Weber warf der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer vor, alle Angebote per se abzulehnen. "Die Zahl der Angebote, die wir unterbreitet haben, ist groß", sagte Weber im Deutschlandfunk. Die Bandbreite reiche von Kooperationsabkommen bis hin zu parallelen Verhandlungen zwischen der GDL und der Bahn sowie zwischen der konkurrierenden Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) und der Bahn.
Auch die Hinzuziehung eines Vermittlers oder Moderators sei schon vorgeschlagen worden. Die GDL habe sich aber dagegen ausgesprochen. Weber kündigte an, die Rechtmäßigkeit des angekündigten Rekordstreiks juristisch prüfen zu wollen, auch wenn die Erfolgsaussichten seiner Meinung nach eher gering sind. "Unsere Erfahrung mit den Arbeitsgerichten ist, dass sie sich sehr schwer tun mit der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit, solchen Ersuchen nachzukommen." In der Vergangenheit hätten die Gerichte in aller Regel gegen den Arbeitgeber entscheiden.
Das Interview in voller Länge:
Bettina Klein: Millionen Menschen in Deutschland werden vermutlich direkt oder indirekt betroffen sein. Vier Tage lang will die Gewerkschaft der Lokführer streiken und im Personenverkehr ab morgen Früh den kompletten Bahnverkehr regional und im Fernverkehr lahmlegen.
Mitgehört hat Ulrich Weber, er ist Personalvorstand bei der Deutschen Bahn AG. Guten Morgen.
Ulrich Weber: Guten Morgen, Frau Klein.
Weber: Herr Weber, wir hören mal, was Claus Weselsky, der GDL-Chef,igestern früh auch bei uns noch einmal gesagt hat und wer seiner Meinung nach die Verantwortung für den bevorstehenden Streik trägt.
O-Ton Claus Weselsky: "Der Tarifkonflikt mit der DB ist hart. Dass die Menschen, die Bahnkunden hier darunter zu leiden haben, ist eine Entscheidung des Bahnmanagements."
Klein: Der Streik ist eine Entscheidung des Bahnmanagements. Herr Weber, ziehen Sie sich den Schuh an?
Weber: Nein, natürlich nicht. Ich meine, welcher Vorstand käme schon auf die Idee, seine Kunden unzufrieden zu machen, die Mitarbeiter zu irritieren und wirtschaftlichen Schaden hinzunehmen. Die Vorstellung ist etwas abenteuerlich, wenn Herr Weselsky versucht, das so darzustellen.
Klein: Dass Sie nicht die ganze Verantwortung dafür übernehmen möchten, ist klar. Aber sehen Sie denn überhaupt auch nur einen Funken Verantwortung bei der Deutschen Bahn für den Streik jetzt?
Weber: Das ist jetzt die Frage, wie man die Diskussion, die wir da mit der GDL führen, bewertet und ob man Streiks für notwendig erachtet und als sinnvoll erachtet, um diesen Konflikt zu lösen. Wir haben ja eben schon gehört, worum es im Kern geht. Im Kern geht es um Organisations- und Zuständigkeitsfragen der GDL auch im Verhältnis zu der anderen Gewerkschaft, der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft, und die Frage, wer schließt Tarifverträge für welche Mitarbeitergruppen mit uns. Der maßgebliche Punkt und unsere Vorstellung, unser Wunsch ist, dass wir das gemeinsam mit beiden Gewerkschaften machen, um am Ende zu einheitlichen Arbeitsbedingungen für unsere Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben zu kommen.
"Wir haben eine große Zahl von Angeboten unterbreitet"
Klein: Über die Ausgangslage haben wir diverse Male hier auch bei uns im Programm gesprochen und über den Tarifstreit, um den es dabei geht. Tatsache ist aber auch: Die Bahn wollte oder will an die Koalitionsfreiheit heran. So formuliert es Claus Weselsky. Das heißt, sie haben sich ja an dem Punkt auch nicht bewegt.
Weber: Wir bewegen uns permanent. Die Zahl der Angebote, die wir unterbreitet haben, ist groß, und wir müssen leider immer wieder feststellen, dass die GDL sich kontinuierlich weigert, endlich mal in inhaltliche Verhandlungen mit uns einzusteigen. Der Vorschlag reicht ja oder die Vorschläge reichen ja von Kooperationsabkommen bis hin zu dem letzten Vorschlag vom letzten Wochenende, parallele Verhandlungen zwischen der EVG und uns und der GDL und uns zu führen, um damit zu respektieren, dass die beiden Gewerkschaften miteinander offensichtlich nicht in der Lage sind, mit uns zu sprechen. Von einem Beschränken der Koalitionsfreiheit kann keine Rede sein, im Gegenteil. Wir haben ja der GDL sogar gesagt und aufgeschrieben, dass sie für uns ein Partner auf Augenhöhe ist, dass wir ihre Rolle als eine Gewerkschaft, die unter anderem und vor allem die Lokomotivführer repräsentiert, anerkennen und dass wir natürlich auch ihre Forderung, für Zugbegleiter Arbeitsbedingungen zu verhandeln, akzeptieren. Das haben wir ja permanent wiederholt, das haben wir hingeschrieben, und wie kämen wir auch dazu, das in Abrede zu stellen. Wir wollen ja nur ...
Klein: Die GDL sagt dazu - Entschuldigung! -, dass Sie ihr Scheinverhandlungen zubilligen würden, aber nicht, dass sie über Tarifinhalte und über die gesamte Tarifstruktur bestimmen würde. Das heißt, das was Sie angeboten haben, ist nach Ansicht der Lokführer-Gewerkschaft Kosmetik und etwas fürs Schaufenster.
