des Erkrankten ausbreitet. Auftreten konnte der Besitzer des Fußknochens kurz vor seinem Tod vermutlich kaum noch; woran er letztlich gestorben ist, bleibt unklar.
Dies war aber nicht der einzige Fund einer frühen Krebserkrankung. Denn der Anthropologe von der University of Central Lancashire hat bei einem Forschungsprojekt in Johannesburg mit Kollegen der dortigen Universität von Witwatersrand auch die Fossilien von sechs Individuen untersucht, die zur Spezies Australopithecus sediba gehören. Diese menschlichen Vertreter lebten vor zwei Millionen Jahren. Zwei Skelette aus Malapa sind fast vollständig erhalten, darunter auch das eines etwa zwölf Jahre alten Jungen.
"Der zweite Fund betrifft einen Brustwirbel, in dem wir ein Loch entdeckt haben, das vom Dornfortsatz ausgeht und rund sechs Millimeter im Durchmesser hat. Auch diesen Knochen haben wir hochauflösend gescannt und klinisch untersucht. Dabei kam heraus, dass es sich um ein Osteoid-Osteom handelt, also einen gutartigen Knochentumor. Dieser Fund ist der älteste Nachweis für einen Tumor in der menschlichen Linie."
Mechanismen für Krebserkrankungen sind sehr alt
Bisher stammte der älteste Nachweis für eine Krebserkrankung bei menschlichen Vertretern von einer 120.000 Jahre alten Neandertalerrippe. Nun ist klar, dass es auch schon vor mindestens 1,7 bis zwei Millionen Jahren sowohl gutartige als auch bösartige Tumoren gegeben hat.
"Die beiden Funde zeigen Knochentumore. Diese Krankheiten betreffen meist junge Menschen und werden von bestimmten Erbanlagen oder dem Wachstum begünstigt. Im Gegensatz dazu hängen die meisten Krebserkrankungen, die wir heute sehen, etwa Darm- oder Lungenkrebs, mit Dingen wie Ernährung, dem Lebenswandel oder Umwelteinflüssen zusammen."
Solche die Weichteilbereiche betreffenden Erkrankungen, die meist erst in hohem Alter auftreten, lassen sich in versteinerten Knochen nicht nachweisen.
"The mechanisms of cancer are very, very old."
Klar sei nur, dass die Mechanismen für Krebserkrankungen beim Menschen sehr alt sind, so Patrick Randolph-Quinney.