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Neuer Verhandlungstermin
Wird die SPD Edathy doch noch los?

Der Fall des früheren Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy, der sich mit dem Vorwurf des Besitzes kinderporografischen Materials konfrontiert sah, beschäftigt die SPD noch immer. Denn Edathy will in der SPD bleiben, der Parteivorstand möchte ihn aber nicht mehr haben. Ein Rauswurf ist aber nicht so einfach, wie sich schon gezeigt hat.

Von Nadine Lindner |
    Sebastian Edathy
    Sebastian Edathy (Hannibal Hanschke, dpa)
    "Sebastian Edathy hat eingeräumt, Bildmaterial bei einem kanadischen Unternehmen bezogen zu haben. Offenbar handelt es sich dabei um Bilder unbekleideter Jugendlicher. Unabhängig, ich wiederhole, unabhängig von der strafrechtlichen Relevanz, sind Präsidium und SPD-Parteivorstand entsetzt und fassungslos über diese Handlungen und über das Verhalten Sebastian Edathys."
    SPD-Chef Sigmar Gabriel am 21. Februar 2014. Da sorgte der ehemalige Innenpolitiker Sebastian Edathy schon seit ein paar Tagen für große Unruhe im politischen Berlin. Grund waren Ermittlungen wegen Nacktbildern von Jungen aus dem Internet.
    Für den Parteivorsitzenden war damals nach einer Hausdurchsuchung klar: Edathy soll nicht länger Sozialdemokrat bleiben: "Sein Handeln ist unvereinbar mit einer Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag. Und passt nicht zur Sozialdemokratischen Partei Deutschlands."
    Es sind drei Stränge, die die Edathy-Affäre umfasste. Da waren erstens die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen möglichem Besitz von kinderpornografischem Material. Das ist strafrechtlich beendet, denn gegen Zahlung einer Geldauflage in Höhe von 5000 Euro stellte das Landgericht Verden im März 2015 das Verfahren ein.
    Noch einiges ungeklärt
    Sebastian Edathy äußerte sich einige Monate vorher dazu in der Bundespressekonferenz: "Das war rechtmäßig so wie es aussieht, in Ordnung, aber es war moralisch nicht in Ordnung. Andererseits: Mein Verständnis von einem Rechtsstaat umfasst auch, dass das was Menschen in ihrem Privatleben tun, solange es legal ist, prinzipiell niemand anderen etwas angeht."
    Der zweite Strang ist die Frage, wer dem früheren SPD-Abgeordneten den Tipp gab, dass die Staatsanwaltschaft gegen ihn ermittelte. Ein Bundesinnenminister – Hans-Peter Friedrich von der CSU - stürzte darüber. Doch obwohl auch ein Untersuchungsausschuss des Bundestages den Tippgeber suchte, ist dieser Teil der Edathy-Affäre bis heute nicht aufgeklärt.
    Bleibt der dritte Strang, das Verhältnis von Edathy zu seiner Partei. Fest steht: Der SPD-Vorstand will den gefallenen Genossen aus der Partei ausschließen. Anfang Juni 2015 entschied das für Edathy zuständige SPD-Bezirksschiedsgerichts in Hannover: Er darf in der SPD bleiben. Zur Begründung meinte Kommissionssprecher Jürgen Dietze damals: Edathys Fehlverhalten reiche für einen Rauswurf nicht aus, denn: "Es muss nun mal ein erheblicher Verstoß sein. Das kann nicht irgendeiner sein. Es können also zum Beispiel natürlich keine moralischen Vorstellungen sein. Und es muss dann auch ein schwerer Schaden sein, der dadurch ausgelöst wird."
    Statt Rauswurf nur eine Sperre
    Die Entscheidung damals: kein Rauswurf, sondern Sperre. Edathy muss seine Mitgliedsrechte drei Jahre lang ruhen lassen. Die verhängte Strafe ist nach SPD-Organisationsstatut die zweithöchste. Ein Urteil, das keine Zustimmung fand. Sowohl der Parteivorstand als auch Sebastian Edathy selbst legte Widerspruch ein, er will bleiben. Nächste Woche Freitag ist nun ein mündlicher Verhandlungstermin im Willy-Brandt-Haus angesetzt. Weder die SPD-Spitze noch Edathy wollen sich vorab äußern. Die Pressestelle verweist telefonisch auf ihre Rolle als Verfahrensbeteiligte. Der Ex-Abgeordnete reagiert per Facebook auf eine Anfrage des Deutschlandfunks und lehnt freundlich, aber knapp ein Interview ab.
    Edathy – juristisch nicht verurteilt, politisch unbedeutend - Was treibt die SPD an, in ihrem Wunsch, Edathy loswerden zu wollen? Parteienforscher Gero Neugebauer von der FU Berlin: "Es war im Wesentlichen, nach meiner Einschätzung, die Befürchtung: jetzt kriegt die SPD eine schlechte Presse. Und das müssen wir verhindern. Wir müssen zeigen: klare Kante, so jemanden wollen wir nicht dulden."
    Die Formulierung, die in diesem Fall eine zentrale Rolle spielt, steht im Organisationsstatut der SPD unter Paragraf 35: Mitglieder die "ehrlose Handlungen" begehen und der Partei damit "schweren Schaden" zufügen, können ausgeschlossen werden. Gedacht haben die Verfasser des Statuts dabei eher an Korruption.
    Parteiausschluss noch unklar
    "Eine symbolhafte Entscheidung, und wenn man das flapsig formuliert: das als 'nicht ehrenhaft' bezeichnen möchte, wenn durch seine sexuelle Orientierung nicht unbedingt dem Mainstream entspricht, dann würde die Partei noch ein paar Mitglieder weniger haben." Unmoralisches, trotzdem legales Verhalten im Privaten als Ausschlussgrund? Können Parteiordnungsverfahren dann nicht auch als Herrschaftsinstrument der Parteispitze gegen unliebsame Mitglieder eingesetzt werden?
    Einer, der die Partei verlassen musste, empfindet es genauso: Martin Korol, ehemaliges SPD-Mitglied aus Bremen wurde 2013 nach Äußerungen über Roma ausgeschlossen; Äußerungen, die als rassistisch gewertet wurden. Noch immer fühlt er sich von den Genossen gemobbt. "Jeder weiß, mir wurde eine Falle gestellt. Das war ein Rufmord, ein systematisch vorbereiteter Rufmord. Und das Recht auf Meinungsfreiheit wurde beschnitten."
    Bei Thilo Sarrazin, dessen Äußerungen zur Integrationspolitik einige Genossen als rassistisch empfanden, scheiterte ein Ausschlussverfahren dagegen. Der Parteivorstand gab sich mit einer schriftlichen Erklärung Sarrazins zufrieden.
    Es gibt also keinen Automatismus, den der Parteivorstand mit einem Parteiausschlussverfahren auslösen kann. Auch bei Sebastian Edathy ist ungewiss, ob er am Ende nicht doch Mitglied der SPD bleibt.