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Neuer Kurs in Saudi-Arabien
Der Kronprinz räumt auf

Saudi-Arabien wird gerade von einem jungen Thronfolger umgekrempelt. Mohammed gibt sich fortschrittlich, davon zeugen die Entscheidung, dass Frauen künftig Auto fahren dürfen und seine "Vision 2030" für ein Saudi-Arabien nach dem Öl. Mit Kritikern geht er allerdings wenig liberal um.

Von Carsten Kühntopp |
    Mohammed bin Salman sitzt in traditioneller Kopfbedeckung auf einem Sessel.
    Die jüngsten Entscheidungen des Kronprinzen Mohammed bin Salman in Saudi-Arabien deuten eine wirtschaftliche und kulturelle Öffnung des Lands an. (AFP/FAYEZ NURELDINE)
    Viele Saudis kommen da nicht mehr mit. Seit Jahrzehnten wurde ihr Land von gebrechlichen Greisen regiert – jetzt hat ein Mann Anfang 30 die Zügel in die Hand genommen, unterstützt von seinem Vater, dem König. Kronprinz Mohammed bin Salman al-Saud krempelt alles um. Was er vorhat, erklärt er von Zeit zu Zeit in langen Fernsehinterviews:
    "Heute beruht unsere Verfassung auf dem Heiligen Buch und auf dem Erdöl. Das ist sehr gefährlich. Im Königreich haben wir eine Art Sucht nach dem Öl. Das verhinderte die Entwicklung anderer Wirtschaftsbereiche in den vergangenen Jahren."
    Plan für ein Saudi-Arabien nach dem Öl
    Mohammed bin Salmans Plan heißt "Vision 2030". Damit soll das Land fit gemacht werden für die Zeit nach dem Öl. Alle Wirtschaftsbereiche außerhalb des Energiesektors will der Kronprinz stärken. Mohammed bin Salman fungiert auch als Verteidigungsminister und als eine Art Oberaufseher über die Wirtschaft – damit ist er ungeheuer mächtig.
    Er war es, der sein Land in den Krieg gegen die Rebellen im Jemen schickte. Er war es, der die Partnerländer in der Region in eine Blockadefront gegen Katar brachte. Und er ist es, der den Einfluss Irans überall im Nahen Osten eindämmen will.
    Respekt für vorislamische Kulturgeschichte
    Halb Ziehvater, halb guter Freund ist ihm dabei Mohammed bin Zayed, der deutlich ältere Kronprinz von Abu Dhabi. Doch alle drei Politik-Projekte sind bislang ohne greifbare Erfolge geblieben. Wie sich Mohammed bin Salman sein Land in einigen Jahren vorstellt, weiß niemand. Doch der Prinz scheint das Königreich tatsächlich öffnen zu wollen. Das wird deutlich, wenn er über seine Pläne für die Kultur und den Tourismus spricht:
    "Während wir die islamische Geschichte ohne Zweifel als sehr wichtig betrachten, haben wir aber auch eine viele hundert Jahre alte Geschichte der Araber. Dazu kommt, dass wir einen Teil der europäischen Kultur und deren Kulturstätten in Saudi-Arabien haben. Und wir haben Ruinen untergegangener Kulturen, tausende Jahre alt, viel älter als vieles andere. Das ist nur ein Teil unseres Kulturguts."
    Gegen Kritiker geht er hart vor
    So viel Respekt für die vorislamische Kulturgeschichte hat vor ihm wohl noch kein ranghohes Mitglied des Königshauses öffentlich geäußert. Respekt hin oder her: Mit Kritikern seines Kurses geht Mohammed bin Salman hart um. Vor zwei Wochen erst wurden mindestens 30 Religionsgelehrte, Journalisten, Akademiker und Aktivisten festgenommen. Diese Verhaftungswelle – so Amnesty International – ziele auf die "letzten Reste der freien Meinungsäußerung" im Land.
    So kometenhaft schnell Mohammeds Aufstieg, so untypisch mittelmäßig war seine Ausbildung: Er studierte nicht im Ausland und hat nur einen Bachelor in Rechtswissenschaften. Man weiß, dass er vier Kinder hat – und in der Gerüchteküche heißt es, Mohammed liebe alle Produkte von Apple, und sein Lieblingsland sei Japan.
    Ambitioniert, energiegeladen, impulsiv
    Ohne Zweifel: Der Kronprinz ist der eigentliche Macher hinter dem König. Er ist ambitioniert und energiegeladen. Gleichzeitig gilt er aber auch als ein wenig impulsiv. Dass der König nun auch Frauen das Autofahren erlaubt, zeigt: Sein Sohn meint es ernst, in Saudi-Arabien hat eine Zeit beispielloser Umbrüche begonnen.