"Es ist viel einfacher als man denkt, Journalisten auf eine ganz bestimmte Bahn der Interpretation der Realität zu lenken. Dafür braucht man keine autoritären Regime. Das geht heute viel sublimer. Diese Manipulationen geschehen in den Medieninstitutionen selbst."
Marcello Foa, 55, gibt sich aufgeklärt und kritisch. Der Italo-Schweizer und promovierte Politikwissenschaftler ist seit 1984 Journalist. Jetzt wurde er nach wochenlangen Auseinandersetzungen um seine Person zum Präsidenten der RAI gewählt.
Scharfe Kritik am neuen Präsidenten
Eine sehr besorgniserregende Entscheidung, meint Emanuele Fiano, sozialdemokratischer Politiker und in seiner Partei für Medienfragen verantwortlich:
"Der RAI-Präsident hat eine fundamentale Rolle bei der gesamten Ausrichtung dieses Medienkonzerns, der wie kein anderer Einfluss über seine vielen TV-Kanäle auf die Italiener hat. Die RAI sollte ein Forum sein und bleiben, in dem die unterschiedlichsten Ideen Gehör finden können. Der RAI-Präsident sollte also jemand sein, der diesen Meinungspluralismus garantiert."
Extreme und radikale Ansichten
Einen Pluralismus, der, so Fiano und viele seiner Parteikollegen, aber auch viele Intellektuelle wie der Schriftsteller Andrea Camilleri und der Starjournalist Roberto Savino, mit Foa in Gefahr sein könnte. Marcello Foa ist für seine Kritiker kein solcher Garant. Im Gegenteil. Emanuele Fiano:
"Das ist ein Journalist, der seit einiger Zeit extreme und radikale Positionen vertritt. Vor wenigen Tagen kritisierte er den Staatspräsidenten als 'unerträglich'. Er bezeichnete Oppositionspolitiker mit geschmacklosen Worten. Er verbreitete als Journalist 'Fake News', die als solche geoutet wurden, und soll für die Zeitungen, denen er vorstand, Finanzspritzen rechtsradikaler Gruppen erhalten haben."
Starker Tobak oder so gravierende Vorwürfe, dass ihnen eine parlamentarische Kommission auf den Grund gehen sollte? So eine Kommission fordert jetzt die Opposition.
Brisante politische Sympathien
Sie wird nicht müde darauf hinzuweisen, dass Marcello Foa brisante politische Sympathien hat. Er bezeichnet Wladimir Putin als sein politisches Vorbild. Er sieht sich als sogenannten "sovranista", als Verteidiger der Idee des Vaterlandes gegen die Europäische Union. Er verkehrt mit dem Ex-Strategen und rechtsradikalen Journalisten Steve Bannon.
Verschiedene italienische Medien wiesen in diesen Tagen darauf hin, dass Marcello Foa offensichtlich falsche Nachrichten als Journalist verbreitete. Wie im "Corriere del Ticino", den er zuletzt leitete.
Falschmeldung über Trump-Sturz
So etwa die Nachricht, wonach die USA 150.000 Reservisten für einen nicht näher genannten Angriff vorbereiten würden. Italienische Medien fanden heraus, dass Foa damit eine "Fake News" verbreitet habe, die von einem US-amerikanischen Neofaschisten-Blog verfasst wurde. Foa veröffentlichte auch eine Nachricht, wonach Trump gestürzt werden sollte, auch er ein politisches Idol des neuen RAI-Präsidenten. Doch diese Nachricht war ebenso ein Fake, verfasst von Paul Craig Roberts, einem der strammsten Rechtsradikalen der Republikaner.
Gianluigi Paragone, RAI-Journalist und militanter Sympathisant der italienischen Regierung, wiegelt ab: "Ich glaube, dass Foa endlich frischen Wind hier in die RAI bringt. Er wird endlich Themen ansprechen, die vorher tabu waren." Tabu waren, so Paragone, weil die RAI bisher primär von Sozialdemokraten dominiert wurde.
Berlusconi inzwischen einverstanden
Gegen Foa sprach sich zunächst auch Silvio Berlusconi aus. Doch seine Kritik an dem Kandidaten der Regierung legte sich, nachdem Innenminister Matteo Salvini dem Medienzaren versichert hatte, dass Foa die Sendefrequenzen der RAI nicht auf Kosten von Berlusconis Mediaset vergrößern werde. Auch die bisherigen Deals zur Aufteilung des italienischen Werbekuchens zwischen RAI und Mediaset würden nicht angetastet werden.
Damit hat nun die RAI zum ersten Mal einen Präsidenten, der ganz offen Partei bezieht – für die populistisch-rechtsradikale Regierung, die in ihm einen Traumkandidaten gefunden hat. Sogar Wladimir Putin soll Foa zu seinem neuen Amt gratuliert haben.