"5000 Jahre nach der Erfindung des Rades haben wir eine neue Epoche in der Rad-Schiene-Technik erreicht. Und wir sind deshalb dankbar dafür, dass die erste Schnellbahn nicht am Land Baden-Württemberg vorbeiführt, sondern mitten durch unser Land hindurch: von Mannheim über Stuttgart nach Ulm."
Es war im Frühjahr 1991, also vor 20 Jahren. Gemeinsam mit froh gelaunten Gästen feierte Baden-Württembergs damaliger Ministerpräsident Erwin Teufel die Eröffnung des ICE-Verkehrs auf der Neubaustrecke Stuttgart-Mannheim.
Auch die Fortsetzung der Hochgeschwindigkeitstrasse von Stuttgart nach Ulm betrachtete Erwin Teufel als beschlossene Sache, damals 1991. Etliche hundert seiner Landsleute drängten in den Stuttgarter Hauptbahnhof, um den ICE zu bestaunen.
Und hier genau liegen die Systemvorteile der Bahn, nämlich im verantwortungsvollen und schonenden Umgang mit Mensch und Natur genauso wie bei der Zuverlässigkeit und Sicherheit.
Wenn sich heute Bürger am Stuttgarter Hauptbahnhof versammeln, dann ist die Stimmung eher gegen die Bahn und ziemlich aggressiv. So war es auch Anfang Februar 2010 beim offiziellen Baubeginn von Stuttgart 21.
Die Deutsche Bahn hat ihren Bonus verspielt, ist in die Defensive geraten. Ein Grund: Sie verspricht ihren Kunden mehr, als sie halten kann.
Erst jüngst hat die DB AG angekündigt, ab 2013 fahrplanmäßig Köln und London zu verbinden. Dafür will sie ICE-Züge einsetzen, die derzeit noch gebaut werden. Weder ist klar, ob Siemens als Herstellerfirma die Züge überhaupt rechtzeitig liefern kann, noch steht eine abschließende Genehmigung der Behörden für die Passage durch den Kanaltunnel fest. Und während sich die Deutsche Bahn mit ihrem Projekt London brüstet, klagen Schweizer Bahnexperten, dass es mit den Verbindungen von und nach Deutschland hakt.
Besonders seriös ist die Ankündigungspolitik der Deutschen Bahn jedenfalls nicht, räumt Berthold Huber, Vorstand der Fernverkehrssparte ein:
"Wir sind an der Stelle häufig zu schnell. Liegt auch ein bisschen daran, dass wir in der Situation sind, in der wir gerne positive Botschaften produzieren, um das schlechte Image, das uns nachgesagt wird, abzulegen."
Und für dieses schlechte Image gibt es viele Beispiele. So hielt die Zeitschrift "Test" der DB AG vor, im Dezember 2010 sei ein Drittel der ICE-Züge sechs und mehr Minuten verspätet gewesen. Dabei hatte die Staatsbahn zuvor Besserung gelobt.
In der Hitzeperiode des vergangenen Sommers sorgten Klimaanlagen, die in ICE-Zügen ausfielen, für Schlagzeilen. Die Medien berichteten von kollabierenden Fahrgästen. Im Winter setzten Schnee und Eis dem Vorzeigezug der Deutschen Bahn zu.
In Berlin musste die halbe Flotte der S-Bahn aus dem Verkehr gezogen werden, weil bei den neuen Zügen kein sicheres Bremsen mehr zu gewährleisten war. Ähnliche Probleme gab es bei den neuen S-Bahnen im Ruhrgebiet. Dort wurden Rentner und andere Freiwillige angeworben, um als Beifahrer während der Fahrt Signale zu beobachten, weil die Elektronik versagte.
Immer öfter streiken altersschwache Lokomotiven. Reisende sind verärgert über defekte Toiletten, die verschlossen bleiben. In den Bordrestaurants fallen Kühlschränke und andere elektrische Geräte aus, Fahrgäste werden mit lauwarmen Getränken abgespeist.
Dennoch halten Vielfahrer wie Kerstin Glaser der Bahn die Treue. Die berufstätige Mutter lebt mit ihrer Familie in Schifferstadt bei Ludwigshafen. Mehrmals in der Woche pendelt sie zwischen ihrem Wohnort und Stuttgart, wo sie arbeitet.
Gäbe es keine gut funktionierende S-Bahn, die Schifferstadt mit Mannheim verbindet, sagt sie, und gäbe es nicht die schnellen ICE-Züge zwischen Mannheim und Stuttgart, dann hätte Kerstin Glaser ihre Arbeitsstelle längst aufgegeben:
"Wenn ich Glück habe und der ICE schnell ist und ich meinen Anschlusszug früher kriege, dann bin ich in eineinhalb Stunden daheim. Ich freue mich total, wenn er superpünktlich in Mannheim ankommt, 16.29 Uhr. Dann habe ich zwei Minuten Zeit, um das Gleis zu wechseln und kriege noch meine S-Bahn. Wenn nicht, dann habe ich Pech gehabt, aber meistens klappt´s. Wobei: Diese Minutenpünktlichkeit, die man sich wünscht, ich glaube, die ist nicht realistisch."
Nicht nur beim Weg von und zur Arbeit, sondern auch bei anderen Reisen ziehe sie den Zug dem Auto vor, erzählt Kerstin Glaser. Ihre Kinder würden sich jedoch eher für den PKW entscheiden.
