Digitalisierung der Arbeit, der Gesellschaft. Das nimmt die SPD ernst. Einer der Schwerpunkte für die anstehenden Gespräche mit der Union und die Erneuerung der Partei. Roboter, die Arbeits-Plätze vernichten. Abgehängte Regionen, weil das Internet lahmt. Internet-Sicherheit, Überwachung. Die Herausforderungen der Zukunft. Und die SPD muss sie annehmen, sagt Lars Klingbeil:
"Ja, wir stehen vor enormen Umbrüchen. Es wird sich sehr viel mehr verändern durch die Digitalisierung, als vielen von uns das heute bewusst ist. Und viele empfinden das Ganze als Unsicherheit. Es braucht aber jemanden, der die Gesellschaft durch diese Unsicherheit in das digitale Zeitalter führt. Und ich möchte, dass die SPD die Partei ist, die sich an der Spitze der Bewegung dieser Diskussion setzt. Wir sollten davor keine Angst haben."
In der digitalen Welt kennt sich Lars Klingbeil aus. 39 Jahre ist er alt, Niedersachse, für SPD-Chef Martin Schulz ein echter Generationen-Wechsel im Amt des Generalsekretärs. Klingbeil ist Netzpolitiker seiner Partei, seit acht Jahren im Bundestag, fiel auf als Wortführer gegen die von der SPD so verhasste Vorratsdatenspeicherung, die anlasslose Speicherung von Kommunikations-Daten.
"Wir brauchen digitale Beteiligungs-Möglichkeiten"
Netzausbau, Netzneutralität - Themen, die ihn auch weiter umtreiben. Einst forderte er ein Internet-Ministerium, war für die SPD in der Enquetekommission des Bundestages Internet und digitale Gesellschaft. Und seine Partei – die SPD; die will er umkrempeln. Fit machen für die Digitale Welt. Das Ortsvereinswesen mit seinen wöchentlichen Stammtischen in Dorf-Kneipen hält er für verstaubt. Das soll zwar bleiben, sagt Klingbeil, aber die SPD könne mehr:
"Wir brauchen digitale Beteiligungs-Möglichkeiten. Es muss möglich sein, sich zu vernetzen, Anträge zu erarbeiten, Positionen zu finden unabhängig von Zeit und von Ort. Ich kann heute von unterwegs mit meinem Smartphone mein komplettes Leben fast organisieren. Aber ich habe keine Möglichkeiten, mich digital in eine Partei einzubringen. Und ich sage euch zu: Wir werden das machen, ich will das ändern. Die SPD wird eine moderne digitale Partei."
Das kennen wir schon von der Piratenpartei, den Vorreitern des Digitalen. LiquidFeedback heißt deren(*) Plattform für die elektronische Beteiligung – jeder kann sich einloggen, sich einbringen, seine Meinung äußern. Auch Parteitage wie bei den anderen Parteien gibt es bei den Piraten nicht – kein starres Delegierten-System. Jedes Mitglied, das will, kann kommen. Aber: den entscheidenden Schritt zur Digitalisierung sind die Piraten dann nicht mehr gegangen. Der digitale, der virtuelle Parteitag scheiterte an den Bedenken vieler Mitglieder. Danach ging es für die Piraten nur noch bergab.
Partei-Konservativer aus Soldatenfamilie
So soll es der SPD nicht ergehen – das Dickschiff muss sich aber bewegen, meint Klingbeil:
"Weniger autoritäre Strukturen, mehr Diskussionen, andere Diskussionen, andere Sprache, weniger Breitbeinigkeit und mehr Familienfreundlichkeit auch in unserer SPD."
Lars Klingbeil ist auch Verteidigungs-Politiker, Mitglied im Förderkreis Heer. Stammt aus einer Soldatenfamilie, gehört in der SPD zum konservativen Seeheimer Kreis. Das eckt an bei vielen Delegierten. Bei den Linken, den Friedensbewegten. Viele hätten sich auch eine Frau auf dem Posten gewünscht. Am Ende wählt ihn der Parteitag mit 70,6 Prozent zum neuen Generalsekretär der Sozialdemokraten. Und große Aufgaben warten auf ihn – auch jenseits der digitalen Welt.
(*) Anmerkung der Redaktion: Mit der gewählten Formulierung sollte nicht zum Ausdruck gebracht werden, die Piraten seien Urheber der Software. Nähere Informationen zu der von den Piraten genutzten Open-Source-Software LiquidFeedback finden Sie beispielsweise unter liquidfeedback.org sowie auf der Webseite der Piratenpartei NRW.