Wer ist François Bayrou?
Der 73-Jährige gilt als politisches Urgestein in Frankreich. Er stammt aus der Region der Pyrenäen im Südwesten des Landes, heiratete mit 20 und hat sechs Kinder. Bayrou war lange Bürgermeister der Stadt Pau, dann Abgeordneter in der Nationalversammlung und im Europäischen Parlament sowie Bildungsminister einer konservativen Regierung - und unter Macron auch kurz Justizminister, bevor eine Justizaffäre ihn zur Aufgabe zwang.
2007 gründete er die liberale Partei "Mouvement Démocrate", deren Vorsitzender er ist. Die Partei hat 36 Abgeordnete in der Nationalversammlung und arbeitet zusammen mit Macrons Partei "Renaissance".
Wofür steht François Bayrou?
Politisch suchte Bayrou stets eine Position zwischen den Rechten und den Linken. Die Frankreich-Korrespondentin des Deutschlandfunks, Kaess, sieht ihn als "Mann der Mitte" und Freigeist. Sie sagte im Deutschlandfunk, Bayrou habe früher bereits ein gutes Verhältnis zu den Gewerkschaften gehabt. Heute sei er ein Vertrauter von Präsident Macron, der aber durchaus auch Kontra geben könne. Hinter den Kulissen soll es auch ganz schön rumort haben bis zur Ernennung. Die Verhandlungen seien bis zuletzt hart gewesen, so Kaess. Auch das Magazin "Politico" spricht von einer chaotischen und unkoordinierten Berufung ins Amt.
Welche Herausforderungen kommen auf ihn zu?
An den schwierigen Mehrheitsverhältnissen im Parlament, an denen Bayrous Vorgänger Barnier scheiterte, hat sich nichts geändert. Es gibt drei Blöcke, und keiner hat die absolute Mehrheit. Bayrou steht also vor der schwierigen Aufgabe, die politische Blockade im Land zu überwinden und gemäßigte Kräfte von rechts und links auf seine Seite und womöglich in die Regierung zu holen. "Le Monde" schreibt, die Herausforderung für den neuen Premier bestehe darin, eine stabile Mehrheit im Parlament aufzubauen, einem Misstrauensvotum möglichst zu entgehen und Gesetze auf den Weg zu bringen. Das wichtigste Projekt: Frankreich braucht dringend ein Haushaltsgesetz.
Welche Rolle spielen die Sozialisten?
Sie stehen für eine gewisse Hoffnung auf Kooperation. Die Sozialistische Partei war bislang in einem Linksbündnis mit den Linkspopulisten von "La France Insoumise", mit den Grünen und den Kommunisten. Nun seien die Sozialisten aber wohl bereit, so Korrespondentin Kaess, eine Art "Nicht-Angriffspakt" zu schließen - unter der Bedingung, dass der Premier nicht wie sein Vorgänger den Verfassungsartikel "49.3" benutzt. Dieser erlaubt die Verabschiedung von Gesetzen am Parlament vorbei, bedeutet aber zugleich das Risiko eines Misstrauensvotums. Auf diesem Weg war Bayrous Vorgänger Barnier vom Parlament gestürzt worden.
Welche Reaktionen gab es sonst noch auf seine Ernennung zum Premierminister?
Die linksgerichtete "La France Insoumise" hat umgehend angekündigt, ein Misstrauensvotum gegen Bayrou auf den Weg zu bringen. Auch die Grünen drohen zumindest grundsätzlich mit einem Misstrauensantrag - aber nur für den Fall, dass Macron mit seinem neuen Premier die bisherige Politik fortsetzt und wichtige Minister im Amt lässt. Die Kommunisten sind nicht glücklich mit Bayrou, wollen aber auch nicht sofort wieder einen Misstrauensantrag unterstützen.
Die rechtspopulistische Partei "Rassemblement National" plant laut Parteichef Bardella ebenfalls zunächst keinen Misstrauensantrag. Fraktionschefin Le Pen appellierte an Bayrou, der Opposition zuzuhören und einen vernünftigen Haushalt aufzustellen.
Allerdings, so meldet die Nachrichtenagentur AFP aus Macrons Umfeld: Bayrous Aufgabe bestehe gerade darin, den Dialog mit allen Parteien außer "La France Insoumise" und dem "Rassemblement National" zu suchen. Erst Dienstag hatte es im Elyséepalast noch ein Treffen mit Spitzenvertretern der Fraktionen gegeben - ohne "La France Insoumise" und den "Rassemblement National".
Bayrou selbst ist sich der Tragweite seiner Aufgabe durchaus bewusst: Er sagte, es gelte nun "einen Weg zu finden, der die Menschen vereint, anstatt sie zu spalten".
Diese Nachricht wurde am 14.12.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.