Jean-Marie Charo, Medienforscher am Pariser Institut CNRS:
""Wenn es eine französische Besonderheit in Europa gibt, dann ist das sicherlich der Stellenwert des Radios”"
Die morgendlichen Informationssendungen sind besonders gefragt, fast drei Stunden Radiogenuss gönnen sich die Franzosen im Durchschnitt.
Zwar liegt das Fernsehen mit vier Stunden Nutzungsdauer vorne, aber das Vertrauen gehört den Radiomachern. Das Radio belegt in allen Umfragen zur Seriösität stets den Spitzenplatz:
Die Zeitungen haben da einen deutlich schlechteren Ruf in Frankreich. Während die Auflagen der Magazine recht hoch sind, befindet sich die Tagespresse im Niedergang.
Das Phänomen sei jedoch nicht neu, seit dem Ersten Weltkrieg gehe es bergab, jedenfalls verglichen mit der Aufbruchstimmung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als in Frankreich Blätter in Millionenauflage an den Markt kamen:”Le Petit Journal”,” Le Journal”, "Le Matin”, "Le Petit Parisien”.
Damals sehr bedeutende Blätter, die mit Reportagen, Ideen, Debatten, dem Feuilleton glänzten. Nach dem Ersten Weltkrieg aber wurde Frankreichs Tagespresse politisch, parteiischer.
Bis heute unterscheidet sich Frankreich in diesem Punkt von der angelsächsischen Idee einer Presse als vierter Gewalt im Staat.
Dass die jüngste Neuerscheinung, die erste Neugründung einer Tageszeitung seit fast zwanzig Jahren, den Titel "L’Opinion” trägt, "Die Meinung”, ist deshalb nicht verwunderlich. Ein Blatt mit wirtschaftsliberalem Anstrich soll es sein, meinungsstark, wie der Titel sagt. "Zeitungs- und Internetauftritt in einem”, erklärt Herausgeber Nicolas Beytout , der einst das Wirtschaftsblatt "Les Echos” und den konservativen "Figaro” leitete.
Das Internet, weil das die Zukunft ist – aber eben auch eine Papierversion, erklärt Beytout im französischen Rundfunk. Schließlich sei die Papierfassung einer Tageszeitung heute noch ertragreicher als ein Internetauftritt und – anders als das flüchtige Netz – auch einflussreicher, stärker sichtbar. Auch hier die klare Ansage: Das Blatt will Politik machen.
Wer die Geldgeber hinter der Neuerscheinung am französischen Zeitungsmarkt sind, ist noch unklar, spätestens mit der Bilanz muss der Verleger jedoch Ross und Reiter nennen, anonyme Investoren sind in Frankreich in der Presselandschaft nicht erlaubt. Wie die Neuerscheinung "l’Opinion”, so haben alle Tageszeitungen ihren Ínternetauftritt, das technikverliebte französische Publikum war da stets aufgeschlossen.
Aber die Verlage, sagt Medienforscher Charon, seien nicht besonders innovativ gewesen, hätten zu wenig investiert und zu wenig Kreatitvität an den Tag gelegt. So konnten andere in die Lücke stoßen, die hohen Auflagen für Life-Style und Frauenmagazine stehen dafür , aber auch der relative Erfolg der politischen Magazine: "Le Nouvel Obs”, "L’Express”, "Le Point” et "Marianne”.
Allen gemeinsam machen Internetportale Konkurrenz - "Mediapart” etwa, gegründet von ehemaligen Journalisten des Blattes "Le Monde”. "Mediapart” erlaubt sich und seinen Redakteuren viel Zeit zur Recherche und bedient die 65.000 Abonennten mit einem umfassenden Auftritt.
Die jüngsten Skandale, die Frankreichs politische Elite erschüttert haben, hatten ihren Ausgangspunkt alle in den Redaktionsräumen von "Mediapart”. Frankreichs Tagespresse lief dem journalistischen Erfolg stets hinterher. Auch deshalb sorgte für Aufsehen, dass nun eine neue Tageszeitung an den französischen Markt kam, wenn auch mit internet-Auftritt. Dass er keinen schwerfälligen alten Redaktions- und Technikapparat mit sich herumschleppen muss, freut den frischgebackenen Verleger Beytout, das sei ein enormer Vorteil:
Tatsächlich leidet die traditionsreiche Konkurrenz des neuen Blattmachers unter hohen Produktionskosten und veralteten Strukturen.
Das Aufkommen der neuen Produktionsmethoden in den 70er- und 80er-Jahren wusste man hier in Frankreich nicht umzusetzen, meint der Medienforscher Charon, Informatik, Offset, das lief nicht recht, es wurde zwar modernisiert, hier und da, aber nicht rationalisiert. Andererseits, erklärt Charon, liefen in Frankreich aufwändig produzierte Magazine, Broschüren, Buchartige Sonderausgaben gut, das Publikum zahle durchaus gerne für Qualität. Die Aktualität allerdings sei vielfach zum kleinen Preis oder gar in den kostenlosen Metro-Zeitungen zu haben – entsprechend zurückhaltend sei das Publikum mit kostspieligen Abonnements
Ein tägliches Boulveard- und Skandalblatt wie in Deutschland gibt es nicht. "Springer” habe mal etwa ähnliches versuchen wollen, sagt der Medienforscher, das Projekt versandete aber. Vielleicht, weil die Sensationslust der Franzosen durch People-Magazine wie "Paris Match” und andere befriedigt werde, vermutlich aber aus kulturellen Gründen. Jedenfalls bislang hat sich in Frankreich kein Verleger an die Herausgabe eines täglichen Boulevardblattes gewagt.
