Bundesregierung
Neuer Ampel-Konflikt wegen Steuern und Sozialabgaben

In der Ampel-Koalition ist abermals ein Konflikt über gemeinsam geplante Vorhaben entbrannt. Bundesfinanzminister und FDP-Chef Lindner warf den Grünen vor, Pläne zur steuerlichen Entlastung zu blockieren. Diese forderten ihrerseits Lindner auf, seinen Widerstand gegen eine von Arbeitsminister Heil (SPD) vorgelegte Anhebung der Rechengrößen in der Sozialversicherung aufzugeben.

    Die Mitglieder der rot-grün-gelben Ministerrunde sitzen am Kabinettstisch im Kanzleramt.
    Soll sich in Kürze mit den Plänen beschäftigen: Das Bundeskabinett (picture alliance / dpa / Kay Nietfeld)
    Aus dem Finanzministerium hatte es zuvor geheißen, beide Themen seien miteinander verbunden. Man werde deshalb der Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenzen nur zustimmen, wenn der Weg für die Abmilderung der Kalten Progression freigemacht werde. Zukünftig solle dies mit einem sogenannten "Tarif auf Rädern" automatisch erfolgen.
    Die Kalte Progression entsteht, wenn das Steuersystem nicht an die Teuerung angepasst wird. Steuerzahler rutschen dann bei Lohnerhöhungen in einen höheren Steuertarif, obwohl das Lohnplus ihnen durch die Inflation keine höhere Kaufkraft beschert. "Die Grünen sollten Respekt vor den Steuerzahlern zeigen", schrieb Lindner auf X. Der Bundestag könne noch diese Woche Klarheit schaffen. FDP-Generalsekretär Djir-Sarai sagte der Nachrichtenagentur Reuters, der automatische Ausgleich der Inflation in der Einkommensteuer sei eine Frage der Gerechtigkeit. "Das steht den Menschen in unserem Land zu. Der Staat darf sich nicht zulasten seiner Bürger bereichern." Das werde die FDP in der Ampel deutlich machen.

    Kritik von den Grünen - SPD kompromissbereit

    Die Grünen befürchten ihrerseits höhere Beitragssteigerungen in der Kranken- und Rentenversicherung für kleine und mittlere Einkommensbezieher, wenn Lindner die strittige Verordnung nicht freigeben sollte. "Das liegt seit Wochen im Kabinett und wird nicht beschlossen", klagte die Bundestagsfraktions-Kovorsitzende Haßelmann. Die Anpassung der Rechengrößen sei zentral für Arbeitnehmer. Es brauche jetzt schnell Klarheit. Der Grünen-Politiker Audretsch warf Lindner eine Eskalation vor, dies sei "kein verlässliches Regieren."
    An diesem Mittwoch tagt das Kabinett turnusgemäß. SPD-Fraktionschef Mützenich betonte, dass seine Partei bereit sei, beide Themen diese Woche auf die Tagesordnung zu setzen. Die SPD wolle die Reform der Kalten Progression. "Meine Bitte wäre aber letztlich auch, dass der Finanzminister nicht solche Dinge einfach mal mir nichts, dir nichts auf die Tagesordnung setzt", sagte Mützenich. Bisher sei man davon ausgegangen, dass man noch zwei Wochen Zeit habe. Zugleich forderte er den FDP-Chef auf, das Kindergeld stärker zu erhöhen, damit es wieder zu einer größeren Spreizung zwischen Kindergeld und Kinderfreibetrag komme. Dieser wird vor allem von Besserverdienenden genutzt.

    Union fordert "echte Entlastung"

    Die Union bezeichnete den Streit als typisch für den Zustand der Ampel-Koalition. Der Haushaltsexperte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Middelberg, warf der FDP vor, sich an stetig steigenden Sozialbeiträgen zu beteiligen. "Der von Lindner im Steuerfortentwicklungsgesetz geforderte Ausgleich der Kalten Progression bedeutet lediglich die Verhinderung inflationsbedingter Mehrbelastungen durch Steuern. Eine echte Entlastung ist damit nicht verbunden, lediglich ein Kaufkrafterhalt." Im Gegenzug biete Lindner seine Zustimmung an für höhere Sozialabgaben durch Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze.
    Mit Heils Verordnung sollen die Beitragsbemessungsgrenzen in der Renten- und Krankenversicherung jährlich an die Lohnentwicklung angepasst werden. Für 2025 bedeutet dies aber eine ungewöhnlich starke Erhöhung, da das Arbeitsministerium eine Lohnzuwachsrate für 2023 von rund 6,4 Prozent zugrunde legt. Bis zur Höhe der Beitragsbemessungsgrenzen werden von den Löhnen Beiträge an die Sozialversicherungen abgezogen. Für den Anteil der Entgelte darüber werden keine Sozialabgaben fällig. Durch die Anhebung müssen vor allem Gutverdiener deutlich mehr zahlen, weil dann ein größerer Teil ihres Lohns unter die Sozialabgabenpflicht fällt.
    Diese Nachricht wurde am 15.10.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.