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Neues AfD-Spitzenduo
Spitzenkandidat Chrupalla sieht keine Richtungsentscheidung

Die AfD hat Alice Weidel und Tino Chrupalla zu ihrem Spitzenduo für die Bundestagswahl gewählt. Während Beobachter darin auch eine Richtungsentscheidung hin zum rechtsextremen Lager der AfD sehen, ist es für Chrupalla eine "reine Personenenwahl". Man könne alle Strömungen vereinen, sagte der Co-Parteichef im Dlf.

Tino Chrupalla im Gespräch mit Philipp May |
Tino Chrupalla steht beim 12. Bundesparteitag der Alternative für Deutschland am 10.04.2021 in der Messe Dresden an einem Sprecherpult
AfD-Co-Parteichef Tino Chrupalla bildet zusammen mit Fraktionschefin Alice Weidel das Spitzenduo der Partei für die Bundestagswahl im Herbst 2021 (IMAGO / Revierfoto)
Zwischen dem 17. bis zum 24. Mai haben rund 14.800 Mitglieder der AfD ihr Spitzenduo für die Bundestagswahl gewählt, das sind nur rund 48 Prozent der Wahlberechtigten. Für AfD-Fraktionschefin Alice Weidel und Co-Parteichef Tino Chrupalla votierten 10.462 Mitglieder – das entspricht einem Anteil von gut 71 Prozent. Das zweite Bewerber-Team, die eher unbekannten Joana Cotar und Joachim Wundrak, kam auf rund 27 Prozent.
Alice Weidel, Fraktionsvorsitzende der AfD im Bundestag, und Tino Chrupalla, AfD-Bundesvorsitzender in einer Interviewszene
Weidel und Chrupalla zum Spitzenduo der AfD gewählt
Alice Weidel und Tino Chrupalla bilden das neue Spitzenduo ihrer Partei. Beide stehen dem früheren, vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuften "Flügel" um Björn Höcke nahe.

Wahl auch eine Richtungsentscheidung?

Die Entscheidung gilt auch als eine Richtungsentscheidung der AfD. Cotar und Wundrak bezeichneten sich selbst als gemäßigt und wurden von Co-Parteichef Meuthen unterstützt, während das bekanntere Duo Weidel und Chrupalla dem früheren, vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuften "Flügel" um Höcke nahesteht.
Der Mitgliederentscheid werde Meuthen zu denken geben, dieser habe sich "sicherlich ein anderes Team gewünscht", sagte Tino Chrupalla im Dlf. Neben Meuthen ist der Malermeister aus der Lausitz einer der beiden Parteichefs der AfD.
Jörg Meuthen stützt seinen Kopf in die Hand und schaut nach unten
Kommentar: Ohrfeige für Co-Parteichef Jörg Meuthen
Die Mitgliederentscheidung über das Spitzenduo der AfD offenbart Gewinner, Verlierer und den zukünftigen Kurs der Partei, kommentiert Nadine Lindner. Es spreche nun noch mehr dafür, dass die AfD weiter nach rechts rutscht.
Eine Richtungsentscheidung sieht Chupalla in der Wahl aber nicht. Man habe in den letzten Jahre bewiesen können, "dass wir alle Strömungen vereinen können". Die Wahl von Alice Weidel und ihm zum AfD-Spitzenduo sei eine "reine Personenwahl" gewesen. Er werde auch keinen Lagerwahlkampf führen.
Obwohl der Verfassungsschutz den früheren "Flügel" um den Fraktionsvorsitzenden der AfD im Thüringer Landtag Björn Höcke als rechtsextrem einstuft und vier Landesverbände der AfD von den Verfassungsschützbehörden der jeweiligen Bundesländer als Verdachtsfälle eingestuft werden, gibt es laut Chupalla "kein rechtsextremes Lager" in seiner Partei, sondern lediglich eine "nationale Strömung". Antisemitische Äußerungen des sächsischen AfD-Politikers Andreas Harlaß bezeichnete Chrupalla als inakzeptablen Einzelfall.
Logo der AFD-Bundesfraktion in den Büroräumen des Deutschen Bundestrages in Berlin
Die AfD und der Verdachtsfall
Ein Kölner Gericht hat die Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz vorerst untersagt. Inhaltlich ist damit aber noch nicht entschieden, ob die Partei als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft werden darf. Ein Überblick.

