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Neue Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer
Bundeswehrverband fordert mehr Personal und bessere Ausstattung

Der stellvertretende Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, Jürgen Görlich, bewertet die Ernennung Annegret Kramp-Karrenbauers zur Bundesverteidigungsministerin positiv. Sie müsse nun schnell Vertrauen zur Truppe aufbauen und die Situation bei Personal und Ausstattung verbessern, sagte Görlich im Dlf.

Jürgen Görlich im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann |
von der Leyen (rechts), scheidende Verteidigungsministerin und neugewählte EU-Kommissionspräsidentin, steht neben ihrer Nachfolgerin Annegret Kramp-Karrenbauer bei der Amtseinführung im Bundesverteidigungsministerium im Bendlerblock, während Soldaten an ihnen vorbei ziehen.
Kramp-Karrenbauer wurde als Verteidigungsministerin offiziell ernannt. (dpa-Bildfunk / Wolfgang Kumm )
An der Spitze des Ministeriums stehe jetzt ein politisches Schwergewicht, sagte Görlich im Deutschlandfunk. Er erwarte von Kramp-Karrenbauer, dass sie mit ihrer Stimme Dinge im Kabinett voranbringen und durchsetzen könne.
Auch die Doppelfunktion als CDU-Vorsitzende und Verteidigungsministerin sei "absolut machbar". Als wichtige Aufgaben nannte Görlich die Aufstockung des Bundeswehrpersonals und eine bessere Ausstattung.
Kramp-Karrenbauer war gestern im Schloss Bellevue als neue Verteidigungsministerin ernannt worden. Ihre Vereidigung ist am 24. Juli im Bundestag vorgesehen. Kramp-Karrenbauers Vorgängerin Ursula von der Leyen wechselt als EU-Kommissionspräsidentin nach Brüssel.
<hr></hr> Das Interview in voller Länge: Dirk-Oliver Heckmann: Oberstabsfeldwebel a.D. Jürgen Görlich ist stellvertretender Vorsitzender des Bundeswehrverbands. Guten Morgen, Herr Görlich! Jürgen Görlich: Guten Morgen, Herr Heckmann! Heckmann: Herr Görlich, wie überrascht waren Sie, als Sie hörten, Annegret Kramp-Karrenbauer wird Verteidigungsministerin und damit Befehlshaberin der Bundeswehr? Görlich: Also ich war genauso überrascht wie jeder von uns, glaube ich. Man hatte sie, glaube ich, nicht auf dem Zettel, und deswegen war natürlich die Überraschung groß an dem Nachmittag, als wir es gehört haben. "Erwarten, dass sie vieles nach vorne bringt" Heckmann: Der Wehrbeauftragte Bartels von der SPD, der hatte gesagt zu dem Thema, die Truppe wolle jemanden, der im Thema ist und schnell Entscheidungen treffen kann. Das ist ja bei Annegret Kramp-Karrenbauer erkennbar nicht der Fall. Sie muss sich einarbeiten definitiv. Jetzt sagt sie dazu, sie habe Erfahrungen gesammelt als Innenministerin im Saarland bei der zivilmilitärischen Zusammenarbeit. Was denken Sie, wenn Sie so was hören? Görlich: Also grundsätzlich handelt es sich für mich um eine innerparteiliche Angelegenheit, die ich eigentlich auch nicht bewerten möchte, aber eines ist für mich doch ganz klar – das hat Ihr Kommentator auch schon gesagt: Es handelt sich wirklich um ein politisches Schwergewicht jetzt an der Spitze des Ministeriums. Eine Person, von der wir erwarten, dass sie Einfluss im Kabinett hat und dementsprechend auch die Dinge voranbringen kann, die absolut notwendig sind. Wie wir aus ihrem eigenen Mund gehört haben, hat sie ja gesagt, dass noch vieles im Argen ist, dass vieles noch im Aufbau ist. Unsere Erwartungshaltung ist, dass sie genau diese Punkte so schnell wie möglich aufgreift und dann natürlich auch nach vorne bringt. Heckmann: Das heißt also, Sie würden sagen, dass Annegret Kramp-Karrenbauer diese beiden Funktionen in Personalunion ausübt, das nützt der Bundeswehr. Görlich: Also ich sehe es auf keinen Fall als Nachteil. Im Gegenteil, ich erwarte mir, dass das ein Vorteil für uns ist, dass sie mit ihrer Stimme Dinge dann einfach auch im Kabinett nach vorne bringen kann und auch umsetzen kann und sich durchsetzen kann. Heckmann: Die Bundeswehr wartet ja dringend auf Entscheidungen. Welche Entscheidungen können keinen Aufschub vertragen? Görlich: Unsere Großbaustellen sind die Trendwenden, die eingeleitet worden sind: Personal stagniert die ganze Zeit, wir stehen bei knapp 173.000, wenn ich die letzten Zahlen jetzt im Kopf habe, und wir wollen ja bis Ende '20 auf 184.000, also da ist noch einiges zu tun, dass wir unser Fachpersonal bekommen. "Vom Fachkräftemangel ist auch die Bundeswehr betroffen" Heckmann: Wie kommt es, dass es da stagniert an diesem Punkt? Görlich: Wir haben in der gesamten Bundesrepublik einen Fachkräftemangel. Davon ist natürlich auch die Bundeswehr betroffen. Wir haben Vollbeschäftigung, und natürlich können sich die Menschen den Arbeitgeber aussuchen, wo sie hinmöchten, und das ist auch ein Problem bei uns. Daher ist es einfach schwierig, Menschen zu gewinnen, zu uns zu kommen. Das geht nur durch eine Attraktivität in der Bundeswehr. Heckmann: Und die Bundeswehr ist nicht attraktiv genug. Görlich: Also wir