Neuere Untersuchungen über die Einstellungen jüngerer Leute kommen zwar zu dem Ergebnis, dass sie das Auto heute nicht mehr so anhimmeln wie frühere Generationen. Aber mit puren Sachargumenten lassen sie sich kaum von der Bahn überzeugen. Sie muss emotionale Zustimmung wecken durch das Image eines modernen Verkehrsmittels.
Dafür stand vor 20 Jahren der ICE, erinnert sich Frank Schuster. Er ist einer der beiden Vorstände der schwäbischen Firma "Tricon Design AG". Sie hat sich auf die Gestaltung von Zügen spezialisiert:
"Die Zeit vor ICE, da kamen die Fahrgäste und haben verschämt gesagt: Wir sind mit der Bahn gekommen. Ab dem Tag, als der ICE zum Einsatz kam, hat man stolz verkündet: Man ist mit dem ICE gekommen. Und dieses Pfund, das darf man nicht verspielen. Eine Marke wie der ICE muss werthaltig sein, muss mit Stolz weitergetragen werden, was im Moment nicht der Fall ist."
Und das nicht ohne Grund. Anfang Juni 1998 - die Katastrophe von Eschede, rund 60 Kilometer entfernt von Hannover. Damals verunglückte ein ICE. 101 Menschen starben. Ursache war ein Defekt an einem neu entwickelten ICE-Rad, das für einen ruhigeren Lauf sorgen sollte.
Zehn Jahre später, im Juli 2008, entgleiste ein ICE der dritten Generation bei der Ausfahrt aus dem Kölner Hauptbahnhof. Die Passagiere kamen mit dem Schrecken davon. Eine auf möglichst wenig Gewicht getrimmte Radachse war gebrochen. Seitdem müssen ICEs in kürzeren Intervallen auf Herz und Nieren geprüft werden.
Auch bei einer weiteren ICE-Baureihe kam es zu einem Achsbruch. Sie wurde vorübergehend stillgelegt. Bei anderen Zügen der ICE-Familie fiel immer wieder die Neigetechnik aus. Deshalb konnten sie kurvenreiche Strecken, für die sie geplant waren, nur mit verminderter Geschwindigkeit passieren.
Mittlerweile sind die heftigsten Turbulenzen überstanden, problematische Achsen und anfällige Klimaanlagen werden ausgetauscht. Das braucht Zeit.
Derzeit umfasst die ICE-Flotte 252 Züge verschiedener Baureihen. Sie fahren etwas mehr als 60 Prozent der Leistungen im Fernverkehr herein. Schnelle Verbindungen mit Höchstgeschwindigkeiten zwischen 250 und 300 Kilometern in der Stunde sind attraktiv. So konnte die Bahn mit dem ICE beispielsweise zwischen Hamburg und Berlin den Verkehrsanteil des PKW überflügeln.
Kritiker wenden ein, der ICE-Verkehr, der ja vor allem größere Städte ansteuert, gehe zu Lasten der IC-Verbindungen. Sie bedienen auch regionale Zentren in der Provinz und wurden stark ausgedünnt. Darunter leiden Städte wie Emden, Weimar oder Friedrichshafen am Bodensee. Sie fühlen sich abgehängt.
Der IC ist offenbar ein Auslaufmodell, zumal er auf vielen Abschnitten oft ziemlich leer durch die Gegend fährt. Ein Grund ist der veraltete IC-Wagenpark, der schon längst hätte ausgemustert werden müssen.
Im Mai vergab die Deutsche Bahn nun einen milliardenschweren Großauftrag an Siemens. Er umfasst 300 neue Züge unter der Bezeichnung ICx. Es wird mehrere Varianten geben, je nach Einsatzgebiet und Geschwindigkeit. Vorgesehen ist, dass 220 Exemplare des ICx von 2016 bis 2020 die betagten Intercitys ersetzen, in den folgenden Jahren sollen weitere ICx die ICE-Züge der ersten beiden Generationen ablösen.
Schon heute preist die Deutsche Bahn den ICx als - so wörtlich - "modernsten Zug der Welt". Berthold Huber, Vorstand der Fernverkehrssparte:
"Wir haben hier Züge bestellt, die deutlich weniger Energie verbrauchen als die Generation von heute. Die ökologische Komponente des Reisens wird zunehmend wichtig, sich für unser Produkt zu entscheiden. Wir werden auch dafür sorgen müssen, dass wir ein Angebot bereit halten für eine im Durchschnitt immer älter werdende Bevölkerung. Die dritte wesentliche Komponente ist sicherlich, dass wir die Züge zeitgemäß ausstatten, was moderne Medien anbetrifft. Wir haben immer noch nicht die Abdeckung beispielsweise an internetfähigen Zügen, die wir uns eigentlich wünschen würden. Und außerdem werden wir zusehen müssen, dass wir 'ne Kundeninformation zur Verfügung stellen in den Zügen, 'ne Echtzeit-Kundeninformation. Deswegen werden wir die Züge auch so entsprechend ausrüsten, dass Sie immer einen Blick drauf haben, wo sind wir eigentlich gerade, wie sieht die Fahrplansituation in dem nächsten Knoten aus, den wir erreichen werden: moderne Displays, die aus der Decke herausgeklappt werden können."
