Woody Allen ist ein außergewöhnlicher Regisseur und unter den rund 50 Filmen, die er in den vergangenen über 50 Jahren gedreht hat, sind einige Meisterwerke und viele preisgekrönt. Aber bereits seit dem schmutzigen Scheidungskrieg mit Mia Farrow Anfang der 90er-Jahre, der sogar die gemeinsamen Adoptivkinder spaltete, kann man seine Filme nicht mehr ganz unbefangen sehen. Woody Allen soll eine Adoptivtochter sexuell mißbraucht haben. Eine Anschuldigung, die nicht bewiesen ist, für die er nicht verurteilt wurde, die aber dennoch im Raum steht. Unter anderem zog Amazon einen Deal über vier Filme mit dem Regisseur zurück und auch der aktuelle "A Rainy Day in New York" kommt in den Vereinigten Staaten nicht in die Kinos.
Gagenverzicht und Distanz zum Regiestar
Die Hauptdarsteller des Werkes haben sich nach dem Dreh vom Film distanziert und ihre Gagen gespendet. Die Jungstars Timothée Chalamet und Selena Gomez versicherten außerdem, nie wieder mit dem Regie-Großmeister drehen zu wollen. Aber wie ist der nun der Film, der bereits im Vorfeld für derartigen Wirbel sorgte? Der Inhalt ähnelt anderen Werken aus der Feder von Woody Allen.
Ein junger, reicher Mann namens Gatsby fährt mit seiner ebenso jungen Freundin namens Ashleigh ein Wochenende in seine Heimatstadt New York. Er träumt von viel Romantik, sie ist aufgeregt, weil sie einen bekannten Regisseur interviewen darf.
Die Absichten und Ideen sind verschieden. Das Wochenende wird für beide dennoch zu einem Erlebnis. Gatsby, gespielt von Timothée Chalamet, erhält plötzlich selber eine kleine Rolle in einem Independent Film eines Freundes. Ashleigh, dargestellt von Elle Fanning, taucht ein in die Welt von Hollywoodleid, kümmert sich um den Regisseur in der Krise und denkt nicht mehr an ihren Freund.
Der doppelte Woody Allen
Timothée Chalamet wirkt zunächst wie ein Alter Ego des Regisseurs, aber auch der krisengeschüttelte Regisseur erinnert an Allen selbst. "Woody Allen verdoppelt sich hier in diesem Film, er zeigt seine gute und seine schlechte Seite", sagt Suchsland. Und auf jeden Fall sei der neue Allen-Film ein scharfer Kommentar zum Zeitgeist, zum grassierenden Puritanismus in den westlichen Gesellschaften. Allen, so Suchsland, erzähle sarkastisch von den Gepflogenheiten seiner Branche. Die Männer entlarven sich in ihrer lächerlich-pompösen Art bald selbst. Und andererseits sind die Frauen hier nie besser als die Männer. Bei Woody Allen kann man Autor und Werk nie trennen. "Wir sehen immer den Stadtneurotiker".
Zugleich ist "A Rainy Day in New York" natürlich – oder auch zum Teil wegen der gegenwärtigen Debatten um Anstand, Moral und Politik unserer Geschlechterbeziehungen – ein sehr oft witziger Film. Nicht jeder wird über jeden Witz lachen können. Aber das war auch früher, als man Woody-Allen-Filme noch ganz unschuldig ansah, nicht anders. Woody Allen ist und bleibt einer der besten Humoristen des Gegenwartskinos. Der Autor lebt, so Suchsland.