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Neuer WM-Zyklus?
Die UEFA gegen den Rest der Welt

Der Fußballweltverband Fifa lässt untersuchen, ob die Weltmeisterschaft nicht alle zwei statt wie bisher alle vier Jahre veranstaltet werden kann. Die europäischen Funktionäre wollen das mit aller Macht verhindern. Doch in anderen Verbänden wird der Vorschlag immer beliebter.

Von Christian von Stülpnagel |
    UEFA-Chef Aleksander Ceferin (links) mit Fifa-Boss Gianni Infantino (rechts).
    UEFA-Chef Aleksander Ceferin (l.) ist gegen die Pläne von Fifa-Boss Infantino (r.). (imago sportfotodienst)
    Alle zwei Jahre ist Fußball-Sommer. Dann stehen sich die Nationalmannschaften entweder bei einer Weltmeisterschaft oder bei einer Kontinentalmeisterschaft wie der Euro gegenüber. Aber immer mehr Fußballfunktionäre wollen diesen Rhythmus brechen. Sie fordern: Statt alle vier sollen die Turniere jeweils alle zwei Jahre stattfinden. Das würde bedeuten: Jeden Sommer treten die Nationalmannschaften gegeneinander an.
    Die Vertreter Saudi-Arabiens, enge Verbündete von Fifa-Präsident Gianni Infantino, hatte diesen Vorschlag im Mai auf dem Fifa-Kongress eingebracht und eine Machbarkeitsstudie gefordert. 166 der mehr als 200 Fifa-Verbände unterstützten das arabische Land.

    2026 WM, 2027 EM, 2028 wieder WM

    Arsène Wenger, ehemaliger Trainer von Arsenal London und heute Chefentwickler der Fifa, entwirft seitdem Pläne, wie genau dieser Zweijahres-WM-Takt aussehen könnte – und ist von den Plänen begeistert. Dem ´Kicker` sagte er: "Stellen Sie sich das so vor: 2026 die Weltmeisterschaft in den USA, Mexiko und Kanada; 2027 eine Europameisterschaft und die anderen Kontinental-Turniere; 2028 wieder eine Weltmeisterschaft; und so weiter." Die nötigen Qualifikationsspiele würden dann innerhalb eines Monats im Herbst stattfinden.
    Doch die europäischen Klubs, Ligen und die UEFA wollen die Verkürzung des WM-Zyklus auf jeden Fall verhindern. Es ist der bekannte Konflikt zwischen der auf die Nationalmannschaften ausgerichteten Fifa und dem europäischen Fußball, den die Vereine dominieren. Hier spielen die meisten internationalen Stars. Wenn jeden Sommer ein großes Turnier stattfinden würde, fürchten die Klubs eine Überlastung der teuren Spieler. Sie hätten dann nur wenige spielfreie Wochen im Sommer, die Verletzungsgefahr könnte steigen. Für die Klubs wäre das eine schlechte Nachricht.

    "Mehr ist nicht immer besser"