Schöne neue Bahnwelt. Wieder einmal. Aber ist es tatsächlich der ersehnte große Wurf? Bahndesigner Frank Schuster bleibt skeptisch:
"Der ICx, das ist eigentlich im Grunde genommen eigentlich 'ne Fortsetzung von dem, das man schon kennt. Das ist keine Neuerung, das ist eigentlich ein sehr technokratisches Produkt. Spannende Projekte erleben wir in China; da machen wir mehrere Metros für unterschiedliche Städte, wir machen Highspeed-Produkte. Und wir erleben in China im Grunde genommen die Euphorie, die wir in Deutschland damals zur Zeit von ICE 1 hatten. Jeder Hersteller möchte noch ein besseres und schöneres, ein interessanteres Fahrzeug gestalten. Und auf diesem Markt tummeln wir uns mittlerweile seit sieben Jahren - und der macht uns auch Spaß."
In China gibt es einen Wettbewerb um die besten Züge. An ihm ist die europäische Bahnindustrie beteiligt. Aber nach dem Zugunglück mit knapp 40 Toten vor zwei Wochen ist die Hochgeschwindigkeitstechnik auch in China in die Kritik geraten. In Japan wetteifern mehrere nationale Bahngesellschaften mit ambitioniert gestalteten Zügen um die Gunst der Reisenden. Komfort ist dabei ebenso wichtig wie Geschwindigkeit.
Die Deutsche Bahn sei dagegen in Richtung Einheitszug unterwegs, meint Karl-Peter Naumann vom Fahrgastverband Pro Bahn. Nicht nur den Speisewagen hätte das Unternehmen vor einiger Zeit am liebsten abgeschafft, erinnert er sich:
"Wenn man sich mal zehn Jahre zurück besinnt, als man bei den Nachtzügen die Liegewagen abschaffen wollte: Es kam zu irrsinnigen Protesten. Und das Ergebnis war: Die Liegewagen wurden dann eben letztlich nicht abgeschafft oder beziehungsweise dort, wo man sie schon abgeschafft hatte, wieder eingeführt."
Auf die Kunden zu hören, ist jedoch nicht unbedingt die Stärke von Managern, die bei der Deutschen Bahn die Richtung bestimmen. Berthold Huber, heute Fernverkehrschef der DB, wechselte von Ernst & Young, einem Unternehmen der Wirtschaftsberatung, zum Staatskonzern; einer seiner Kollegen, der an der Konzeption der neuen Fernverkehrsflotte beteiligt war, kam von der Unternehmensberatung McKinsey. Ihrer betriebswirtschaftlichen Sicht entspricht es, Sitzplätze in den neuen Fernzügen nur noch in Großraumwaggons zu bieten:
"Wir werden zwar im Großraum Abtrennungen schaffen, aber das klassische Abteil wird's nicht mehr geben. Wir stellen heute schlicht und einfach fest, dass der Trend eindeutig zum Großraum geht, eindeutig. Das ist das erste. Und das zweite: Wir stehen ja immer vor der Aufgabe, die Balance zwischen schaff ich, zusätzlich Kapazitäten zu finden oder schaff ich Raum für möglichst viel individuelle Bedürfnisse. Was bedeutet, dass sich an Sitzplatzkapazität eher verliere."
Kerstin Glaser, Berufspendlerin:
"Wenn ich aus der Arbeit rausgeh', ist man ja angespannt, nervös, und hat irgendwie noch den ganzen Tag im Kopf. Und fährt man heim und kommt so langsam runter; wenn man daheim is', hat man wieder Kraft. Ich fahre halt auch schrecklich gern die Sechserabteile, die sind ein bisschen angenehmer. So im Großraum, da ist auch nicht so die Ruh - in dem kleinen Abteil, da hat man ein bisschen mehr Entspannungsmöglichkeiten."
Natürlich gibt es auch viele Reisende, die lieber in Großraumwaggons unterwegs sind. Manchen reicht im Zug ein Bistro oder gar eine Minibar, andere gehen hin und wieder gerne in den Speisewagen. Den wird es auch im ICx geben. Trotzdem bieten diese Züge viel weniger, als sich der Bahndesigner Frank Schuster vorstellen kann:
"Es muss Bereiche geben, wo man sich in Ruhe zurückziehen kann, arbeiten kann. Es muss Bereiche geben, wo man mit 'ner Familie auch laut die Reise erleben kann, wo man spielen, wo man lachen kann, ohne den anderen zu stören. Es müssen Bereiche rein, wo man was isst, wo man das Reisen kulinarisch genießen kann. Und es gehört meines Erachtens auch so eine Art Markt dazu, wo ich ein paar Sachen einkaufen kann. Und es gehört dazu, ein ganz wichtiger Aspekt: Der, der mitreisen will und hat keinen Sitzplatz mehr, der muss trotzdem einen Platz finden, wo er vernünftig aufgehoben ist, wo er vielleicht 'ne Stehhilfe hat und sagt: Menschenskind, ich kann hier zwei Stunden jetzt stehen, ohne dass Leute über mich drüber steigen müssen."
Mehr Mut zu neuen Konzepten zeigen beispielsweise die Österreichischen Bundesbahnen. Die ÖBB haben einen Zug namens Railjet entwickelt. Er pendelt unter anderem zwischen München, Wien und Budapest; auch zwischen Zürich und Wien.
