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Neuer ORF-Chef wird Roland Weißmann
ÖVP-Freundeskreis setzt sich durch

Nach 15 Jahren bekommt der ORF einen neuen Chef: Mit Roland Weißmann gewann wenig überraschend der Kandidat, der als Favorit von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) galt. Der baut damit seinen Einfluss auf die österreichischen Medien weiter aus.

Text: Annika Schneider |
Roland Weißmann gestikuliert während einer Pressekonferenz in Wien am 22. Juli 2021
Ab Januar 2022 neuer ORF-Generaldirektor: Roland Weißmann (Imago/Alex Halada)
Ab dem Januar 2022 hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Österreich einen neuen Chef: Roland Weißmann wurde zum neuen Generaldirektor des ORF gewählt und hat damit fünf Jahre lang einen Posten inne, der mit der Intendanz in deutschen Sendern vergleichbar ist. Weißmann ist derzeit stellvertretender Finanzdirektor des ORF. Weil er als Wunschkandidat von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) galt, fürchten Kritiker, dass die Regierung in Zukunft mehr Einfluss auf die Berichterstattung nehmen könnte.

Weißmann wies Kritik zurück

In einem Interview im ORF-Fernsehen am Abend seiner Wahl wies der designierte Generaldirektor den Vorwurf, er sei zu regierungsnah, zurück: "Ich bin nicht der Kandidat der Regierung. Ich bin ein unabhängiger Kandidat für eine Position", sagte Roland Weißmann. Es sei gar nicht die Frage, wer das Unternehmen führe. "Wichtig ist für das Publikum das beste Programm."
Aufgabe des Generaldirektors werde es sein, die Rahmenbedingungen für eine künftige multimediale unabhängige Redaktion zu schaffen. Die Chefredaktion sei weisungsfrei. Auf den Einwand von Interviewer Armin Wolf, dass er diese Chefredaktion selbst einsetze, antwortete Weißmann, es werde objektive Ausschreibungskriterien geben. Sein Ziel sei es, dass der ORF in den kommenden fünf Jahren digitaler, jünger und diverser werde. Außer solle der Sender sich seine Relevanz erhalten.

Wahl durch politisch besetztes Gremium

Gewählt wurde Weißmann in offener Wahl von einem politisch besetzen Gremium, nämlich den 35 Stiftungsräten des ORF. Sie sollen zwar weisungsfrei und unabhängig agieren und dürfen nicht in der Politik aktiv sein, dennoch sind sie - drei Räte ausgenommen - in "Freundeskreisen" organisiert und lassen sich so einer politischen Partei zuordnen. 19 von ihnen sind demnach der Regierungskoalition zuzurechnen, also der ÖVP von Kanzler Kurz und den mitregierenden Grünen.
Die Exekutive, repräsentiert durch Bundeskanzler Kurz, verfüge im Stiftungs- und auch im Publikumsrat des ORF derzeit über mehr Entscheidungsmacht als ihr aufgrund der parlamentarischen Mehrheiten zustünde, auch unter Hinzurechnung des Koalitionspartners, kritisierte Nikolaus Forgó, Experte für Informations- und Medienrecht an der Universität Wien, vor der Wahl im Dlf. Er plädierte deswegen für eine umfassende Änderung des ORF-Gesetzes.

Großer Einfluss der Exekutive

"Die Repräsentation von Fachexpertinnen und -experten ist nicht so wahnsinnig hoch, weil das Hauptkriterium – quantitativ gesehen jedenfalls – im Stiftungsrat doch auch die Politiknähe und das Vertrauen der Politik in die handelnden Personen zu sein scheint", sagte Forgó. Auch im Publikumsrat, dem zweiten Kontrollgremium des ORF, hat die Exekutive viel Einfluss: 17 der 30 Mitglieder wählt der Kanzler persönlich aus.
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Im Ibiza-Video ging es auch um staatliche Einflussnahme auf Medien. Bundeskanzler Sebastian Kurz distanzierte sich damals schnell. Doch er steht zunehmend in der Kritik, Berichterstattung beeinflussen zu wollen.
Dieter Bornemann, Vorsitzender des ORF-Redakteursrats, sagte im Dlf, in den letzten Jahrzehnten habe es nie einen Generaldirektor gegeben, der nicht politisch geprägt gewesen sei. "Das haben wir auch in den letzten Jahrzehnten immer wieder gehabt, dass die Politik sich selbstverständlich einmischt, weil sie das Gefühl hat, für sie ist es wichtig, wer an der Spitze des ORF steht."

