Bahnhof Holzwickede, die Seite zum Dortmunder Flughafen hin. Hier ist Treffpunkt, und gekommen sind zwölf Typen von: Mensch auf Rad. Die einen in Funktionskleidung auf teuren E-Bikes. Die anderen mit einem Damenrad, Bauart: Holland und klapprig, wenn auch golden und liebevoll upgecycelt, von seinem Radler, Martin: "Mein Rad ist leider wenig auf Kampf, ehrlich gesagt, ausgelegt. Aber da muss ich dann natürlich umso mehr kämpfen, glaube ich."
Den Kampfradler, beziehungsweise Angeber, spiele ich selber - mit einem Rennrad in carbonesker Optik: Auch Langsamfahren muss man ja mal üben! Der gemeinsame Plan ist, von Holzwickede über Hörde und Aplerbeck nach Dortmund City zu fahren. Das sind nicht einmal 20 Kilometer: Für niemanden im Peloton eine echte Herausforderung. Und schließlich geht es ja auch darum:
"Kunst vor allen Dingen! Radfahren, das mache ich gerne, aber ich habe wenig Zeit für meine Hobbys. Ich bin mal gespannt, weil es ist ja eine ganz andere Kunst als so die alltägliche."
Ein Sinnbild für den Prozess der Renaturierung
Für mich besteht die Herausforderung darin, die Tour zu mikrofonieren, begleitet vom Wind, dem besten Feind des Reporters; und heute besonders anhänglichen Wespen. So geht es etwas quer zum Asphalt über Hölzgen und Stöcksgen auf einer Art Urban-Explorer-Route die renaturierte Emscher entlang.
Alle drei bis fünf Kilometer ist Kunstpause; die erste am Emscherquellhof, wo der Künstler Henrik Håkansson ein Hotel für Wildbienen eingerichtet hat. Eine weiße Stahlkonstruktion mit Bienenstöcken darin: Ein Sinnbild für den Prozess der Renaturierung, erläutern Alicia und Lara, Kunstwissenschaftlerinnen. Und:
"Ja, wir beide sind die Fahrradguides, das heißt, einer von uns fährt vorne und einer fährt hinten. Und wir führen dann halt den Weg an und passen auf."
Architektur aus Natur gepflanzt
Der Emscherquellhof ist ein restaurierter Gutshof und ausgerichtet auf Massentourismus; nur sind wir fast die einzigen Gäste, obwohl Sonntag ist und das Wetter hält. Besonders sanfter Tourismus, denke ich, ironisch. Das zeigt sich an einigen Stationen unterwegs: Diese Route, die man sich meist mit Wanderern teilt, die dann ihre verschreckten Hunde festhalten müssen, ist radfahrerisch noch nicht so recht erschlossen.
Überhaupt, sagen Teilnehmer aus der Region, seien Ruhris - leider! - oft zu faul, um Rad zu fahren. Aber genau damit befasst sich die Kunst am Emscherradweg, die erst seit 2010 nach und nach installiert wird. Zum Beispiel die Arbeit "Kunstpause" von "atelier le balto" in einem Haselnusshain: Eine Architektur, aus Natur gepflanzt, die wirkt, wie ein uralter kultischer Ort. Unter einer Betonbrücke entdeckt man sie und kommt darin der schnellen Welt, die oben her fährt, etwas abhanden.
Teilnehmerstimmen:
"Wie grün das Ruhrgebiet ist, also das ist einem nochmal so bewusst geworden."
"Wie Zugfahren. Da siehst du die Städte auf von einer ganz anderen Seite."
"Ganz simpel runtergebrochen. Die Leute bleiben stehen, unterhalten sich darüber. Da muss man häufig gar nicht so einen didaktischen Mehrwert oder sowas drin suchen. Das hat schon ja Effekt genug."
"Wie Zugfahren. Da siehst du die Städte auf von einer ganz anderen Seite."
"Ganz simpel runtergebrochen. Die Leute bleiben stehen, unterhalten sich darüber. Da muss man häufig gar nicht so einen didaktischen Mehrwert oder sowas drin suchen. Das hat schon ja Effekt genug."
Zeichen des Strukturwandels
Weniger ist mehr. Wir schaffen nur fünf Kunstwerke. Aber längst hat die Kunstradtour Eigendynamik aufgebaut. Wie es ist, sich abseits vom gelenkten und regulierten Straßenverkehr Kulturlandschaft, den Alten Hellweg und sichtbare Zeichen des Strukturwandels im Ruhrgebiet zu erradeln. Oder wie es ist, konsequent wie hippe Parkour-Läufer eigenwillig quer durch eine Kirmes zu schieben und irritierte Blicke zu ernten: Müssen die jetzt auch noch mit dem Rad hier durch!
Reporter: "Es geht hier rein. Das ist ja eine wirklich total abgefahrene Akustik."
Mit Highlights wie der Arbeit "Zur kleinen Weile" von "Raumlabor Berlin", die man fast nur entdecken kann, wenn man wandert oder Rad fährt. Es ist eine Art Schlumpfhütte, innen ein vergoldeter Raum, kugelförmig, sodass ich mich selber mehrfach höre.
Und auch die Weinstöcke am Phönixsee entdeckt man am besten und schnellsten mit dem Rad. Am Ende der Etappe sind wir uns alle einig. Fortsetzung des Kunstradwegs oder Weiterentdecken Richtung Westen auf eigene Faust: sehr zu empfehlen! Und – jetzt ohne besonderen Aktivismus im politischen, verkehrstechnischen Sinn - unbedingt auch auf einem Fahrrad, weil das das Kunsterlebnis entscheidend ausmacht.
Teilnehmerstimmen:
"Genau, finde ich auch. Also mir gefällt es gut."
"Weil du ja deinen Blickwinkel veränderst - den Standort, Blickwinkel, Perspektive - neue Eindrücke gewinnst."
"Weil du ja deinen Blickwinkel veränderst - den Standort, Blickwinkel, Perspektive - neue Eindrücke gewinnst."