Das Bistro bietet passablen Kaffee, wirkt jedoch steril. Deshalb wird es jetzt zu einem ordentlichen Zugrestaurant umgebaut. Doch das Besondere dieser österreichischen Züge ist eine Art Super-Erster-Klasse mit dem Namen "Premium". Sie ist nicht zuletzt auf die Bedürfnisse von Geschäftsleuten ausgelegt, die bequemes Reisen und ungestörtes Arbeiten miteinander verbinden wollen.
O-Ton - Ansage im Raijet:
"Sehr verehrte Fahrgäste. Herzlich willkommen im Railjet, dem Hochgeschwindigkeitszug der ÖBB. Der Railjet verfügt über drei Klassen: Premium, First und Economy. Im Railjet werden Sie auf über 80 Bildschirmen über Halte- und Ankunftszeiten informiert. Bei weiteren Fragen steht Ihnen das Zugteam jederzeit gerne zur Verfügung."
Solche Konzepte passen nicht zu Vorstellungen, zu denen sich etwa das Bündnis "Bahn für alle" bekennt. Aber die Akteure des Schienenverkehrs müssen alle Register ziehen und sowohl Berufspendler als auch Gelegenheitsreisende gewinnen. Die Bahn muss neue Kundengruppen erschließen, will sie im Wettbewerb mit Auto und Flugzeug bestehen. Es reicht nicht, Gefäße mit möglichst vielen Menschen zu füllen.
Das gilt auch für den Regionalverkehr, das "Brot- und Buttergeschäft", von dem Bahnchef Rüdiger Grube immer wieder spricht. Allerdings: Die Länder bestellen und bezahlen.
Für sie und die Bahngesellschaften als Betreiber ist der möglichst niedrige Preis pro Sitzplatz ein entscheidendes Kriterium. Ihm würden oft andere wichtige Gesichtspunkte untergeordnet, meint Thomas König, ebenfalls Vorstand der "Tricon Design AG", die Züge nicht nur für Deutschland gestaltet:
"Also, es ist überhaupt nicht nachvollziehbar, warum Kunden im Nahverkehr, die vielleicht 'ne halbe Stunde unterwegs sind, schlechter sitzen sollen als solche Leute, die zwischen Mannheim und Stuttgart auch 'ne halbe Stunde nur fahren. Beim PKW sieht man, dass heute eine Luxusklasse eine ähnliche Anmutung hat wie eine Kompaktklasse; und nur bei der Bahn meinen wir, dass das ein gravierender Unterschied sein muss. Da muss man dringend dran arbeiten. Das bringt uns mehr Fahrgäste und das bringt uns die Möglichkeit, zukünftig einfach auch die Erträge zu halten."
Schließlich kann die Bahn als ökologisches Verkehrsmittel dann am besten überzeugen, wenn möglichst viele Reisende mit ihr fahren.
Umgerechnet auf eine Person braucht ein durchschnittlich besetzter ICE viel weniger Energie pro Kilometer als ein PKW unter vergleichbaren Bedingungen. Selbst
Hochgeschwindigkeitszüge, die 250 und mehr Stundenkilometer erreichen, sind in puncto Energieeffizienz vertretbar, wenn die Auslastung gut ist.
Die Deutsche Bahn ist der größte Stromkunde in Deutschland. Und bislang spielte die Kernenergie eine große Rolle bei der Bahnstromversorgung. Sie hatte einen Anteil von 22 Prozent. Durch das Aus für Neckarwestheim I sind es nun noch 14 Prozent. Fast die Hälfte seines Strombedarfes bezieht das Unternehmen derzeit aus Kohlekraftwerken. Nur knapp 19 Prozent stammten bisher aus erneuerbaren Energiequellen. Bis 2020 sollen es 35 Prozent werden. Den ersten Schritt in diese Richtung hat die Deutsche Bahn nun unternommen. Mit dem Energiekonzern wurde ein Vertrag über Wasserkraftnutzung geschlossen. Bahnchef Rüdiger Grube:
"Wir wollen in Zukunft noch viel stärker als es in der Vergangenheit der Fall war, die Umweltfreundlichkeit als Alleinstellungsmerkmal und als Wettbewerbsvorteil aktiv nutzen."
Das Festhalten an Atomstrom und Kohlekraft kratzt aber am Image als umweltfreundlicher Verkehrsträger. In einem Forschungsprojekt, das interessanterweise beim "Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt" in Stuttgart angesiedelt ist, wird beispielsweise an einem "Next Generation Train" gebastelt. Er ist als Doppelstockzug angedacht und soll erheblich weniger Energie benötigen als moderne Hochgeschwindigkeitszüge heute. Allerdings müssten auch Bahnhöfe gründlich umgebaut werden, sagt Joachim Winter, der Leiter des Projektes "Next Generation Train".
"Also haben wir uns dafür entschieden, dass man auf beiden Ebenen aus- und einsteigt und zwar so, dass sich die Fahrgäste, die einsteigen, nicht kreuzen mit denen, die aussteigen. Und damit können wir gewährleisten, dass wir relativ kurze Wartezeiten im Bahnhof realisieren können, so dass wir einen richtigen Nutzen ziehen können von der hohen Geschwindigkeit."
Seit 1991 sind die Hochgeschwindigkeitszüge in Betrieb. Seither hat es kaum merkliche Verbesserungen im Fernverkehr der Deutschen gegeben. Auf die Umsetzung solcher Zukunftskonzepte werden die Reisenden denn wohl noch eine Weile warten müssen. Wenn sie denn wirklich wünschenswert ist - die schöne neue Welt der Bahn.