Generaldirektor kann Berichterstattung lenken

Der Generaldirektor sei gleichzeitig Informationsdirektor und habe als solcher großen Einfluss auf die Inhalte der ORF-Berichterstattung, warnte Bornemann. Außerdem stünden mehrere wichtige Personalentscheidungen an.
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14 Kandidatinnen und Kandidaten hatten sich zur Wahl gestellt, fünf von ihnen präsentierten ihre Konzepte im Stiftungsrat. Darunter war auch der bisherige Amtsinhaber: Der Sozialdemokrat Alexander Wrabetz steht seit 2007 an der Spitze des ORF. Der Sender ist mit seinen rund 3.000 Beschäftigten das wichtigste Medienhaus des Landes. Er macht rund eine Milliarde Euro Umsatz und erreicht mit seinen Programmen via Radio, Fernsehen und Internet täglich acht Millionen Menschen.
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Bundeskanzler Kurz steht immer wieder in der Kritik, die Medienberichterstattung in Österreich zu beeinflussen. Redakteursvertreter Bornemann hatte vor der Wahl im Interview mit dem Branchenportal DWDL versprochen, die ORF-Redaktionen würden sehr wehrhaft sein: "Jeder Versuch der politischen Einflussnahme wird von uns bekämpft – egal ob der von innen oder von außen kommt", sagte er. Weil die Redaktionen geschrumpft worden seien, bleibe immer weniger Zeit für Recherche, während Ministerien und Parteien große Kommunikationsteams finanzieren würden – Medien drohten so, zum Werkzeug der Politik zu werden.

Abschaffung der Rundfunkgebühren scheiterte

In jüngerer Zeit hatte der ORF schon einmal um seine Unabhängigkeit gefürchtete. Die FPÖ, die bis 2019 mit in der Regierung saß, hatte geplant, die Finanzierung des Senders zu reformieren. Die Rundfunkgebühren sollten abgeschafft, das Budget stattdessen mit Steuergeldern bestritten werden. Diese Reform hätte den Einfluss der Politik gestärkt, scheiterte aber, als die Regierungskoalition zerbrach, nachdem das so genannte Ibiza-Video an die Öffentlichkeit gelangt war.
Der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) vor seiner Befragung vor dem Ibiza-Untersuchungsaussschuss des Parlaments in Wien am 24. Juni 2020. 
Politische Abgründe in Österreich
Der so genannte Ibiza-Untersuchungsausschuss in Österreich sollte herausfinden, ob die Regierung in den Jahren 2017 bis 2019 käuflich war. In den Ermittlungen zeigten sich tiefe Abgründe, die ein Antikorruptions-Volksbegehren veranlasst haben.
Auch private Medien sind teilweise von öffentlichen Geldern abhängig: Viele finanzieren sich unter anderem über Inserate der Regierung und Presseförderung. Davon profitiert besonders die Boulevard-Zeitung "Kronenzeitung", mit einer Auflage von 700.000 Stück ein Schwergewicht auf dem österreichischen Pressemarkt. Sie bekam 2020 für Inserate 8,4 Millionen Euro von der Regierung.
Wie geschickt Kanzler Kurz die Boulevard-Blätter für sich zu nutzen weiß, enthüllte im Juni ein ehemaliger Journalist der "Krone". Der Chefredakteur der österreichischen Wochenzeitung "Falter", Florian Klenk, hatte damals im Dlf gewarnt: "Wenn wir so wollen, dann erleben wir die Rückkehr von Partei-Propaganda. Und die klassischen Medien sind nicht stark genug gerüstet, um sich dem wirklich wehrhaft entgegenzustellen."
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