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Neuer Forschungseisbrecher für Europa

Meeresforschung. - "Aurora Borealis", Nordlicht, heißt das Forschungsschiff, dessen Pläne in Europa immer konkreter werden. Ein gewaltiger Eisbrecher, der in der Lage sein soll, erstmals Löcher in den Meeresgrund der Arktis zu bohren und dadurch wertvolle Gesteinsproben zu bergen, die Auskunft geben über die Klimageschichte der Erde. Heute wurde das Konzept in Berlin vorgestellt.

Von Frank Grotelüschen |
    "Das Schiff ist eine komplette technische Neuentwicklung. Es ist eine Vereinigung von drei unterschiedlichen Schiffstypen in einem Schiff."

    "Wir haben einerseits einen schweren Eisbrecher, der russischen Nuklear-Eisbrechern gleichzusetzen ist."

    "Wir haben ein Tiefsee-Bohrschiff. Und wir haben ein multifunktionales Forschungsschiff in einem Schiffstyp vereinigt."

    Ein ehrgeiziges Projekt, das Lester Lembke-Jene auf die Beine stellen will. 200 Meter lang und fast 50 Meter breit ist die "Aurora Borealis". Eines der größten Forschungsschiffe der Welt, und der erste Forschungs-Eisbrecher, der tiefe Löcher in den Meeresboden bohren kann. Bislang existiert die Aurora Borealis zwar nur auf dem Papier - oder besser gesagt in den Computern des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven. Aber als Lembke-Jene auf seinem Rechner eine Computersimulation startet, wähnt man sich fast in den eisigen Weiten der Arktis - so realistisch wirkt das Bild.

    "Sie können sehen, dass Sie sich mit dem Schiff im Eis befinden. Wir haben jetzt einen Rundflug über das Schiff. Sie sehen dort einen Brückenaufbau. Alle Bereiche, in denen die Wissenschaft arbeitet, sind unter Deck und geschützt gegen Witterungseinflüsse. Das ist für die Wissenschaftler eine neue Konzeption, dass man lange Perioden arbeiten kann, ohne Wind und Wetter ausgesetzt zu sein."

    An Bug und Heck finden sich Hubschrauberlandeplätze. Die beiden Helikopter sollen unter anderem die Eisbedingungen auskundschaften, die um das Schiff herum herrschen. Außerdem kann die Aurora Borealis, etwa um den Meeresgrund zu erforschen, diverse Unterwasserroboter mitnehmen. Das Auffälligste aber ist der große, viereckige Turm in der Mitte. Vielleicht der Schornstein?

    "Da ist nicht ganz falsch. Es sind dort an den Seiten die Schornsteine untergebracht. Bei der Struktur selber handelt es sich aber um den Bohrturm auf dem Schiff. Man kann den Bohrturm, wie man ihn von herkömmlichen Bohrschiffen kennt, hier nicht sehen. Das ist alles untergebracht in einem Wetterschutz, einem kastenförmigen Aufbau. Das macht uns unabhängig von den Eis- und Witterungsverhältnissen in den hohen Breiten."

    Der Bohrturm ist der eigentliche Clou bei der Aurora Borealis. Durch ein Loch im Boden des Rumpfes senkt sich der Bohrer zunächst bis zum Meeresgrund ab - und zwar bis in eine Tiefe von 5000 Metern. Dann frisst er sich bis zu 1000 Meter tief in die Sedimente hinein, um dort Gesteinsproben zu bergen, sogenante Bohrkerne. Das Entscheidende: In diesen Bohrkernen steckt das Klimaarchiv der letzten Millionen Jahre. An Land haben die Forscher schon viele Bohrkerne genommen. Am arktischen Meeresgrund dagegen kaum, sagt Lester Lembke-Jene.

    "Wir wissen heute, dass die polaren Regionen am stärksten möglichen zukünftigen Klimaveränderungen unterliegen werden. Und wir wissen gleichzeitig am wenigsten über diese Regionen. Dort gibt es beispielsweise die klimatische Entwicklung des arktischen Ozeans, die uns bislang kaum bekannt ist."

    Die Polarregionen gelten als die Wetterküchen des Erdklimas. Je mehr man über sie weiß, desto genauer lässt sich abschätzen, wie sich unser Klima angesichts von Treibhauseffekt und globaler Erwärmung entwickeln wird. Doch nicht nur Klimaforscher wollen mit der Aurora Borealis auf Expedition gehen. Biologen etwa möchten das Leben am und im arktischen Meeresgrund studieren. Und Geologen interessiert das tektonische Geschehen unterhalb der arktischen See.

    "Es gibt bislang kaum Aufschlüsse darüber, wie der arktische Ozean eigentlich entstanden ist, und welche Ozeanbecken eigentlich zu welchen Kontinentalplatten gehören."

    Anfang kommenden Jahres sollen die Baupläne für den Eisbrecher fertig sein. Die Kosten könnten bei rund 650 Millionen Euro liegen, von denen Deutschland ein knappes Drittel übernehmen soll. Die Aurora Borealis ist ein europäisches Projekt, an dem auch Länder wie Frankreich, Russland und Finnland interessiert sind. Wenn alles glatt läuft und das Schiff bewilligt wird, könnte es 2014 in See stechen, hofft Lester Lembke-Jene.

    "Ich persönlich bin optimistisch. Ich denke, dass das eine sehr großartige Gelegenheit ist, die Meeresforschung auf eine neue Ebene zu heben. Ich bin der Meinung, dass wir diese Forschungsplattform benötigen, um die wichtigen Fragen im Bereich der Klima- und Polarforschung anzugehen."