Es war im Frühjahr 1991, also vor 20 Jahren. Gemeinsam mit froh gelaunten Gästen feierte Baden-Württembergs damaliger Ministerpräsident Erwin Teufel die Eröffnung des ICE-Verkehrs auf der Neubaustrecke Stuttgart-Mannheim.
Auch die Fortsetzung der Hochgeschwindigkeitstrasse von Stuttgart nach Ulm betrachtete Erwin Teufel als beschlossene Sache, damals 1991. Etliche hundert seiner Landsleute drängten in den Stuttgarter Hauptbahnhof, um den ICE zu bestaunen.
Und hier genau liegen die Systemvorteile der Bahn, nämlich im verantwortungsvollen und schonenden Umgang mit Mensch und Natur genauso wie bei der Zuverlässigkeit und Sicherheit.
Wenn sich heute Bürger am Stuttgarter Hauptbahnhof versammeln, dann ist die Stimmung eher gegen die Bahn und ziemlich aggressiv. So war es auch Anfang Februar 2010 beim offiziellen Baubeginn von Stuttgart 21.
Die Deutsche Bahn hat ihren Bonus verspielt, ist in die Defensive geraten. Ein Grund: Sie verspricht ihren Kunden mehr, als sie halten kann.
Erst jüngst hat die DB AG angekündigt, ab 2013 fahrplanmäßig Köln und London zu verbinden. Dafür will sie ICE-Züge einsetzen, die derzeit noch gebaut werden. Weder ist klar, ob Siemens als Herstellerfirma die Züge überhaupt rechtzeitig liefern kann, noch steht eine abschließende Genehmigung der Behörden für die Passage durch den Kanaltunnel fest. Und während sich die Deutsche Bahn mit ihrem Projekt London brüstet, klagen Schweizer Bahnexperten, dass es mit den Verbindungen von und nach Deutschland hakt.
Besonders seriös ist die Ankündigungspolitik der Deutschen Bahn jedenfalls nicht, räumt Berthold Huber, Vorstand der Fernverkehrssparte ein:
"Wir sind an der Stelle häufig zu schnell. Liegt auch ein bisschen daran, dass wir in der Situation sind, in der wir gerne positive Botschaften produzieren, um das schlechte Image, das uns nachgesagt wird, abzulegen."
Und für dieses schlechte Image gibt es viele Beispiele. So hielt die Zeitschrift "Test" der DB AG vor, im Dezember 2010 sei ein Drittel der ICE-Züge sechs und mehr Minuten verspätet gewesen. Dabei hatte die Staatsbahn zuvor Besserung gelobt.
In der Hitzeperiode des vergangenen Sommers sorgten Klimaanlagen, die in ICE-Zügen ausfielen, für Schlagzeilen. Die Medien berichteten von kollabierenden Fahrgästen. Im Winter setzten Schnee und Eis dem Vorzeigezug der Deutschen Bahn zu.
In Berlin musste die halbe Flotte der S-Bahn aus dem Verkehr gezogen werden, weil bei den neuen Zügen kein sicheres Bremsen mehr zu gewährleisten war. Ähnliche Probleme gab es bei den neuen S-Bahnen im Ruhrgebiet. Dort wurden Rentner und andere Freiwillige angeworben, um als Beifahrer während der Fahrt Signale zu beobachten, weil die Elektronik versagte.
Immer öfter streiken altersschwache Lokomotiven. Reisende sind verärgert über defekte Toiletten, die verschlossen bleiben. In den Bordrestaurants fallen Kühlschränke und andere elektrische Geräte aus, Fahrgäste werden mit lauwarmen Getränken abgespeist.
Dennoch halten Vielfahrer wie Kerstin Glaser der Bahn die Treue. Die berufstätige Mutter lebt mit ihrer Familie in Schifferstadt bei Ludwigshafen. Mehrmals in der Woche pendelt sie zwischen ihrem Wohnort und Stuttgart, wo sie arbeitet.
Gäbe es keine gut funktionierende S-Bahn, die Schifferstadt mit Mannheim verbindet, sagt sie, und gäbe es nicht die schnellen ICE-Züge zwischen Mannheim und Stuttgart, dann hätte Kerstin Glaser ihre Arbeitsstelle längst aufgegeben:
"Wenn ich Glück habe und der ICE schnell ist und ich meinen Anschlusszug früher kriege, dann bin ich in eineinhalb Stunden daheim. Ich freue mich total, wenn er superpünktlich in Mannheim ankommt, 16.29 Uhr. Dann habe ich zwei Minuten Zeit, um das Gleis zu wechseln und kriege noch meine S-Bahn. Wenn nicht, dann habe ich Pech gehabt, aber meistens klappt´s. Wobei: Diese Minutenpünktlichkeit, die man sich wünscht, ich glaube, die ist nicht realistisch."
Nicht nur beim Weg von und zur Arbeit, sondern auch bei anderen Reisen ziehe sie den Zug dem Auto vor, erzählt Kerstin Glaser. Ihre Kinder würden sich jedoch eher für den PKW entscheiden.
