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Neuer Schnee und Orkantief
"Höchst brisante Lage im Alpenraum"

Die Schneemassen in den nördlichen Alpen seien Zeichen für eine außergewöhnliche Wetterlage, sagte Andreas Friedrich vom Deutschen Wetterdienst im Dlf. In dieser Größenordung käme das nur alle zehn bis zwanzig Jahre vor. Der Experte rechne ab Sonntag mit einer weiteren Verschärfung.

Andreas Friedrich im Gespräch mit Georg Ehring |
    LKW im Schnee auf der Autobahn 8 in Bayern bei Hochfelln. Foto: Bernd März/dpa | Verwendung weltweit
    LKW im Schnee auf der Autobahn 8: "Fatale Neuigkeiten für die Alpentäler" (Bernd März)
    Georg Ehring: Entlegene Dörfer sind von der Außenwelt abgeschnitten, Schulen fallen aus, Liftbetreiber kapitulieren vor den Schneemassen und Waldbesitzer warnen vor dem Betreten von Wäldern, weil dort Äste abbrechen könnten. Und inzwischen ist in Bayern auch ein erstes Dach unter der Last des Schnees eingebrochen. In einigen Regionen in Süddeutschland sowie in Österreich fällt so viel Schnee wie lange nicht mehr. Über das Wetter spreche ich jetzt mit Andreas Friedrich vom Deutschen Wetterdienst. Guten Tag, Herr Friedrich!
    Andreas Friedrich: Hallo, schönen guten Tag.
    Ehring: Herr Friedrich, wie ungewöhnlich ist das Wetter im Süden eigentlich? Es ist ja eigentlich normal, dass es auch mal stärker schneit.
    Friedrich: Ja, sicher. Neuschnee kennen die Alpenbewohner. Das ist sicherlich dort kein Thema. Aber die Mengen, die wir jetzt die letzten sechs Tage erleben, die sind schon außergewöhnlich, und man kann sagen, in einigen Regionen - und wir haben einen Hotspot von Kiefersfelden bis ins Berchtesgadener Land -, da haben wir wirklich jetzt einige Stationen, wir haben das mal ausgewertet, die sogar einen neuen Schneerekord für die erste Januarhälfte aufgestellt haben. Beispiel ist die Station Kiefersfelden. Dort gab es in der ersten Januarhälfte noch nie so viel Schnee wie jetzt, und das ist schon ein Zeichen dafür, dass das eine außergewöhnliche Wetterlage ist.
    Ehring: Wann gab es so was zuletzt und wie oft etwa? Können Sie da Zahlen sagen?
    Friedrich: Ich habe jetzt keine genauen Zahlen, wie das jetzt in jedem Jahr war. Aber man kann sagen, dass so was in der ähnlichen Größenordnung sicherlich nur alle zehn bis zwanzig Jahre vorkommt. Wir hatten 2006 in den Nordalpen viel Schnee. Man erinnert sich an das eingestürzte Dach damals dieser Eishalle. Dann 1999 war so ein Schneewinter, wo es ja auch dieses verheerende Lawinenunglück in Galtür gab. Das sind so Jahre, wo es auch ähnliche Verhältnisse gab, wie wir sie jetzt gerade erleben.
    Schneemassen wegen Nordwest-Zyklonaler Großwetterlage
    Ehring: Wie kommt die aktuelle Schneesituation zustande? Was passiert da in der Luft?
    Friedrich: Wir haben eine ganz bestimmte Großwetterlage. Wir Meteorologen nennen das Nordwest-Zyklonal. Nordwest heißt, dass einfach die Luft großräumig von Nordwesten nach Deutschland, nach Mitteleuropa geblasen wird. Zyklonal heißt, dass das Ganze unter Tiefdruckeinfluss stattfindet, immer wieder Tiefdruckgebiete mit nach Deutschland und gegen die Alpen gesteuert werden, und dann spielt die Topographie der Alpen hier eine entscheidende Rolle, denn die Alpen haben eine Ausrichtung, die genau quer zu dieser Nordwest-Richtung der Strömung ausgerichtet ist. Das bedeutet, dass die Luftmassen, die jetzt mit Feuchtigkeit sich über dem Nordmeer, über der Nordsee mehr oder weniger vollsaugen, dass diese feuchte Luft über Deutschland zieht. Im Flachland passiert relativ wenig, weil die Nordsee ist im Moment noch warm und es regnet da ein bisschen. Aber dann trifft diese feuchte Luft auf die Nordalpen - und da muss sie irgendwo hin. Das heißt, sie muss nach oben ausweichen, und wenn Luft nach oben steigt, kühlt sie sich ab und regnet ab, beziehungsweise jetzt im Januar schneit sie sich ab. Diese Großwetterlage, die haben wir jetzt schon seit fast einer Woche, und das ist der Grund, warum diese riesigen Schneemengen dort am Alpennordrand sich jetzt aufhäufen.
