Dass Candida Höfer eine zeitlang auch Menschen fotografiert hat, wissen nicht viele, die mit ihr vor allem ihre berühmten, großformatigen, aber eben auch menschenleeren Aufnahmen von Innenräumen, vor allem von Bibliotheken, verbinden. 1979, während sie noch Schülerin von Bernd Becher an der Düsseldorfer Kunstakademie war, erstellte sie beispielsweise eine Serie "Türken in Deutschland" mit Aufnahmen unter anderem aus Berlin, Köln und Hamburg, die hier in der Ausstellung nun zwischen ihren aktuellen Arbeiten an eine Wand projiziert werden. Diese Aufnahmen beginnen an öffentlichen Plätzen, wo sich türkische Familien versammeln, über türkische Geschäfte und bis hinein in die privaten Räume und Wohnungen. Es sind Aufnahmen, die wie Schnappschüsse wirken, en passant mit der Kleinformatkamera gemacht. Gerade das scheint Candida Höfer in den letzten Jahren daran gereizt zu haben, wieder zu den kleineren Formaten zurückzukehren:
"Vor einigen Jahren habe ich in Düsseldorf eine Ausstellung gehabt im Kunstpalast nur mit Düsseldorfer Motiven. Und das hat mich dazu gebracht, in mein Archiv zu gucken nach Bildern, die teilweise noch weit vor meiner Akademiezeit oder während meiner Akademiezeit gemacht worden sind. Und ich war eigentlich ziemlich angetan von dem, was ich so damals gemacht hab. Und dann ist natürlich die Erinnerung auch da gewesen, wie angenehm das war damals, wie ich mit einer kleinen, damals noch analogen Kamera über der Schulter durch die Straßen ging. Nicht unbedingt auf der Suche nach was, sondern wenn da was ist, dann drückt den Knopf, löse ich aus. Das im Verhältnis zu dem Entstehen der großformatigen Bilder ist so eine Leichtigkeit und auch so eine Befreiung."
Die Bilder, die sie bekannt gemacht haben, sind zumeist mit einer Großformatkamera und mittlerweile auch digital aufgenommen. Ausleuchtung und Equipment dazu lassen sich dabei nur mit mehreren Personen handhaben, auch die digitale Nachbearbeitung überlässt Candida Höfer anderen. An ihren neuen, kleineren Fotoarbeiten erkennt man sofort, was sie an dieser ganz anderen, sozusagen handgemachten, spontanen Foto-Strategie schätzt. Zwei weitere Projektionen in der Ausstellung mit Serien aus diesem Jahr widmen sich der Bewegung im öffentlichen Raum, den sich wiederholenden Strukturen von Straßenkanten, Gehsteigen, Fassaden, Sichtblenden, Spiegelungen in Fenstern. Vielem, das sich temporär immer wieder zeigt und wieder aus dem Blick verschwindet; das den Weg durch die Straßen markiert und das man dennoch kaum mehr wahrnimmt. Dies aber verbindet diese Aufnahmen mit dem, was Höfer auch an ihren Großformaten reizt:
"Also, es gibt einmal die abstrakten Bilder, wo es auch eigentlich nicht die Möglichkeit gibt, Menschen da zu sehen, es sei denn durch Reflexionen, da sieht man mich sogar ab und zu. Dann gibt es natürlich die Aufnahmen, wo man also dann doch merkt, dass diese Räumlichkeiten für Menschen gemacht worden sind. Mich interessiert, wie zum Beispiel diese Räumlichkeiten angeordnet sind. Also wie Regale oder wie die Tischreihen sind oder wie die Stuhlreihen sind oder wie die Lampenreihen sind. Und dann gibt’s aber manchmal Parallelen zu anderen Räumlichkeiten, die mit Büchern gar nichts zu tun haben, wo Ähnliches auch auftaucht."
Die gebürtige Brandenburgerin, die seit Langem schon in Köln lebt und arbeitet, weiß um den völlig untypischen Charakter dieser Ausstellung und ist zugleich sehr dankbar dafür. Fast wirkt es wie ein kleiner Akt der Selbstbefreiung von den Erwartungen an ihr Werk, das immer möglichst groß und klar und repräsentativ wirken soll. Auf diese etwas andere Candida Höfer, die es hier zu entdecken gilt, spielt der Ausstellungstitel an, so zumindest deutet es der Wandtext. "Nach Berlin" – das ist ein Verweis auf eine Szene in dem Film "Emil und die Detektive" von 1931, handelt von den großen, zu großen Erwartungen an die große Stadt, die am Ende, wie fast immer im Leben, eigentlich nur enttäuscht werden können.