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Neue Zeitschrift von Margot Käßmann
Evangelisches Badesalz

Die evangelische Theologin Margot Käßmann bringt ab April eine eigene Zeitschrift heraus, in der sie über Persönliches und Politisches schreiben möchte. Der Titel: „Mitten im Leben“. Arno Orzessek erwartet in seiner Glosse allerdings nur laufendes Posting auf Papier.

Von Arno Orzessek |
Die Theologin Margot Käßmann sowie Martin Luther und ein Straßenmagazinverkäufer sind auf einem Adventskalender abgebildet.
Bekommt jetzt eine eigene Zeitschrift: Margot Käßmann, hier auf einem Adventskalender neben dem Reformator Martin Luther (dpa/ Holger Hollemann)
Eine Info vorab… Und zwar für diejenigen, die im Religiösen nicht so sattelfest sind und von Margot Käßmann vielleicht nur wissen, dass sie anno dunnemals mit 1,5 Promille über Rot gebrettert ist: Käßmann hat sich zwar im letzten Sommer bei verminderten Bezügen frühzeitig pensionieren lassen, aber die gläubige Christin ist natürlich weiterhin im Auftrag des Herrn unterwegs – echter Ruhestand folgt erst im Himmel.
Deshalb wäre es eine journalistische Sünde, schmisse man Käßmanns "Mitten im Leben" mit den profanen Produkten in einen Topf, mit denen die Zeitschrift das Testimonial-Konzept teilt – etwa mit "Barbara" von der gleichnamigen Schöneberger, "Daniela" von der gleichnamigen Katzenberger, Doktor von Hirschhausens "stern Gesund Leben" vom gleichnamigen Eckhart und so weiter.
"Mitten im Leben" heißt eben nicht marktschreierisch "Margot". Obwohl es andererseits ohne Margot "Mitten im Leben" nicht gäbe. Vielleicht wäre "Mitten in Margot" ein guter Titel-Kompromiss gewesen.
Kannibalisierung protestantischer Lebensberatung
Aber egal! Wie es so läuft bei einer Zeitschrift, weiß Käßmann aus dem Effeff. Immerhin war sie bis 2018 Kolumnistin und Mitherausgeberin von "Chrismon"… Sie wissen schon! Das ist dieses semi-fromme Magazin, dessen erfrischender Name auch ein evangelisches Badesalz schmücken könnte.
Auf dem aktuellen "Chrismon"-Titel prangt übrigens die Frage: "Wer tut so was?" Und die könnten Schandmäuler auch an Käßmanns Projekt richten. Denn ein inhaltlicher Kannibalisierungs-Effekt zwischen "Mitten im Leben" und "Chrismon" wird sich kaum verhindern lassen. Das Publikumsinteresse an protestantischer Lebensberatung ist leider nicht unendlich groß, wie der Gratis-Beilagen- und Lest-mich-doch-bitte!-Charakter von "Chrismon" zeigt.
Hätte sich also Käßmann im Auftrag des Herrn nicht lieber auf die Sozialen Medien stürzen sollen? Zumal "Mitten im Leben", wie der Herder Verlag mitteilt, "so etwas wie ein Notizbuch" Käßmanns werden soll – und die zeitgemäße Veröffentlichungsform von Notizen nun einmal das Posting oder der Tweet ist?
Jesus - ein User der Sozialen Medien
Schlaumeier mögen einwenden, das Christliche neige aber per se – Stichwort: Heilige Schrift – dem gedruckten Papier zu! Wir dagegen behaupten vorbehaltlich theologischer Einwände: Jesus von Nazareth selbst wäre ein User der Sozialen Medien, käme er heute wegen dieser Erlösungssache auf die Erde.
Denkt man nämlich an seine damaligen Sprüche, spürt man über die Jahrtausende hinweg eine tolle Frühbegabung für knackige Tweets. Zum Beispiel "Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben". Eine Ego-Sentenz, die das Zeug zum coolsten 43-Zeichen-Tweet ever hätte – außer, dass Donald Trump sicher sofort retweeten würde: "Ist nicht von Jesus, ist original von mir. Erhebe Strafzoll und bleibe Amerikas Heiland Nr. 1."
In den Sozialen Medien bricht halt rasch arg unchristlichstes Gezänk aus. Und das ist auch der Grund, warum sich Käßmann sozial-medial etwas etepetete gibt. Ihre Vorbehalte hat sie als gute Lutheranerin mit Luther erklärt, den sie – Stichwort: Buchdruck – durchaus für einen "Star des ersten Medien-Zeitalters" hält.
Veröffentlichung mit Cybermobbing-Schutz
Aber, so gab Käßmann im einflussreichen Nachrichtenportal "nordbayern.de" zu bedenken, Luther würde "sicher genau hinschauen und fragen, wie sozial die sogenannten sozialen Medien wirklich sind".
Okay, Frau Käßmann, welche Antwort Luther Ihrer Ansicht nach geben würde, können wir uns denken. Und Sie haben ja recht: In seinen Erklärungen zum achten Gebot – "Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten" – hat Luther schon irgendwie alles Nötige zu Hating, Cybermobbing und sonstigen Ätz-Praktiken im Netz gesagt. Insofern, na klar, veröffentlichen Sie Ihre Notizen lieber in einer analogen Umblätter-Zeitschrift mit eingebautem Cybermobbing-Schutz.
Eine Ihrer Bemerkungen zu den Sozialen Medien verfolgt uns aber weiterhin. Sie lautet: "Ich persönlich muss [...] nicht laufend mitbekommen, was jeder gerade so denkt." Aber was Sie gerade so denken, das sollen die Leser Ihrer Notizen sehr wohl mitbekommen, nicht wahr?
Posting auf Papier
Vielleicht überlegen Sie doch noch einmal, ob Sie mit "Mitten im Leben" etwas ganz anderes veranstalten als laufendes Posting auf Papier. Nur zur Erinnerung – in Römer 3, Vers 23 steht: "Es ist hier kein Unterschied; sie sind allzumal Sünder."