Neuere Untersuchungen über die Einstellungen jüngerer Leute kommen zwar zu dem Ergebnis, dass sie das Auto heute nicht mehr so anhimmeln wie frühere Generationen. Aber mit puren Sachargumenten lassen sie sich kaum von der Bahn überzeugen. Sie muss emotionale Zustimmung wecken durch das Image eines modernen Verkehrsmittels.
Dafür stand vor 20 Jahren der ICE, erinnert sich Frank Schuster. Er ist einer der beiden Vorstände der schwäbischen Firma "Tricon Design AG". Sie hat sich auf die Gestaltung von Zügen spezialisiert:
"Die Zeit vor ICE, da kamen die Fahrgäste und haben verschämt gesagt: Wir sind mit der Bahn gekommen. Ab dem Tag, als der ICE zum Einsatz kam, hat man stolz verkündet: Man ist mit dem ICE gekommen. Und dieses Pfund, das darf man nicht verspielen. Eine Marke wie der ICE muss werthaltig sein, muss mit Stolz weitergetragen werden, was im Moment nicht der Fall ist."
Und das nicht ohne Grund. Anfang Juni 1998 - die Katastrophe von Eschede, rund 60 Kilometer entfernt von Hannover. Damals verunglückte ein ICE. 101 Menschen starben. Ursache war ein Defekt an einem neu entwickelten ICE-Rad, das für einen ruhigeren Lauf sorgen sollte.
Zehn Jahre später, im Juli 2008, entgleiste ein ICE der dritten Generation bei der Ausfahrt aus dem Kölner Hauptbahnhof. Die Passagiere kamen mit dem Schrecken davon. Eine auf möglichst wenig Gewicht getrimmte Radachse war gebrochen. Seitdem müssen ICEs in kürzeren Intervallen auf Herz und Nieren geprüft werden.
Auch bei einer weiteren ICE-Baureihe kam es zu einem Achsbruch. Sie wurde vorübergehend stillgelegt. Bei anderen Zügen der ICE-Familie fiel immer wieder die Neigetechnik aus. Deshalb konnten sie kurvenreiche Strecken, für die sie geplant waren, nur mit verminderter Geschwindigkeit passieren.
Mittlerweile sind die heftigsten Turbulenzen überstanden, problematische Achsen und anfällige Klimaanlagen werden ausgetauscht. Das braucht Zeit.
Derzeit umfasst die ICE-Flotte 252 Züge verschiedener Baureihen. Sie fahren etwas mehr als 60 Prozent der Leistungen im Fernverkehr herein. Schnelle Verbindungen mit Höchstgeschwindigkeiten zwischen 250 und 300 Kilometern in der Stunde sind attraktiv. So konnte die Bahn mit dem ICE beispielsweise zwischen Hamburg und Berlin den Verkehrsanteil des PKW überflügeln.
Kritiker wenden ein, der ICE-Verkehr, der ja vor allem größere Städte ansteuert, gehe zu Lasten der IC-Verbindungen. Sie bedienen auch regionale Zentren in der Provinz und wurden stark ausgedünnt. Darunter leiden Städte wie Emden, Weimar oder Friedrichshafen am Bodensee. Sie fühlen sich abgehängt.
Der IC ist offenbar ein Auslaufmodell, zumal er auf vielen Abschnitten oft ziemlich leer durch die Gegend fährt. Ein Grund ist der veraltete IC-Wagenpark, der schon längst hätte ausgemustert werden müssen.
Im Mai vergab die Deutsche Bahn nun einen milliardenschweren Großauftrag an Siemens. Er umfasst 300 neue Züge unter der Bezeichnung ICx. Es wird mehrere Varianten geben, je nach Einsatzgebiet und Geschwindigkeit. Vorgesehen ist, dass 220 Exemplare des ICx von 2016 bis 2020 die betagten Intercitys ersetzen, in den folgenden Jahren sollen weitere ICx die ICE-Züge der ersten beiden Generationen ablösen.
Schon heute preist die Deutsche Bahn den ICx als - so wörtlich - "modernsten Zug der Welt". Berthold Huber, Vorstand der Fernverkehrssparte:
"Wir haben hier Züge bestellt, die deutlich weniger Energie verbrauchen als die Generation von heute. Die ökologische Komponente des Reisens wird zunehmend wichtig, sich für unser Produkt zu entscheiden. Wir werden auch dafür sorgen müssen, dass wir ein Angebot bereit halten für eine im Durchschnitt immer älter werdende Bevölkerung. Die dritte wesentliche Komponente ist sicherlich, dass wir die Züge zeitgemäß ausstatten, was moderne Medien anbetrifft. Wir haben immer noch nicht die Abdeckung beispielsweise an internetfähigen Zügen, die wir uns eigentlich wünschen würden. Und außerdem werden wir zusehen müssen, dass wir 'ne Kundeninformation zur Verfügung stellen in den Zügen, 'ne Echtzeit-Kundeninformation. Deswegen werden wir die Züge auch so entsprechend ausrüsten, dass Sie immer einen Blick drauf haben, wo sind wir eigentlich gerade, wie sieht die Fahrplansituation in dem nächsten Knoten aus, den wir erreichen werden: moderne Displays, die aus der Decke herausgeklappt werden können."
