Auch für die Europäische Union bedeutet der heutige Amtsantritt von Donald Tusk als neuer EU-Ratspräsident eine Zäsur. Denn erstmals seit der Osterweiterung vor zehn Jahren übernimmt ein osteuropäisches Mitgliedsland einen wichtigen europäischen Posten. Zugleich gilt der 57-jährige Pole als enger Vertrauter von Bundeskanzlerin Angela Merkel, die ihn deshalb schon bei seiner Nominierung Ende August über alle Maßen lobte:
"Er ist ein leidenschaftlicher, ein überzeugter und ein überzeugender Europäer. Und ich bin ganz gewiss, dass er dieses auch in seine Tätigkeit als Präsident des Europäischen Rates einbringen wird."
Tusk versprach, Englisch zu verbessern
Positiv auch aus Sicht der Kanzlerin - Tusk spricht Deutsch, was für seine zentrale Vermittlerrolle als Ratspräsident zwischen den Staats- und Regierungschefs sicherlich kein Nachteil ist. Als schwerwiegendes Handicap galten dagegen lange seine schlechten Englischkenntnisse. Gewählt wurde Tusk im August trotzdem und versprach auch gleich, dass er sein Englisch aufpolieren werde. Ab Dezember sei er dann zu 100 Prozent einsatzfähig:
"Nothing is good enough for Europe. Inclusive my English today. But I will polish my English. And as I mentioned I will be ready in December to 100 percent. Don't worry."
Viel Zeit zum Eingewöhnen hat Tusk ohnehin nicht. Kurz vor Weihnachten findet schon der nächste Gipfel der Staats- und Regierungschefs statt. Auf der Tagesordnung dann wichtige wirtschaftspolitische Grundsatzentscheidungen wie etwa das geplante Investitionspaket der EU-Kommission. Der langjährige polnische Ministerpräsident wird also sehr schnell sowohl sein Vermittlungsgeschick als auch seine Sprachfertigkeit unter Beweis stellen müssen.
Erfahrener Politiker
Allerdings kann Tusk zumindest zu Amtsbeginn auf das Wohlwollen der Kollegen setzen - er gilt als starke Persönlichkeit, als erfahrener Politiker und so ist auch sein Amtsvorgänger, der Belgier Herman Van Rompuy voll des Lobes:
"Donald Tusk ist einer der Veteranen des Europäischen Rates. Polnischer Ministerpräsident seit 2007. Und er ist auch der einzige polnische Ministerpräsident in den letzten 50 Jahren, der in diesem Amt wiedergewählt worden ist. Er hat die Kollegen auch durch seine Zuversicht und Bestimmtheit beeindruckt. Aber auch, wie er Polen durch die Finanzkrise geführt hat, ohne dass sein Land dabei jemals in die Rezession gefallen ist."
Zeichen in Zeiten der Ukrainekrise
Freilich warten jetzt auch auf europäischer Ebene gewaltige Aufgaben auf den Liberalkonservativen. Vorne weg die Krise in der Ukraine und das schwierige Verhältnis der EU zu Russland. Auch hier setzt der neue Ratspräsident allein durch seine Herkunft ein Ausrufezeichen. Denn gerade Polen und die baltischen Staaten stehen für einen harten Kurs gegenüber Russland. Nach Ansicht von Amtsvorgänger Van Rompuy muss sein Nachfolger neben der Ukraine/Russland-Krise aber noch zwei andere zentrale Herausforderungen bewältigen:
"Die stagnierende Wirtschaft und drittens schließlich die unsichere Zukunft Großbritanniens in der EU. Drei Aufgaben, bei denen der Europäische Rat eine Schlüsselrolle spielen wird."
Und damit viel Arbeit für den neuen Ratspräsidenten, der am Vormittag zunächst für eine Amtszeit von zweieinhalb Jahren in Brüssel vereidigt wird.