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"Neue Zürcher Zeitung"
Profil geschärft - mit rechten Thesen?

Die traditionsreiche "Neue Zürcher Zeitung" gilt als wichtiges Leitmedium in der Schweiz. Doch einige Beobachter sehen die Zeitung zunehmend kritisch und sprechen von einem "Rechtsrutsch" in der Berichterstattung. Der Chefredakteur widerspricht - und sieht eine Schärfung des Profils.

Von Dietrich Karl Mäurer |
Die Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion, Alice Weidel, liest in der "Neuen Zürcher Zeitung".
Alice Weidel, AfD-Fraktionschefin im Bundestag, bei der Lektüre der "Neuen Zürcher Zeitung" (dpa/ Uli Deck)
Der nur online veröffentlichte Artikel des NZZ-Wirtschaftsredakteurs Michael Rasch über Migration und Bevölkerungsstatistik in deutschen Städten schlug hohe Wellen - insbesondere die Ankündigung bei Twitter - war sie doch versehen mit den Hashtags #urdeutsche und #biodeutsche. Eric Gujer, seit 2015 Chefredakteur der "NZZ", verteidigt den Autor.
"Ich glaube, da war einfach die Wortwahl für sozusagen deutsche Augen ein bisschen problematisch. In der Schweiz hätte das jetzt nicht so Aufsehen erregt, weil wir es unterdessen durch die ja auch rechtspopulistische SVP ganz andere Vokabeln gewöhnt sind."
Eric Gujer ist selbst bekannt für provokante Formulierungen. Erst kürzlich schrieb er in einem Kommentar über den Umgang mit SeaWatch-Kapitänin Carola Rackete vom hässlichen Deutschen, der keinen Stahlhelm mehr trage, sondern die Welt moralisch belehre.
Vergleich mit dem "Westfernsehen" zurückgewiesen
Eric Gujer bezeichnet den Artikel von Michael Rasch als ein interessantes Beispiel für die Unterschiede der politischen Kultur in Deutschland und der Schweiz. Den darauffolgenden Westfernseh-Vergleich des geschassten Verfassungsschutz-Chefs Hans-Georg Maaßen wies die Zeitung jedoch entschieden zurück.
"Das haben wir gemacht aus Respekt vor den deutschen Kollegen, den deutschen Journalisten, weil: wenn wir uns selber als das Westfernsehen sehen, begreifen würden, würde das ja implizieren, dass die deutschen Journalisten und die deutschen Medien Ostfernsehen sind, DDR-Fernsehen. Ich war der letzte DDR-Korrespondenten der Neuen Zürcher Zeitung. Ich weiß wie Ostfernsehen ausgesehen hat."
Wichtig für die Meinungsbildung
Die "NZZ" sei für die Meinungsbildung in der Schweiz sehr wichtig, vor allem für das Bürgertum, betont Ulrich Gut. Der ehemalige Chefredakteur einer Lokalzeitung aus dem Raum Zürich und Politiker der liberalen FDP verbreitet seinen kritischen Blick auf die Zeitung via Twitter - versehen mit dem Hashtag #nzzwatching.
Ulrich Gut sagt: "Gewiss ist eine Öffnung gegenüber Publizisten der äußeren Rechten eingetreten. An und für sich finde ich sinnvoll, dass man sich mit dem auseinandersetzt, aber ich bedauere, dass das mitunter unkritisch stattfindet."
Kritik von rechter und von linker Seite
Ulrich Gut wünscht sich für die NZZ ein Profil, dass rechte Positionen nicht hofiert und verweist auf die liberale Tradition der Zeitung: "Man hat sich immer gegen die äußere Rechte gestellt. Es gab den berühmten Chefredaktor Willy Bretscher, der 1933 im ominösen Jahr Chefredakteur wurde. Er hat allen den Rücken gestärkt, die sich nicht mit Nationalsozialismus oder Faschismus einlassen wollten. Das ist eine wichtige Tradition und ich möchte, dass die 'NZZ' diese weiterführt."
Auf die Tradition der Zeitung bezieht sich auch Chefredakteur Eric Gujer. Man sei seit der Gründung im Jahr 1780 ein bürgerlich-liberales Blatt: "Linke Kritiker werfen uns vor, wir seien zu rechts, weil wir eine sehr dezidierte marktwirtschaftliche Haltung haben. Rechte Kritiker in der Schweiz werfen uns vor, wir seien zu links, weil die 'NZZ' unterdessen die einzige große Zeitung in der Schweiz ist, die noch bedingungslos für eine pro-europäische Politik der Schweiz eintritt."
"In manchen Bereichen mit rechten Positionen Profil geschärft"
Bei Kritik von Links und Rechts, müsse man also wohl so ziemlich in der Mitte liegen, meint der NZZ-Chefredakteur: "Also wir haben sicher keinen Rechtsrutsch gemacht, sondern wir haben allenfalls in den letzten Jahren unser liberales politisches Profil etwas geschärft."
Auch der Medienwissenschaftler Linards Udris von der Universität Zürich sagt, man könne bei der "NZZ" nicht pauschal von einem Rechtsrutsch sprechen: "Wir müssen das differenziert betrachten. In dieser Pauschalität passt der Begriff Rechtsrutsch nicht. Die 'NZZ' ist nach wie vor die beste Qualitätszeitung in der Schweiz und sie überzeugt durch eine relevante, vielfältige Berichterstattung. Ich würde eher sagen, die 'NZZ' hat ihren Auftritt geändert und die hat in manchen Bereichen mit rechten Positionen ihr Profil geschärft."
Im Blick rechts-konservativer Kreise in Deutschland
So beobachtete der Medienwissenschaftler, dass sich das Blatt vor allem im Bereich des politischen Feuilletons anders inszeniert, als früher: "Es geht also viel mehr, viel stärker um gesellschaftliche Identitätsfragen und eben nicht mehr unbedingt um so die klassischen Links-Rechts-Fragen in der Wirtschaftspolitik. Identität ist wichtig. Und in dem Bereich kritisiert die 'NZZ' immer stärker die angebliche political correctness, sie kritisiert die angebliche Moralisierung in der Gesellschaft und inszeniert sich dort stärker als Vertreterin eines Bürgertums und dieses Bürgertum wird dann bedroht von einem vermeintlich links-grünen Meinungsklima."
Damit erntet die "NZZ" viel Applaus von rechts-konservativen Kreisen und Rechtspopulisten vor allem in Deutschland. Das wiederum rückt die Zeitung stärker in den Fokus - von Rechts und Links.