Schöne neue Bahnwelt. Wieder einmal. Aber ist es tatsächlich der ersehnte große Wurf? Bahndesigner Frank Schuster bleibt skeptisch:
"Der ICx, das ist eigentlich im Grunde genommen eigentlich 'ne Fortsetzung von dem, das man schon kennt. Das ist keine Neuerung, das ist eigentlich ein sehr technokratisches Produkt. Spannende Projekte erleben wir in China; da machen wir mehrere Metros für unterschiedliche Städte, wir machen Highspeed-Produkte. Und wir erleben in China im Grunde genommen die Euphorie, die wir in Deutschland damals zur Zeit von ICE 1 hatten. Jeder Hersteller möchte noch ein besseres und schöneres, ein interessanteres Fahrzeug gestalten. Und auf diesem Markt tummeln wir uns mittlerweile seit sieben Jahren - und der macht uns auch Spaß."
In China gibt es einen Wettbewerb um die besten Züge. An ihm ist die europäische Bahnindustrie beteiligt. Aber nach dem Zugunglück mit knapp 40 Toten vor zwei Wochen ist die Hochgeschwindigkeitstechnik auch in China in die Kritik geraten. In Japan wetteifern mehrere nationale Bahngesellschaften mit ambitioniert gestalteten Zügen um die Gunst der Reisenden. Komfort ist dabei ebenso wichtig wie Geschwindigkeit.
Die Deutsche Bahn sei dagegen in Richtung Einheitszug unterwegs, meint Karl-Peter Naumann vom Fahrgastverband Pro Bahn. Nicht nur den Speisewagen hätte das Unternehmen vor einiger Zeit am liebsten abgeschafft, erinnert er sich:
"Wenn man sich mal zehn Jahre zurück besinnt, als man bei den Nachtzügen die Liegewagen abschaffen wollte: Es kam zu irrsinnigen Protesten. Und das Ergebnis war: Die Liegewagen wurden dann eben letztlich nicht abgeschafft oder beziehungsweise dort, wo man sie schon abgeschafft hatte, wieder eingeführt."
Auf die Kunden zu hören, ist jedoch nicht unbedingt die Stärke von Managern, die bei der Deutschen Bahn die Richtung bestimmen. Berthold Huber, heute Fernverkehrschef der DB, wechselte von Ernst & Young, einem Unternehmen der Wirtschaftsberatung, zum Staatskonzern; einer seiner Kollegen, der an der Konzeption der neuen Fernverkehrsflotte beteiligt war, kam von der Unternehmensberatung McKinsey. Ihrer betriebswirtschaftlichen Sicht entspricht es, Sitzplätze in den neuen Fernzügen nur noch in Großraumwaggons zu bieten:
"Wir werden zwar im Großraum Abtrennungen schaffen, aber das klassische Abteil wird's nicht mehr geben. Wir stellen heute schlicht und einfach fest, dass der Trend eindeutig zum Großraum geht, eindeutig. Das ist das erste. Und das zweite: Wir stehen ja immer vor der Aufgabe, die Balance zwischen schaff ich, zusätzlich Kapazitäten zu finden oder schaff ich Raum für möglichst viel individuelle Bedürfnisse. Was bedeutet, dass sich an Sitzplatzkapazität eher verliere."
Kerstin Glaser, Berufspendlerin:
"Wenn ich aus der Arbeit rausgeh', ist man ja angespannt, nervös, und hat irgendwie noch den ganzen Tag im Kopf. Und fährt man heim und kommt so langsam runter; wenn man daheim is', hat man wieder Kraft. Ich fahre halt auch schrecklich gern die Sechserabteile, die sind ein bisschen angenehmer. So im Großraum, da ist auch nicht so die Ruh - in dem kleinen Abteil, da hat man ein bisschen mehr Entspannungsmöglichkeiten."
Natürlich gibt es auch viele Reisende, die lieber in Großraumwaggons unterwegs sind. Manchen reicht im Zug ein Bistro oder gar eine Minibar, andere gehen hin und wieder gerne in den Speisewagen. Den wird es auch im ICx geben. Trotzdem bieten diese Züge viel weniger, als sich der Bahndesigner Frank Schuster vorstellen kann:
"Es muss Bereiche geben, wo man sich in Ruhe zurückziehen kann, arbeiten kann. Es muss Bereiche geben, wo man mit 'ner Familie auch laut die Reise erleben kann, wo man spielen, wo man lachen kann, ohne den anderen zu stören. Es müssen Bereiche rein, wo man was isst, wo man das Reisen kulinarisch genießen kann. Und es gehört meines Erachtens auch so eine Art Markt dazu, wo ich ein paar Sachen einkaufen kann. Und es gehört dazu, ein ganz wichtiger Aspekt: Der, der mitreisen will und hat keinen Sitzplatz mehr, der muss trotzdem einen Platz finden, wo er vernünftig aufgehoben ist, wo er vielleicht 'ne Stehhilfe hat und sagt: Menschenskind, ich kann hier zwei Stunden jetzt stehen, ohne dass Leute über mich drüber steigen müssen."
Mehr Mut zu neuen Konzepten zeigen beispielsweise die Österreichischen Bundesbahnen. Die ÖBB haben einen Zug namens Railjet entwickelt. Er pendelt unter anderem zwischen München, Wien und Budapest; auch zwischen Zürich und Wien.
Das Bistro bietet passablen Kaffee, wirkt jedoch steril. Deshalb wird es jetzt zu einem ordentlichen Zugrestaurant umgebaut. Doch das Besondere dieser österreichischen Züge ist eine Art Super-Erster-Klasse mit dem Namen "Premium". Sie ist nicht zuletzt auf die Bedürfnisse von Geschäftsleuten ausgelegt, die bequemes Reisen und ungestörtes Arbeiten miteinander verbinden wollen.
