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Neuer Auftrag für ukrainischen Rundfunk
Kritische Berichte statt Staatshörigkeit

Der Staatsfunk in der Ukraine hat bisher einfach die Meinung der Staatsobrigkeit wiedergegeben. Das soll sich nun ändern. Aus dem müden Sender mit niedrigen Einschaltquoten soll ein moderner, kritischer, öffentlich-rechtlicher Anbieter werden.

Von Jan Pallokat |
    Ein Studiomikrofon
    Studiomikrofon: Urkainischer Rundfunk will neue Wege gehen. (Deutschlandradio / Bettina Straub)
    Ein Film über Schwarzhandel mit Öl in Sumi, Nord-Ukraine. Der Schauplatz: eine Garage, Polizisten, die geschmiert werden fürs Wegschauen. In der Schmugglerwerkstatt wird sogar Buch geführt, so und so viel Liter für die Bullen. Ein Glanzstück des Fernsehjournalismus, alle Akteure im Bild, aufklärend und mutig.
    Ein Film, der aber da lief, wo ihn niemand erwartet: in lokalen Ableger des nationalen ukrainischen Fernsehens; ein Dinosaurier aus Sowjetzeiten, staubige Gänge, alte Kader. Viele tausend Wohnungen in den Plattenbauten ringsum sind bis heute direkt verbunden über sogenannte Volksempfänger, Empfangsgeräte mit nur einem Kanal, der Stimme des Staates. Und so richtig hat sich auch mit dem Kollaps des Sowjet-Sozialismus daran nichts geändert.
    "Vor der Revolution war das ein Kanal für die Lobpreisung der Macht. Die Nachrichten informierten darüber, was der hiesige Gouverneur so alles macht."
    Sagt Nikolaj Tschernotitzkijy, den der Maidan hierhin gespült hat: Der frühere NGO-Aktivist wurde zum lokalen Rundfunkdirektor in Sumi ernannt. Er soll aus dem müden Sender einen modernen, kritischen, öffentlich-rechtlichen Anbieter machen: Hier führt er durch sein Reich.
    "Aus dem Jahr 1970 kommt diese Technik. Aber sie funktioniert viel besser als die chinesischen Mikros, die wir gekauft haben. Oft streiten sich unsere Moderatoren mit den Tonregisseuren. Die einen wollen ein kleines Mikro, da sieht besser aus, die anderen wollen es nicht, wegen der Tonqualität."
    Einschaltquoten sind dürftig
    Tscherrnotitzkij ist einer von 24 Regionaldirektoren; jeder Regierungsbezirk hat einen Ableger. Und das nationale Programm thront obendrauf. Die Einschaltquoten sind dürftig, die Sprachrohrrolle hat das Image des nationalen Rundfunks ruiniert. Die ukrainische Fernsehwelt prägen die quietschbunten Sender der Oligarchen, die zwar deren Interessen verfolgen, aber modern daherkommen und mit größerem Moderatorinnen-Sex-Appeal. Der nationale Rundfunk hingegen heißt nicht "5. Kanal" oder "1+1", sondern, schon das eher abschreckend, "O-D-T-R-K", und ...
    ".. ist eher was sehr Langweiliges, Altmodisches, fast Folkloremäßiges. Und ist entsprechend sehr unattraktiv gewesen für junge Leute bis jetzt."
    Sagt Kyril Savin von der Akademie der Deutschen Welle, die die Ukrainer beim Umbau des staatlichen Medientankers berät. Denn daraus soll eine staatseigene Aktiengesellschaft werden mit Statut und Aufsichtsräten aus Politik und Bürgergesellschaft, die darauf achten, dass der Sender seinen neuen Auftrag erfüllt: Ausgewogen und kritisch berichtet und nie mehr Sprachrohr einer Machtclique sein – so ist es vorgesehen. Umdenken heißt das – auch für die Nachrichtenchefin im Lokalfernsehen in Sumi, die seit Langem hier arbeitet.
    Wandel fällt schwer
    "Sehr viel hat sich verändert, zum besseren. Wir haben es geschafft, auf Distanz zur Obrigkeit zu gehen, wir weichen ihrem Druck aus. Die da oben fühlen sich deswegen beleidigt, sie gewöhnen sich schwer daran, hier keinen Zugriff mehr zu haben. Aber sie werden sehen, dass es ihnen am Ende selbst nutzt. Aber es ist auch für mich selbst, für uns hier schwer, die Umstellung. Die innere Zensur abzuschalten. Besonders in einer so kleinen Stadt wie hier, in Sumi, wo alle einander kennen, verwandt, befreundet sind. Man will keinem zu Nahe treten, und muss doch die Wahrheit sagen."
    Regionalchef Tschernotizkij aber hat kaum Geld, um seine Journalisten anständig zu bezahlen. Er ist letztlich darauf angewiesen, dass der Enthusiasmus einzelner eine Weile anhält, auch wenn es kaum Zuschauer gibt. Vor allem eines aber hat ihn überrascht: Die Menschen scheinen manchmal überfordert vom neuen Wind, gewohnt, im Fernsehen die eine Wahrheit zu erfahren.
    "Einer unserer Buchhalter sagt, er schaut lieber die Nachrichten bei der Konkurrenz. Er sagt, die seien klarer, eindeutiger. Sie erläutern ein Problem, konzentrieren sich auf einen Gesichtspunkt, ziehen ein Fazit. Es ist sofort klar, wer gut und böse ist. Bei uns gebe es dagegen mehrere Stellungnahmen, das verstehe er nicht. Ich sage ihm dann, dass es genauso richtig ist, damit er selbst ein Fazit zieht. Aber er meint, der andere Kanal gefalle ihm eben doch besser."