Archiv

Neuer Radiosender in Großbritannien
Die BBC bekommt neue Konkurrenz

Die britische Tageszeitung "The Times" will eine eigene Radiostation gründen. Wie ernst es dem Times-Eigentümer und Milliardär Rupert Murdoch mit diesem Projekt ist, zeigt sich auch daran, dass Times Radio bereits prominente Moderatorinnen und Moderatoren der BBC abwerben konnte.

Von Sandra Pfister |
Aasmah Mir (3.v.l.), lange als Moderatorin ein Gesicht der BBC - hier 2016 in einer Brexit-Debatte mit Boris Johnson - wechselt zu "Times Radio"
Aasmah Mir (3.v.l.), lange als Moderatorin ein Gesicht der BBC - hier 2016 in einer Brexit-Debatte mit Boris Johnson - wechselt zu "Times Radio" (Imago Images / I Images)
John Pienarr, 63 Jahre alt, hat sein halbes Leben für die BBC gearbeitet, zuletzt sogar als stellvertretender politischer Chefredakteur. Nun hat Pienarr aber die BBC verlassen, er ist einer der prominenten Moderatoren, die zum neuen Times Radio wechseln.
"Es gibt in der Radio-Landschaft einen erheblichen Spielraum für diese Art von Radio-Station, wenn sie es nur schaffen, die Moderatoren, Redakteure und Producer zu finden, die sie dafür brauchen."
Neben John Pienarr hat der Sender auch zum Beispiel Tom Newton Dunn gewonnen. Dunn ist Chef-Politikreporter für die Sun. Times Radio will mit diesen Zugpferden Hörer anlocken – und mit einer anderen Haltung als der wichtigste Konkurrent BBC Radio 4. Die Interviews sollen weniger konfrontativ sein, die Anmutung freundlicher.
Konservative Tories mit unerwarteter Liebeserklärung
Im britischen Oberhaus hat die BBC zahlreiche Befürworter. Das hat sich auch bei der Debatte um die Zukunft der Anstalt gezeigt. Selbst die konservativen Tories haben den britischen öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu gelobt. Dabei kritisiert die Regierung von Premier Boris Johnson die BBC seit Monaten heftig.
Wärmer und freundlicher soll es klingen
Times Radio will also die Hörer gewinnen, die die Interview-Scharmützel morgens bei "Today" in der BBC mit dem harten Pressing der Moderatoren für fruchtlos halten. Die Moderatorin Aasmah Mir kommt auch von der BBC.
"Ich freue mich wirklich darauf, dass wir nicht wieder dieses ‚In der roten Ecke steht der Politiker‘ und ‚In der schwarzen Ecke steht dieser Politiker" haben, und die spielen sich dann die Bälle zu. Es ist nicht gut, sie in diese sehr altbackene Schablone hineinzuzwingen, dass sie kontrovers aufeinander losgehen müssen."
Times Radio will also wärmer und freundlicher klingen – aber auf eines der Grundkonzepte, um Nähe zum Hörer zu erzeugen, verzichten: Höreranrufe, Call in. Das ist das Konzept des erfolgreichsten britischen Privatsenders LBC, bei dem den ganzen Tag Hörer anrufen und ihre Meinung sagen. Auf solche Call-In-Sendungen, die letztlich wenig kosten, will Times Radio aber ganz bewusst verzichten.
"Wir wollen nicht diese Anrufsendungen, die manchmal etwas simpel sein können", erklärt Stig Abell, der zuletzt die Literaturbeilage der Times verantwortete. "Ich würde nicht sagen, dass solche Anrufe wertlos sind", räumt Moderatorin Aasmah Mir ein. "Aber davon gibt es ja schon reichlich andernorts."
So will Boris Johnson die BBC angreifen
Wie in anderen europäischen Ländern auch, ist in Großbritannien die Abgabe für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk umstritten. Der neue Premierminister Boris Johnson soll Pläne haben, die indirekt ein Ende der BBC bedeuten könnten.
Zweifel an der Finanzierung
Times Radio zielt auf den sogenannten gehobenen gebildeten Hörer. Wie aber will Times Radio finanziell erfolgreich werden? Times Radio wird auf das eigene Korrespondentennetz zurückgreifen und braucht keinen teuren UKW-Sender, sondern läuft online und über eine App. Dennoch ist John Meir, Mediendozent an der Universität Coventry, skeptisch. Denn auf Werbespots will der Sender verzichten, nur Sponsoring soll möglich sein.
"Radio 4 ist sehr, sehr gut. Wo soll die Hörerschaft von Times Radio herkommen? Werden Sie wirklich zu Rupert Murdochs Times Radio überlaufen? Wie soll das finanziert werden? Man braucht fast zwangsläufig ein Abo-Modell. Das wird nicht die Welt kosten, aber es wird teuer, und Murdoch muss tiefe Taschen haben, um das zu finanzieren."
Eine Art Fox News in Großbritannien?
Medienmogul Rupert Murdoch hat tiefe Taschen. Zuletzt verkaufte er die Sky-Sendergruppe für umgerechnet mehr als 35 Milliarden Euro an den US-Kabelnetzbetreiber Comcast. Ein Abo-Modell für Times Radio könnte z.B. so aussehen, dass der Sender hinter der Zahlschranke der Times im Netz verschwindet. Wer ihn hören will, muss die Times gleich mitabonnieren – oder wird in diese Richtung geködert, vermutet Meir.
Wird Times Radio also eine Art Fox News in Großbritannien werden, wie andere vermuten? Dagegen spricht die Qualität der Times und ihrer Journalistinnen und Journalisten. Wann der Sender startet, ist noch offen. John Meir senkt schon jetzt den Daumen: In einem Jahr habe Rupert Murdoch die Lust verloren und werde Times Radio wieder dicht machen.