""Wenn es eine französische Besonderheit in Europa gibt, dann ist das sicherlich der Stellenwert des Radios”"
Die morgendlichen Informationssendungen sind besonders gefragt, fast drei Stunden Radiogenuss gönnen sich die Franzosen im Durchschnitt.
Zwar liegt das Fernsehen mit vier Stunden Nutzungsdauer vorne, aber das Vertrauen gehört den Radiomachern. Das Radio belegt in allen Umfragen zur Seriösität stets den Spitzenplatz:
Die Zeitungen haben da einen deutlich schlechteren Ruf in Frankreich. Während die Auflagen der Magazine recht hoch sind, befindet sich die Tagespresse im Niedergang.
Das Phänomen sei jedoch nicht neu, seit dem Ersten Weltkrieg gehe es bergab, jedenfalls verglichen mit der Aufbruchstimmung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als in Frankreich Blätter in Millionenauflage an den Markt kamen:”Le Petit Journal”,” Le Journal”, "Le Matin”, "Le Petit Parisien”.
Damals sehr bedeutende Blätter, die mit Reportagen, Ideen, Debatten, dem Feuilleton glänzten. Nach dem Ersten Weltkrieg aber wurde Frankreichs Tagespresse politisch, parteiischer.
Bis heute unterscheidet sich Frankreich in diesem Punkt von der angelsächsischen Idee einer Presse als vierter Gewalt im Staat.
Dass die jüngste Neuerscheinung, die erste Neugründung einer Tageszeitung seit fast zwanzig Jahren, den Titel "L’Opinion” trägt, "Die Meinung”, ist deshalb nicht verwunderlich. Ein Blatt mit wirtschaftsliberalem Anstrich soll es sein, meinungsstark, wie der Titel sagt. "Zeitungs- und Internetauftritt in einem”, erklärt Herausgeber Nicolas Beytout , der einst das Wirtschaftsblatt "Les Echos” und den konservativen "Figaro” leitete.
Das Internet, weil das die Zukunft ist – aber eben auch eine Papierversion, erklärt Beytout im französischen Rundfunk. Schließlich sei die Papierfassung einer Tageszeitung heute noch ertragreicher als ein Internetauftritt und – anders als das flüchtige Netz – auch einflussreicher, stärker sichtbar. Auch hier die klare Ansage: Das Blatt will Politik machen.
Wer die Geldgeber hinter der Neuerscheinung am französischen Zeitungsmarkt sind, ist noch unklar, spätestens mit der Bilanz muss der Verleger jedoch Ross und Reiter nennen, anonyme Investoren sind in Frankreich in der Presselandschaft nicht erlaubt. Wie die Neuerscheinung "l’Opinion”, so haben alle Tageszeitungen ihren Ínternetauftritt, das technikverliebte französische Publikum war da stets aufgeschlossen.
Aber die Verlage, sagt Medienforscher Charon, seien nicht besonders innovativ gewesen, hätten zu wenig investiert und zu wenig Kreatitvität an den Tag gelegt. So konnten andere in die Lücke stoßen, die hohen Auflagen für Life-Style und Frauenmagazine stehen dafür , aber auch der relative Erfolg der politischen Magazine: "Le Nouvel Obs”, "L’Express”, "Le Point” et "Marianne”.
Allen gemeinsam machen Internetportale Konkurrenz - "Mediapart” etwa, gegründet von ehemaligen Journalisten des Blattes "Le Monde”. "Mediapart” erlaubt sich und seinen Redakteuren viel Zeit zur Recherche und bedient die 65.000 Abonennten mit einem umfassenden Auftritt.
Die jüngsten Skandale, die Frankreichs politische Elite erschüttert haben, hatten ihren Ausgangspunkt alle in den Redaktionsräumen von "Mediapart”. Frankreichs Tagespresse lief dem journalistischen Erfolg stets hinterher. Auch deshalb sorgte für Aufsehen, dass nun eine neue Tageszeitung an den französischen Markt kam, wenn auch mit internet-Auftritt. Dass er keinen schwerfälligen alten Redaktions- und Technikapparat mit sich herumschleppen muss, freut den frischgebackenen Verleger Beytout, das sei ein enormer Vorteil:
Tatsächlich leidet die traditionsreiche Konkurrenz des neuen Blattmachers unter hohen Produktionskosten und veralteten Strukturen.
Das Aufkommen der neuen Produktionsmethoden in den 70er- und 80er-Jahren wusste man hier in Frankreich nicht umzusetzen, meint der Medienforscher Charon, Informatik, Offset, das lief nicht recht, es wurde zwar modernisiert, hier und da, aber nicht rationalisiert. Andererseits, erklärt Charon, liefen in Frankreich aufwändig produzierte Magazine, Broschüren, Buchartige Sonderausgaben gut, das Publikum zahle durchaus gerne für Qualität. Die Aktualität allerdings sei vielfach zum kleinen Preis oder gar in den kostenlosen Metro-Zeitungen zu haben – entsprechend zurückhaltend sei das Publikum mit kostspieligen Abonnements
Ein tägliches Boulveard- und Skandalblatt wie in Deutschland gibt es nicht. "Springer” habe mal etwa ähnliches versuchen wollen, sagt der Medienforscher, das Projekt versandete aber. Vielleicht, weil die Sensationslust der Franzosen durch People-Magazine wie "Paris Match” und andere befriedigt werde, vermutlich aber aus kulturellen Gründen. Jedenfalls bislang hat sich in Frankreich kein Verleger an die Herausgabe eines täglichen Boulevardblattes gewagt.