    Außerdem würde der eh schon volle Spielplan der Vereine noch voller werden. Die Top-Mannschaften spielen in den nationalen Ligen und Pokalwettbewerben, in der Champions-, Europa- oder Conference League, dazu gibt es den Supercup, die Klub-WM, die Nations-League und eben Welt- und Europameisterschaften mit der jeweiligen Qualifikation.
    Mit einem internationalen Turnier in jedem Sommer gäbe es also Fußball ohne Pause.
    Die europäischen Funktionäre, die gerade erst die Champions-League aufgeblasen und die Conference-League erfunden haben, fürchten, dass es vielleicht langsam zu viel wird für die Fans und der besondere Status der Wettbewerbe verloren geht: "Die WM ist so wertvoll, weil sie selten stattfindet. Eine WM alle zwei Jahre führt unserer Ansicht nach zu mehr Beliebigkeit, weniger Bedeutung. Sie würde das Turnier entwerten", sagte UEFA-Chef Aleksander Ceferin zuletzt bei der Generalversammlung der Europäischen Klubvereinigung ECA in Genf. "Mehr ist nicht immer besser."
    Doch die UEFA sorgt sich nicht nur um ihre Spieler und Fans. Sie hat vor allem Angst um ihr Geld. Denn bisher macht sie mit der EM satte Gewinne, 2016 fast 850 Millionen Euro. Wenn in Zukunft jeden Sommer ein großes Turnier stattfindet, könnte die Europameisterschaft im Vergleich zur WM an Attraktivität verlieren und weniger Gewinn abwerfen. Die Nations-League könnte sogar ganz wegfallen. Ende der Woche trifft sich die UEFA, um über die "Zukunft des europäischen Fußballs" zu beraten. Dabei dürfte es aber auch um die Fifa-Pläne gehen.
    Und wie ist die Position des Deutschen Fußball Bundes? Auch der DFB hat sich gegen die Reformpläne für die Weltmeisterschaften gestellt. Der Manager der deutschen Nationalmannschaft, Oliver Bierhoff, sagte bei Bild TV: "Den Rhythmus, den wir jetzt haben, finden wir ideal. Ich glaube, es ist nicht sinnvoll, den Terminkalender jetzt nochmal aufzubauschen mit den Turnieren. Ich würde es begrüßen, wenn wir bei dieser Linie bleiben."
    Englands Nationalcoach Gareth Southgate hingegen zeigte sich mehr WM-Turnieren aufgeschlossen gegenüber: "Ich weiß nicht, wie unsere Generation eine Weltmeisterschaft alle zwei Jahre als ein seltsames Konzept empfinden kann." Allerdings müsse der internationale Matchkalender grundlegend aufgeräumt werde.

    Andere Fußballverbände wollen die Reform

    Bei den Fußballverbänden der anderen Kontinente sieht das anders aus. Die afrikanische CAF zum Beispiel hat schon Unterstützung für einen Zweijahrestakt signalisiert. Denn die Afrikameisterschaft wirft im Vergleich nur wenig Geld ab, da ist Geld aus häufigeren Weltmeisterschaften gern gesehen. Mehrere asiatische Nationalverbände haben zuletzt ihre Unterstützung signalisiert, der süd- und der nordamerikanische Verband ebenso.
    Arsène Wenger liefert im ´Kicker` noch weitere Argumente, die für eine Halbierung des WM-Zyklus sprechen würden: "Inzwischen gehören 211 Länder zur Fifa – und 133 davon haben noch nie eine WM gespielt. Diese Länder schauen alle vier Jahre zu ohne jede Chance, selbst daran teilzunehmen." Durch häufigere Turniere gäbe es mehr Gelegenheiten zur Qualifikation, Talente aus kleinen Fußball-Nationen könnten sich häufiger international präsentieren. Yara Touré, Ex-Nationalspieler aus der Elfenbeinküste schreibt deshalb auf Twitter: "Die WM alle zwei Jahre zu spielen, würde dem afrikanischen Fußball helfen."
    Wann die Fifa über einen neuen WM-Zyklus entscheidet, ist noch nicht klar. Die Stimmen, die für eine Verkürzung des Zyklus sprechen, mehren sich aber. Gianni Infantino zum Beispiel sagte bei dem Fifa-Kongress im Mai: "Klubs haben die Chance auf fünf oder sechs Titel pro Jahr. Jede Nationalmannschaft hat nur alle vier Jahre die Möglichkeit. Wenn du einmal nicht dabei bist, ist das sehr tragisch bei dieser geringen Häufigkeit." Die UEFA scheint aber nicht bereit, in dem Streit nachzugeben: "Die Weltmeisterschaft kann aus tausend Gründen nicht alle zwei Jahre stattfinden", sagte er UEFA-Direktor Zvonimir Boban der Gazzetta dello Sport.
    Wann über mögliche Reformen abgestimmt wird, ist noch unklar. In dieser Woch trifft sich Wenger mit einer 30-köpfigen Expertengruppe in Doha, um die Zukunft des Fußballs zu beraten. Unter anderem Sami Khedira, Lothar Matthäus und Jürgen Klinsmann sind dabei.