O-Ton - Ansage im Raijet:
"Sehr verehrte Fahrgäste. Herzlich willkommen im Railjet, dem Hochgeschwindigkeitszug der ÖBB. Der Railjet verfügt über drei Klassen: Premium, First und Economy. Im Railjet werden Sie auf über 80 Bildschirmen über Halte- und Ankunftszeiten informiert. Bei weiteren Fragen steht Ihnen das Zugteam jederzeit gerne zur Verfügung."
Solche Konzepte passen nicht zu Vorstellungen, zu denen sich etwa das Bündnis "Bahn für alle" bekennt. Aber die Akteure des Schienenverkehrs müssen alle Register ziehen und sowohl Berufspendler als auch Gelegenheitsreisende gewinnen. Die Bahn muss neue Kundengruppen erschließen, will sie im Wettbewerb mit Auto und Flugzeug bestehen. Es reicht nicht, Gefäße mit möglichst vielen Menschen zu füllen.
Das gilt auch für den Regionalverkehr, das "Brot- und Buttergeschäft", von dem Bahnchef Rüdiger Grube immer wieder spricht. Allerdings: Die Länder bestellen und bezahlen.
Für sie und die Bahngesellschaften als Betreiber ist der möglichst niedrige Preis pro Sitzplatz ein entscheidendes Kriterium. Ihm würden oft andere wichtige Gesichtspunkte untergeordnet, meint Thomas König, ebenfalls Vorstand der "Tricon Design AG", die Züge nicht nur für Deutschland gestaltet:
"Also, es ist überhaupt nicht nachvollziehbar, warum Kunden im Nahverkehr, die vielleicht 'ne halbe Stunde unterwegs sind, schlechter sitzen sollen als solche Leute, die zwischen Mannheim und Stuttgart auch 'ne halbe Stunde nur fahren. Beim PKW sieht man, dass heute eine Luxusklasse eine ähnliche Anmutung hat wie eine Kompaktklasse; und nur bei der Bahn meinen wir, dass das ein gravierender Unterschied sein muss. Da muss man dringend dran arbeiten. Das bringt uns mehr Fahrgäste und das bringt uns die Möglichkeit, zukünftig einfach auch die Erträge zu halten."
Schließlich kann die Bahn als ökologisches Verkehrsmittel dann am besten überzeugen, wenn möglichst viele Reisende mit ihr fahren.
Umgerechnet auf eine Person braucht ein durchschnittlich besetzter ICE viel weniger Energie pro Kilometer als ein PKW unter vergleichbaren Bedingungen. Selbst
Hochgeschwindigkeitszüge, die 250 und mehr Stundenkilometer erreichen, sind in puncto Energieeffizienz vertretbar, wenn die Auslastung gut ist.
Die Deutsche Bahn ist der größte Stromkunde in Deutschland. Und bislang spielte die Kernenergie eine große Rolle bei der Bahnstromversorgung. Sie hatte einen Anteil von 22 Prozent. Durch das Aus für Neckarwestheim I sind es nun noch 14 Prozent. Fast die Hälfte seines Strombedarfes bezieht das Unternehmen derzeit aus Kohlekraftwerken. Nur knapp 19 Prozent stammten bisher aus erneuerbaren Energiequellen. Bis 2020 sollen es 35 Prozent werden. Den ersten Schritt in diese Richtung hat die Deutsche Bahn nun unternommen. Mit dem Energiekonzern wurde ein Vertrag über Wasserkraftnutzung geschlossen. Bahnchef Rüdiger Grube:
"Wir wollen in Zukunft noch viel stärker als es in der Vergangenheit der Fall war, die Umweltfreundlichkeit als Alleinstellungsmerkmal und als Wettbewerbsvorteil aktiv nutzen."
Das Festhalten an Atomstrom und Kohlekraft kratzt aber am Image als umweltfreundlicher Verkehrsträger. In einem Forschungsprojekt, das interessanterweise beim "Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt" in Stuttgart angesiedelt ist, wird beispielsweise an einem "Next Generation Train" gebastelt. Er ist als Doppelstockzug angedacht und soll erheblich weniger Energie benötigen als moderne Hochgeschwindigkeitszüge heute. Allerdings müssten auch Bahnhöfe gründlich umgebaut werden, sagt Joachim Winter, der Leiter des Projektes "Next Generation Train".
"Also haben wir uns dafür entschieden, dass man auf beiden Ebenen aus- und einsteigt und zwar so, dass sich die Fahrgäste, die einsteigen, nicht kreuzen mit denen, die aussteigen. Und damit können wir gewährleisten, dass wir relativ kurze Wartezeiten im Bahnhof realisieren können, so dass wir einen richtigen Nutzen ziehen können von der hohen Geschwindigkeit."
Seit 1991 sind die Hochgeschwindigkeitszüge in Betrieb. Seither hat es kaum merkliche Verbesserungen im Fernverkehr der Deutschen gegeben. Auf die Umsetzung solcher Zukunftskonzepte werden die Reisenden denn wohl noch eine Weile warten müssen. Wenn sie denn wirklich wünschenswert ist - die schöne neue Welt der Bahn.