Weber: Wenn man das sich anguckt, was wir übrigens gemeinsam mit der GDL aufgeschrieben haben, stellt man ja schnell fest, dass das nicht stimmt. Wir haben aufgegriffen die Idee der GDL, in einem bestimmten Verfahren miteinander zu verhandeln. Die GDL oder auch andere nennen das 3G, also parallele Verhandlungen mit der EVG und der GDL zur gleichen Zeit am gleichen Ort mit dem gleichen Arbeitgeber. Das sind diese 3G. Im öffentlichen Dienst hat man damit gute Erfahrungen gemacht und in aller Regel kommt man auch dort zu guten und gemeinsamen Ergebnissen. Das Modell haben wir aufgegriffen, das Modell haben wir formuliert und detailliert und am Ende mit der GDL darüber geredet, seid ihr denn bereit, am Ende euch auf einen solchen Prozess einzulassen, aber in dem gemeinsamen Ziel, zu Ergebnissen zu kommen.
Da hat die GDL gesagt, ja, das können wir uns vorstellen, und dann haben wir gesagt, dann lasst diesen gemeinsamen Willen, am Ende auch kollidierende Tarifverträge zu vermeiden, aufschreiben. Das haben wir getan und das führt dann dazu, zwangsläufig und richtigerweise, dass wir dann darüber reden, welcher Tarifvertrag tritt wie in Kraft, und das kann man miteinander verabreden, und ich kann ja gar nicht einer GDL einseitig etwas diktieren. Wir reden ja immer über Vereinbarungen miteinander, über Verträge, die wir miteinander schließen.
"Die GDL ist bisher nicht an den Verhandlungstisch gekommen"
Klein: Herr Weber, darf ich mal kurz dort einhaken? Ich fürchte, es wird jetzt ein wenig abstrakt, auch für unsere Zuhörer. Eine konkrete Forderung, die die GDL aufgestellt hat, war zum Beispiel, sie möchte über Belastungssenkungen sprechen, über Überstundenreduzierung und bessere Schichtrhythmen für ihre Mitarbeiter, und wirft Ihnen vor, das genau abzulehnen.
Weber: Das kann sie nicht behaupten, weil unser Angebot in der Welt ist, und die GDL hat darüber bisher noch gar nicht verhandelt. Wir haben vorgeschlagen, fünf Prozent für 30 Monate Lohn- oder Einkommensentwicklung. Wir haben angeboten, darüber zu reden, zusätzliche Lokomotivführer einzustellen. Alles das liegt ja auf dem Tisch und ich will darüber reden! Aber die GDL ist bisher an diesen Verhandlungstisch, an dem ich bildlich gesprochen sitze, nicht gekommen.
Klein: Herr Weber, das Ergebnis ist jetzt, wir werden vier Tage Streik haben. Ich habe es gesagt, Millionen Menschen sind betroffen, und die Frage ist ja, wie kann es denn jetzt weitergehen. Soll man einen fünften, sechsten oder siebten Streik dieser Art jetzt in Kauf nehmen? Sehen Sie Möglichkeiten für sich, darauf hinzuwirken, dass ein Vermittler eingesetzt wird?
Weber: Auch darüber haben wir schon mit der GDL gesprochen, im Laufe der letzten Woche. Als wir diese Regeln versucht haben aufzustellen, hatten wir vorgeschlagen, für den Fall dieser Konflikte uns eines Schlichters zu bedienen. Das hat die GDL mit Empörung zurückgewiesen. Das heißt, der Vorschlag lag auf dem Tisch, aber offensichtlich ist die GDL daran im Moment jedenfalls nicht interessiert.
Klein: Aber Vermittler wäre noch mal was anderes als ein Schlichter.
Weber: Na ja, es würde ja Wirkung haben. Der Vorschlag eines Moderators liegt auch vor, den haben wir auch schon unterbreitet, auch das ist abgelehnt worden. Sie sehen, wir haben unterschiedlichste Varianten ins Spiel gebracht. Die Schwierigkeit ist in der Tat: Alles was wir hinlegen, wird per se und von vornherein abgelehnt, ohne dass wir überhaupt die Chance bekommen, inhaltlich, das was Sie gerade zurecht ja sagen, inhaltlich zu reden und ohne dieses fürchterliche Spektakel dieser Streiks.
Klein: Das klingt jetzt sehr nach einer Sackgasse. Deshalb noch mal abschließend meine Frage: Sehen Sie einen Weg, auf dem jetzt Arbeitsgerichte möglicherweise ins Spiel kommen könnten, wenn über die Verhältnismäßigkeit dieser Streiks dann verhandelt werden würde?
Weber: Die Frage verstehe ich, die Frage wird uns gestellt, die Frage diskutieren wir auch und schauen uns das natürlich auch von der juristischen Seite erneut an. Unsere Erfahrung ist mit den Arbeitsgerichten, dass sie sich sehr schwer tun, in solchen Fragen der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit solchen Ersuchen nachzukommen. In aller Regel haben auch in der Vergangenheit die Arbeitsgerichte gegen den Arbeitgeber entschieden. Aber gleichwohl werden wir das sorgfältig prüfen.
Klein: Heute Morgen weiterhin keine Lösung weit und breit in Sicht und Deutschland steuert auf einen langen Streik der Lokführer zu. Das war heute Morgen im Deutschlandfunk bei uns Ulrich Weber, Personalvorstand bei der Deutschen Bahn. Ich danke Ihnen für das Gespräch, Herr Weber.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.