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Neuer Radsport-Sponsor
Proteste gegen Sky-Nachfolger Ineos

Aus Sky wird Ineos: Der Namens- und Eigentümerwechsel des besten Radsportteams der letzten Jahre birgt Sprengstoff. Der neue Hauptsponsor will Fracking betreiben, ausgerechnet in Yorkshire, wo er gerade das neue Team präsentiert hat und das erste Rennen im neuen Look erfolgt.

Von Tom Mustroph |
30.04.2019 Neuenburg, 73.Tour de Romandie .Prolog Einzelzeitfahren Im Bild : Geraint Thomas (GBR) eam Ineos *** 30 04 2019 Neuchâtel 73 Tour de Romandie Prologue Individual time trial In picture Geraint Thomas GBR eam Ineos PUBLICATIONxNOTxINxSUI
30 04 2019 Neuenburg 73 Tour de Romandie Prolog Einzelzeitfahren Im Bild Geraint Thomas GBR ea (www.imago-images.de)
Ein Landstrich ist in Aufruhr, ein Landstrich der eigentlich Radsport liebt. 2014 startete in Yorkshire die Tour de France. Das löste einen regelrechten Boom aus. Menschen, die seit ihrer Kindheit nicht mehr aufs Rad gestiegen waren, entdeckten das Zweirad neu. Viele fahren täglich mit dem Rad zur Arbeit. Auf der Welle der Begeisterung wurde auch 2015 die Tour de Yorkshire aus der Taufe gehoben. Das ist ein Mehretappenrennen durch die Hügellandschaft Mittelenglands.
Doch in diesem Jahr ist vieles anders. Anstelle der Klatschpappen gibt es Pfeifen. Vampirmasken mit dem Antlitz des Unternehmers Jim Ratcliffe sind im Umlauf. Ratcliffe ist Chef des Unternehmens Ineos. Das produziert Plastik. Und es will Fracking betreiben. Damit der Widerstand dagegen schwindet, hat Ineos den britischen Rennstall Sky übernommen. Aber die Reaktion ist noch wütenderer Protest. Philip Tate, Landbesitzer in Yorkshire sagt:
"Ich werde sie ausbuhen, wenn ich Ineos auf ihrem Rücken sehe. Ich werde auch die anderen Leute ermuntern, das gleiche zu tun. Es geht nicht gegen die Fahrer, sondern gegen den Sponsor",
"Sie versuchen unsere Landschaft zu zerstören"
Tate ist Frackinggegner seit Jahren, engagiert sich in der Koordinierungsgruppe Frack Free United. Die hat 15.000 Masken mit dem Antlitz von Ineos-Besitzer Jim Ratcliffe verteilt. Sie sollen bei Protesten am Rande der Tour de Yorkshire, die am Donnerstag beginnt, zum Einsatz kommen. Denn Yorkshire, die Grafschaft, in der das Rennen stattfindet, ist auch eine wichtige Fracking-Zone. Eine toxische Kombination auch für Hazel Winter, die nur 750m von einem geplanten Fracking-Standort entfernt wohnt.
"Sie haben die meisten Lizenzen in diesem Teil von Yorkshire. Dass sie jetzt für einen Radsportevent herkommen, hat eine Menge Leute verärgert", sagt die Frau aus dem 370 Seelen-Ort Kirby Misperton im Norden Yorkshires. Wenige Kilometer von ihrem Haus entfernt sind schon jetzt die Hinweiszeichen für die Tour of Yorkshire mit Team Ineos angebracht.
"Ich weiß nicht, ob viele Leute wissen, was Ineos macht. Sie produzieren Plastik, und die Küstenorten leiden am Plastik an den Stränden. Und jetzt kommen sie hierher und versuchen, unsere Landschaft zu zerstören. All das ist mit Radsport unvereinbar."
Tägliche Proteste angekündigt
Die Vorstellung des neuen Teams Ineos war denn auch von den Protesten überschattet. Team-Manager David Brailsford hatte den Ort lange geheim gehalten. Journalisten durften nur auf persönliche Einladung an der Pressekonferenz teilnehmen. Den Ort , den Pub The Fountaine Inn in Linton, erfuhren auch sie nur im letzten Moment. Es war eine Geheimoperation – offenbar aus Angst, dass die Fracking-Gegner die Veranstaltung sprengen.
Die kündigten für die Tour de Yorkshire tägliche Proteste am Rande der Strecke sowie den Start- und Zielorten an. Sie wollen bei allen Aktionen aber zwischen der Sportveranstaltung und dem Geldgeber von Team Ineos trennen. Das versprach zumindest Steve Mason, Sprecher von Frack Free United:
"Wir haben nicht das Rennen im Visier. Ineos ist der Gegner. Das Rennen zeigt die besten Seiten von Yorkshire. Und das wollen wir schützen. Wir wollen nicht, das irgendjemand das Rennen unterbricht. Keine der Gruppen, mit denen wir zusammenarbeiten, will das."
"Froome kann für jeden Anderen fahren"
Unter den Fracking-Gegnern sind auch zahlreiche Amateurradler. Viele Unterstützer kommen zudem aus der Umweltbewegung, für die das Fahrrad eine Energie schonende Art der Mobilität ist. Dass der Chemiekonzern, der Fracking als Kerngeschäft hat, sich ausgerechnet den Radsport als Werbeträger aussuchte, erfüllt viele mit Zorn. Von ihren Idolen erwarten sie eine Distanzierung vom neuen Arbeitgeber. Philip Tate sagt:
"Sie haben doch eine Wahl. Sie sind gut bezahlt. Chris Froome ist reich genug, um in Monaco leben zu können. Er braucht nicht mehr zu arbeiten. Es ist seine Wahl, diese Karriere weiterzuverfolgen. Er kann weiter Radfahren, aber warum muss er für Ineos fahren? Er kann für jeden anderen fahren."
De facto sind Froome und Kollegen vertraglich gebunden. Aber eine Stellungnahme zu Fracking und zur Position ihres Arbeitgebers erwarten viele Menschen in Yorkshire von den Radsportmillionären. Bisher vergeblich. Sie drückten sich um das Thema.
Chris Froome auf seinem Fahrrad beim Giro d'Italia.
Chris Froome beim Giro d'Italia. (imago sportfotodienst)
Schon jetzt aber deutet sich an, dass die Rechnung des Sponsors nicht aufgehen könnte. Zu groß ist der Zorn in der Heimat. Mike Davies von Frack Free Leeds sagt: "Ich denke, ich hoffe natürlich, dass es auf sie zurückfallen wird. Sie denken, sie geben etwas Geld aus, und kaufen Greenwashing. Ich denke aber, sie geben etwas Geld aus und am Ende sehen sie, dass sie sehr schlechte Publicity gekauft haben."
Der Trubel um den neuen Sponsor des ehemaligen Teams Sky könnte sogar noch weitere Auswirkungen haben. Denn in Sachen schlechter Umweltbilanz ist Ineos nicht allein im Radsport. Der Minerölkonzern Total, selbst bei Fracking in Südamerika beteiligt, sponsert das französische Team Direct Energie. Gegen die Geldgeber des Rennstalls Bahrain Merida gibt es seit langem Vorwürfe wegen Menschenrechtsverletzungen im Lande. Wenn die gleichen Kriterien der Unvereinbarkeit von Sport und Schädigung der Gesellschaft dann auch noch auf den großen Fußballmarkt angewendet würden, dürfte dies eine gewaltige Dynamik auslösen.