    Mehr Schnee in den Hochalpen durch Klimawandel
    Ehring: Der Klimawandel sorgt ja auch dafür, dass durch Veränderung bei hohen Luftströmen Wetterlagen oft länger anhalten, so habe ich gelernt. Hat der andauernde Schneefall auch mit dem Klimawandel irgendetwas zu tun?
    Friedrich: Das halte ich jetzt im Moment wirklich noch für etwas weit hergeholt. Solche Wetterlagen hatten wir wie gesagt in den letzten Jahrzehnten immer wieder. Das gab es in den 80er-Jahren im letzten Jahrhundert auch häufiger, sogar mehrere Winter hintereinander. Eine Rolle könnte spielen, aus meiner Einschätzung her, dass wir im Moment erhöhte Wassertemperaturen über der Nordsee haben, auch über dem Nordatlantik, über dem Nordmeer, und da muss man wissen: Wenn die Luft wärmer ist, wenn das Wasser wärmer ist, kann mehr Feuchtigkeit in der Atmosphäre, in den Wolken aufgenommen werden, so dass dann, wenn diese Wolken sich irgendwo stauen wie an den Alpen, auch noch mehr Niederschlag rausfallen kann. Aber bevor man das mit dem Klimawandel in Verbindung bringen kann, muss man da wirklich über 30 Jahre sich so was anschauen. Und man darf natürlich nicht vergessen, was sicher ist: Durch den Klimawandel steigen die Temperaturen und wir werden zumindest im Flachland, auch in den Alpentälern dadurch in den nächsten Jahren, Jahrzehnten, muss man sagen, eher mit mehr Regen als Schnee rechnen. Aber ob sich das dann im Hochgebirge auswirkt, das wie gesagt steht noch ein bisschen auf unsicherem Papier. Auf jeden Fall muss man in den Hochalpen im Winter dann tendenziell mit mehr Schnee rechnen.
    Verschärfung ab Sonntag durch Sturmtief
    Ehring: Noch ganz kurz die Aussichten. Geht der Schneefall in den nächsten Tagen noch weiter?
    Friedrich: Ja! Leider ist die Wetterlage so immer noch, hat immer noch Bestand, und wir bereiten gerade die nächsten Unwetterwarnungen vor - zunächst mit einer Vorabinformation -, die dann wieder den Alpenraum betreffen werden. Es gibt nämlich noch eine Verschärfung der Lage ab Sonntag. Dann kommt ein nächstes Tief wieder voll reingerauscht nach Mitteleuropa und es wird zunächst mal milder werden am Sonntag. Das heißt, da gehen die Schneefälle bis tausend Meter in Regen über. Das ist eine fatale Neuigkeit für viele Alpentäler, denn dann wird der Schnee immer schwerer. Und ich würde sagen, dort wo Bäume sind, kann es vermehrt Schneebruch geben. Es können Hochspannungsleitungen beschädigt werden. Zu Stromausfällen kann es kommen. Dächer sind natürlich gefährdet, soweit sie jetzt nicht geräumt werden können. Und es gibt viel Wind. Wir rechnen auf den Bergen mit Orkanböen. Dann kommt die Kaltluft am Montag hinterher und in der Summe gibt es dann am Alpennordrand in den Staulagen nochmals einen Meter Neuschnee. Ich rechne mit einer höchst brisanten Lage, mit wirklich massiven Einschränkungen auch im öffentlichen Straßenverkehr, der Infrastruktur ab Sonntag/Montag im Alpenraum.
    Ehring: Andreas Friedrich war das vom Deutschen Wetterdienst. Herzlichen Dank.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.