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Neuer Datenpool für Geisteswissenschaftler

Soziale Netzwerke und Foren im Internet sind mittlerweile Alltag. An den Geisteswissenschaften ist diese Art der Kommunikation bislang jedoch weitgehend vorbeigegangen. Das soll mit dem Wissenschaftsportal L.I.S.A. anders werden.

Von Johannes Damian |
    Lesen, Informieren, Schreiben und Austauschen oder kurz L.I.S.A. Das Online-Portal der Gerda-Henkel-Stiftung bietet Wissenschaftlern, Studenten, aber auch interessierten Laien Informationen aus dem Bereich der historischen Geisteswissenschaften. Neben Dossiers zu historischen Themen können Rezensionen, Onlinevorlesungen und Videos über Forschungsprojekte abgerufen werden. Das klingt altbekannt. Georgios Chatzoudis ist verantwortlicher Redakteur der Plattform. Er erklärt, warum L.I.S.A. für den Bereich der Geisteswissenschaften sehr wohl etwas Besonderes ist:

    "Die meisten Portale, die sich mit den historischen Geisteswissenschaften beschäftigen, sind diese One-Way-Portale, das heißt Informationsportale: Ich kann draufgehen, Infos abrufen. Jetzt haben wir ein Portal ins Leben gerufen, das interaktiv funktionieren soll. Das heißt, jeder kann sich die Informationen abrufen, aber gleichzeitig auch Informationen einstellen. Das gibt es in der Form noch nicht."
    Außer der Möglichkeit, selbst Artikel oder Kritiken zu veröffentlichen, bietet L.I.S.A. ein Autorennetzwerk, in dem sich die Teilnehmer über ihre Forschungsprojekte austauschen können. Julia Carrasco promoviert in Kunstgeschichte. Im Gegensatz zu den meist fachspezifischen Angeboten im Internet schätzt sie an L.I.S.A. gerade das Zusammenkommen von unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen:

    "Es sind ja nicht nur die eigenen Fachrichtungen, wo man sich Anregungen holen kann, sondern auch andere, die von der Struktur her ähnliche Probleme haben oder ähnliche Frageansätze und insofern ist das auch für einen selber immer ganz fruchtbar, wenn man hört wie andere Leute an die Sache herangehen."
    Auch für Chefredakteur Chatzoudis ist die Vernetzung von Wissenschaftlern eine der größten Stärken von L.I.S.A. Bei seinem Versuch, das Internet noch stärker für die Wissenschaft zu nutzen, stößt er jedoch auch auf Skepsis und Ablehnung:

    "Es ist nach wie vor so, dass etablierte Wissenschaftler Manschetten anhaben, was das Internet angeht. Das merke ich und da ist man erst mal ein wenig vorsichtig: Was ist das überhaupt für ein Medium, kann das überhaupt den Erfordernissen der Wissenschaft gerecht werden? Und da gilt es viel Überzeugungsarbeit zu leisten."
    Diese Zweifel können jedoch schon mit einem Klick auf die Rubrik L.I.S.A.-Video zerstreut werden. Acht Forschungsgruppen haben hier ein Jahr lang ihre Arbeit in Archiven und bei Ausgrabungen gefilmt. Die professionell produzierten Episoden vermitteln so auch einer interessierten Öffentlichkeit einen Einblick in die Arbeit der Archäologen, Geschichtswissenschaftler und Kunsthistoriker.

    Carrasco: "Ich finde es spannend diese Richtung des Videos, wo Forschungsprojekte filmisch vorgestellt werden. Gerade für Außenstehende, die dadurch wirklich einen ganz konkreten Eindruck von der Forschung bekommen. Aber auch für eine breitere Öffentlichkeit, zu schauen, was passiert denn eigentlich in der Jugendforschung und was machen eigentlich junge Wissenschaftler."
    Neben dem fachlichen Austausch fungiert L.I.S.A. auf diese Weise auch als eine Art Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit. Und für Georgios Chatzoudis soll das Portal auch genau das leisten: Eine Kommunikationsplattform zur Verfügung stellen:

    "Wir wollen überhaupt nichts ersetzen. Die Diskussion in der Wissenschaft wird weiter über Papier laufen, über Texte. Völlig klar. Aber unser Anspruch ist es eine Art Qualitätsinsel für den akademischen Austausch im Internet zu sein."
    Und der Austausch scheint zu funktionieren. So haben sich bislang Nutzer aus 70 Ländern das Portal angesehen. Und im Autorennetzwerk von L.I.S.A. sind nach gerade einmal acht Wochen etwa 100 Wissenschaftler aktiv, die Beiträge einstellen, kommentieren und miteinander in Diskussion treten.

    Infos:

    Wissensportal L.I.S.A. der Gerda Henkel Stiftung