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Neue Verhandlungen zu Griechenland
Ungewissheit nagt an den Nerven

Heute beginnen nach einem halben Jahr Pause wieder Verhandlungen zwischen der griechischen Regierung und den Kreditgebern - der EU, der Europäischen Zentralbank und dem Internationalen Währungsfonds - der früheren "Troika". Wie bewerten griechische Bürger und Opposition das Verhandlungsgeschick ihrer Regierung?

Von Thomas Bormann | 11.03.2015
    Die griechische und europäische Flagge wehen vor dem Parthenon-Tempel auf der Akropolis.
    Neue Verhandlungen zwischen Griechenland und den internationalen Kreditgebern: Viele Bürger fragen sich "Wohin geht die Reise für Griechenland"? (dpa / picture alliance / Orestis Panagiotou)
    Sotiris Kolitiris ist ein junger Ladenbesitzer in Athen. Er findet, die neue Regierung habe zu viel auf Show gemacht und zu wenig gearbeitet. Das lähmt die Wirtschaft, sagt er. Er merkt es in seinem Laden: "Ich hatte erwartet, dass die schneller zu Potte kommen. Wir Ladeninhaber warten auf das neue Steuerkonzept. Aber nichts kommt von der Regierung und wir wissen nicht, ob überhaupt etwas kommen wird. Ich hoffe, es wird bald eine Lösung geben."
    Unterstützung für selbstbewussten Auftritt der Regierung
    Diese Ungewissheit, wie es weitergehen soll in Griechenland, lähmt nicht nur die Wirtschaft, sie nagt auch an den Nerven der Bürger. Pantelis Glezos, ein arbeitsloser 31-Jähriger aus Athen, setzt große Hoffnungen in die Gespräche, die heute beginnen: "Ich hoffe, es wird eine Einigung geben. Ich glaube, die in der EU sind nicht mehr so hart wie vorher und wir Griechen haben unsere Vorschläge auch deutlich gemacht. Ich hoffe nur, dass die alte Sparpolitik jetzt wieder durchgesetzt wird, weil: Das halten wir nicht aus." Dass die neue Regierung so selbstbewusst, ja manchmal hart auftritt, finden viele Griechen gut. Es sei richtig, endlich von Deutschland Reparationen wegen des Zweiten Weltkriegs einzufordern. Frühere Regierungen hätten sich nicht getraut, Klartext zu reden.
    Einige finden es auch richtig, dass Verteidigungsminister Kammenos von der rechtspopulistischen Partei "Unabhängige Griechen" gedroht hatte, Flüchtlinge von Griechenland nach Berlin zu schicken. Schließlich lasse die gesamte EU Griechenland mit den Flüchtlingen im Stich. Nach Griechenland kommen nämlich besonders viele Flüchtlinge, denn Griechenland liegt an der Außengrenze der EU: "Die Migranten sollten nicht hierbleiben. Und wenn die EU mit uns nicht zusammenarbeitet, dann müssen die halt so gehen. Die wollen ja auch gar nicht hier bleiben. Also lass sie dorthin gehen, wohin sie wollen." Nein, entgegnet da eine Athenerin. Mit dieser Forderung, Tausende Flüchtlinge nach Berlin zu schicken, habe Minister Kammenos den Bogen überspannt: "Als wär das so einfach. Wir können denen doch gar keine Papiere geben und die nach Berlin schicken. Wir sollten mit diesem Unsinn aufhören. Griechenland muss seriös auftreten. Wenn unsere Regierung so weitermacht, dann ruinieren die uns."
    Zahl der Kritiker wächst schnell
    Den jüngsten Umfragen zufolge steht immer noch die Mehrheit der Griechen hinter ihrer Regierung. Aber die Zahl der Kritiker wächst sehr schnell. Ein Rentner meint: "Ich bin gar nicht zufrieden. Denn was die da so tun, das wirkt ziemlich planlos. Das sieht amateurhaft aus." Denn auch sechs Wochen nach dem Wahlsieg der Linkspartei Syriza steht noch immer nicht fest, welche Wahlversprechen denn nun wann eingelöst werden sollen. Der Mindestlohn und die Renten bleiben erst mal niedrig. Und die versprochenen Nothilfen für sozial Schwache lassen ebenfalls auf sich warten. Denn die neue Regierung hat kein Geld, um ihre Versprechen einzulösen - und sie hat sich in den bisherigen Verhandlungen verpflichtet, alle Ausgaben vorher von den Kreditgebern absegnen zu lassen.
    Wenn die Athener Regierungsvertreter ab heute in Brüssel mit den Kreditgebern über diese Details verhandeln, dann sind ihre Gesprächspartner dieselben Experten, die früher unter dem Namen "Troika" die griechische Regierung kontrollierten, obwohl die neue Regierung doch versprochen hatte: Wir werden euch von der Troika befreien. Evangelos Venizelos von der sozialdemokratischen Oppositionspartei PASOK meint, die neue Regierung sei auf voller Linie gescheitert, denn, so sagt Venizelos: "Sie wollten Geld und keine Troika. Jetzt haben sie die Troika, aber kein Geld."