sind auf dem Weg dorthin, aber natürlich, wenn man in der Presse liest, die persönliche Ausrüstung ist im Argen, das Material ist im Argen, Infrastruktur sind wir nicht richtig aufgestellt, dann wirkt das nicht gerade positiv auf den Arbeitsmarkt. Heckmann: Aber wie kommt das, dass man auf all diesen Feldern immer noch so schlecht unterwegs ist? Görlich: Weil das einfach ein langer Prozess ist. Also Sie können in der Beschaffung nicht einfach von heute auf morgen Material wieder auf den Hof stellen, das Sie brauchen. Das ist einfach ein langer Prozess. Die Ministerin von der Leyen wollte damals die Beschaffungsordnung anpacken, das hat sie jetzt nicht mehr zu Ende gebracht. Ich hoffe, dass da Frau Kramp-Karrenbauer sich dieser Sache auch annimmt, denn wir müssen einfach schneller werden, das Material und die Ausrüstung für die Soldatinnen, Soldaten zu beschaffen. Heckmann: Also Mängel bei der Ausrüstung, nach wie vor ein Dauerbrenner bei der Bundeswehr, schlechte Infrastruktur. Hinzu kommt die sogenannte Berateraffäre, mit der sich Ursula von der Leyen jetzt herumschlagen musste, dann der ganze Ärger um die Gorch Fock. Übergibt Ursula von der Leyen ein gut oder ein schlecht bestelltes Feld? Görlich: Sie gibt ein Feld, wo noch viel Arbeit drauf ist, aber schon auch viel Arbeit gemacht worden ist. Also für mich war die Amtszeit einfach Licht und Schatten. Wir haben viele Dinge erlebt, die angepackt worden sind und auch auf den Weg gebracht worden sind richtigerweise, aber noch lange nicht am Ziel sind, wo wir eigentlich hinmüssen. Heckmann: Licht und Schatten sagen Sie – mehr Licht oder mehr Schatten, die Frage drängt sich auf. Görlich: Halbe, halbe, würde ich einfach sagen! "Wir haben gut mit von der Leyen zusammengearbeitet" Heckmann: Denken Sie, dass vor dem ganzen Hintergrund dieser Schwierigkeiten und Probleme, die ich gerade aufgezählt habe, die Truppe möglicherweise auch ganz froh ist, dass Ursula von der Leyen Geschichte ist? Görlich: Das möchte ich nicht bewerten, ob da einer froh oder nicht froh ist, das soll sich jeder selber überlegen. Wir haben gut mit ihr zusammengearbeitet, wir hatten eine vertrauensvolle Arbeit mit ihr führen können, und deswegen möchte ich das nicht so bewerten. Wir hoffen allerdings auch, dass wir genauso kooperativ auch mit der neuen Ministerin zusammenarbeiten können. Heckmann: Gut zusammengearbeitet mit Ursula von der Leyen. Sie hatte ja der Bundeswehr insgesamt ein Haltungsproblem attestiert mit Blick auf rechtsextreme Tendenzen, die innerhalb der Bundeswehr offenbar geworden waren. Das hat sie dann später korrigiert. Dennoch: Ist die Truppe vielleicht ganz froh, die Ministerin losgeworden zu sein? Görlich: Also das ist in dem Schatten, den ich eben gesagt habe. Wenn sie so eine Äußerung gegenüber den Soldatinnen, den Soldaten von sich gibt, ist es unheimlich schwierig, das Vertrauen wieder zurückzugewinnen. Und ich glaube, das ist auch bisher nicht geschehen. Also dieses Haltungsproblem und Führungsproblem wabert bis heute durch die Truppe. Jetzt kommt es drauf an, dass Frau Kramp-Karrenbauer natürlich so schnell wie möglich das Vertrauen aufbaut, ein Vertrauen zur Truppe findet und die Truppe auch Vertrauen zu ihr findet. Ich denke, das ist einer der wichtigen Aufgaben auch für sie. Heckmann: Wie kann sie das machen? Görlich: Offen, ehrlich miteinander umgehen. Ich glaube, das ist immer ein wichtiger Faktor, um gegenseitiges Vertrauen aufzubauen. Heckmann: Und reicht das? Görlich: Werden wir dann sehen. Also ich würde sagen ja. Das ist so einer der wichtigen Punkte, die wir brauchen. Also zu sagen, wo sind die Fehler, was können wir tun, aber auch das Führen, dass man mit aller Macht rangeht, diese Probleme, die wir haben, auch zu lösen. Heckmann: Annegret Kramp-Karrenbauer ist also jetzt neue Verteidigungsministerin, in der kommenden Woche wird sie im Bundestag vereidigt. Sie übt das Amt in Personalunion mit dem CDU-Vorsitz aus. Sie haben gerade gesagt, das hat einen Vorteil, dass da jetzt ein Schwergewicht im Kabinett sitzt für die Belange der Bundeswehr. Die andere Frage ist aber, kann man denn vor dem Hintergrund dieser ganzen Aufgaben, die wir da gerade schon genannt haben, das Verteidigungsministerium sozusagen als Teilzeitkraft führen? Görlich: Also ich glaube nicht, dass das Teilzeitkraft ist. Also die Kombination Parteivorsitz und ein Mandat als Ministerin zu haben oder Kanzlerin zu haben oder Kanzler, das war ja immer schon so, das ist nicht ganz selten, dass es so war in der Kombination. Also ich denke, das ist absolut machbar, und das würde ich nicht als Teilzeit bezeichnen. Sie wird die Dinge, die angepackt werden müssen mit all ihrer Kraft anpacken, und da bin ich auch von überzeugt, dass sie das versucht umzusetzen und auch erfolgreich umzusetzen, und das auch schon aus ihrem eigenen Interesse heraus. Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.