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Neuer Zwist auf Zypern

Die Türkei lässt vor Zypern wieder die Muskeln spielen und schickt Kriegsschiffe ins östliche Mittelmeer. Anlass der Eskalation sind geplante Offshorebohrungen der Republik Zypern. Die international isolierten Zyperntürken befürchten, von den erwarteten Gewinnen der griechischen Seite ausgeschlossen zu bleiben - und bohren jetzt ihrerseits.

Von Gunnar Köhne |
    Militärparade am vergangenen Samstag in Nikosia. Die Republik Zypern feiert ihren Unabhängigkeitstag. Viel ist es nicht, was die zyprische Nationalgarde aufzubieten hat: Ein paar Schützenpanzer, Kampfhubschrauber, Artillerie. Doch die Zyprer wollen Verteidigungsbereitschaft demonstrieren - denn Nikosia fühlt sich bedroht vom übermächtigen Erzfeind Türkei. Ankara hat Kriegsschiffe ins östliche Mittelmeer geschickt - wütend darüber, dass die Inselgriechen 200 Seemeilen östlich von ihrer Küste in Zusammenarbeit mit Israel begonnen haben, nach Öl und Gas zu bohren. Die Türkei lässt für die türkischen Zyprer die Muskeln spielen. Denn die fürchten, vom künftigen Energiereichtum Zyperns abgeschnitten zu werden. Kudret Özersay, Berater des Präsidenten der selbst ernannten "Türkischen Republik Nord-Zypern" kündigt an, die Zyperntürken würden nun ihrerseits mit dem Mutterland Türkei in den nördlichen Gewässern der Insel nach Gas suchen:

    "Wenn die griechisch-zyprische Seite nach Gas und Öl bohrt, dann werden wir türkischen Zyprer das gleiche tun. Denn wir haben dasselbe Anrecht auf diese Rohstoffe. Wenn wir daran gehindert werden sollten, dann wird das natürlich zu noch mehr Problemen führen."

    Noch müssen die Zyprer Öl und Gas teuer importieren. Doch wenn die Bohrungen erfolgreich verlaufen, könnten ihnen, so schätzt Gary Lakes, Korrespondent des Middle East Economic Survey, spätestens ab 2020 allein 3,5 Billionen Kubikmeter Gas zur Verfügung stehen.

    "Das würde die zyprische Wirtschaft nachhaltig verändern, es würde nicht nur die Gasversorgung Europas sicherer machen, es würde auf Zypern neue Industrien entstehen lassen und es würde den Lebensstandard auf der gesamten Insel deutlich erhöhen."

    Doch genau das bezweifeln die Zyperntürken. Sie verdienen rund ein Viertel weniger als die Menschen im griechischen Süden. Weil sie international isoliert werden, sind sie auf die Türkei angewiesen. Dass die griechische Seite auf ihrem Alleinvertretungsanspruch für Zypern besteht und nicht angeboten hat, die Gaserlöse zu teilen - das hat bei vielen türkischen Zyprern die Hoffnung auf eine baldige Wiedervereinigung zerstört:

    - "Die Griechen werden uns einen Teil der Ausbeute versprechen und wir werden so dumm sein, es zu glauben. Aber wir werden auch in hundert Jahren nicht einen Euro bekommen!"

    - "Wenn sie eine Lösung für dieses Land haben wollen, dann müssen sie sich mit uns an einen Tisch setzen und reden. Wenn sie keine Lösung haben wollen, werden die Probleme weitergehen."

    Die griechische Seite sieht sich bei ihren Offshorebohrungen im Einklang mit internationalem Recht - und wird dabei von den USA und der EU unterstützt. Dass sie zwar mit Anrainern wie Libanon und Israel über die Ausbeutung der Erdölvorräte gesprochen hat, nicht jedoch aber mit den türkischen Zyprern - das hat die Atmosphäre vergiftet. Dabei, so Regierungssprecher Stefanos Stefanou, könnten die riesigen Öl- und Gasfunde tief unter dem Mittelmeer ein Anreiz für eine Verständigung sein:

    "Die Öl- und Gasfunde könnten die Bemühungen um eine Lösung der Zypernfrage befördern. Wir könnten auch mit der Türkei nicht nur in Energiefragen zusammenarbeiten. Aber leider hat die Türkei in dieser Angelegenheit sehr negativ agiert."

    Statt Versöhnung hat die Aussicht auf Wohlstand neues Misstrauen nach Zypern gebracht. Die EU hat beide Seiten zur Mäßigung aufgerufen. Doch bisher hatte Brüssel wenig Einfluss auf die Kontrahenten. Der EU-Beitrittskandidat Türkei hat angekündigt, die Beziehungen zur Europäischen Union auf Eis zu legen, wenn die Republik Zypern Mitte nächsten Jahres die Ratspräsidentschaft übernimmt.

    Der Dauerstreit um Zypern sorgt indes auch bei den Vereinten Nationen für Ratlosigkeit. Ende dieses Monats kommen die beiden zyprischen Volksgruppenführer Christofias und Eroglu auf Einladung von UN-Generalsekretär Ban Ki Mun erneut in der Nähe von New York zusammen. Sollte es dieses Mal nicht endlich zu einem Durchbruch kommen, droht die UN - so ist aus diplomatischen Kreisen zu hören - ihre Friedensbemühungen auf Zypern einzustellen.