Das Interview zum Nachlesen:

Philipp May: Gestern haben wir gehört, es gab keine Glückwünsche bisher persönlich von Jörg Meuthen. Hat er das mittlerweile nachgeholt?
Tino Chrupalla: Nein, hat er bis jetzt nicht nachgeholt. Er hat sich per Twitter geäußert. Ich denke, das ist ausreichend. Ich habe mich über die vielen anderen Glückwünsche unserer Mitglieder gefreut, aber auch unserer Repräsentanten in unserer Partei, auch Herr Gauland. Von daher alles in Ordnung.

Meuthen "hätte sich sicherlich ein anderes Team gewünscht"

May: Aber das ist ja schon ungewöhnlich. Zwischen den beiden Co-Sprechern, den beiden Vorsitzenden der AfD, herrscht absolute Funkstille.
Chrupalla: Na ja, als absolute Funkstille würde ich es nicht bezeichnen. Wir haben ja unsere Bundesvorstandssitzungen, wo wir uns sehr wohl austauschen, auch kameradschaftlich dort zusammenarbeiten, themenbezogen. Dass es in anderen Politikfeldern unterschiedliche Meinungen gibt, Auffassungen, das ist ganz normal, und es ist jetzt auch kein Geheimnis, dass es bei uns mit Herrn Meuthen und mir so ist.
Von daher sehe ich das jetzt wirklich als pragmatisch an und er hat sich ja auch klar positioniert. Das muss man ja sagen, was die Spitzenkandidaten angeht: Er hätte sich sicherlich ein anderes Team gewünscht. Nun haben die Mitglieder sehr deutlich entschieden. Das hatten Sie ja in Ihrem Eingangs-Statement gesagt. Und ich denke, das wird auch Herrn Meuthen zu denken geben.

"Frau Weidel und ich repräsentieren die gesamte Partei"

May: War das denn eine Richtungsentscheidung?
Chrupalla: Nein, so würde ich es nicht bezeichnen. Wie gesagt: Frau Weidel und auch ich, wir repräsentieren die gesamte Partei, Ost und West, Nord und Süd. Ich denke, wir sind ein ideales Duo, jung, dynamisch. Wir sind ein starkes Führungsduo auch mit Erfahrung. Ich denke, das hat auch bei den Mitgliedern gezogen.
Wir sind mittlerweile zusammen 14 Jahre Parteierfahrung in der AfD, ich als Bundessprecher, sie als Fraktionsvorsitzende. Wir haben, denke ich, auch die letzten Jahre bewiesen, dass wir alle Strömungen in dieser Partei vereinen können und auch mitnehmen - in der Bundestagsfraktion Frau Weidel und genauso ich als Bundessprecher. Ich denke, das hat schon den Ausschlag mit gegeben.

Streit um Einordnung Höckes als "rechtsextrem"

May: Aber ich will jetzt noch mal nachfragen. Ihre Kandidatur wurde klar vom rechtsextremen Lager der Partei um Björn Höcke unterstützt, und Sie haben klar gewonnen. Ist das jetzt das wahre Kräfteverhältnis?
Chrupalla: Herr May, wir wissen ja nicht, von wem es unterstützt wurde. Noch dazu gibt es bei uns kein rechtsextremes Lager.
May: Na ja. Björn Höcke wird sogar vom Verfassungsschutz als rechtsextrem bezeichnet.
Chrupalla: Ja, genau, vom Verfassungsschutz, und dass wir dagegen klagen und genau gegen solche Äußerungen und Aussagen und auch gegen solche Bewertungen, das ist Ihnen ja auch bekannt. Wir haben sicherlich eine nationale Strömung in unserer Partei. Die ist aber nicht rechtsextrem.
May: Na ja. Aber wer sich von diesen rechten, einige sagen rechtsextremen Strömungen – unter anderem der Verfassungsschutz – in der Partei abgrenzen wollte und ein Zeichen setzen wollte und sagt, ich bin damit nicht einverstanden, der musste die anderen wählen. Sie haben sich nicht abgegrenzt. Sie haben die Unterstützung gesucht und gefunden.
Chrupalla: Woher wollen Sie wissen, wer uns gewählt hat? Das war eine geheime Online-Abstimmung. Es haben 71 Prozent der Partei uns gewählt. Sie wollen doch nicht sagen, dass diese 71 Prozent Extremisten seien, und noch dazu wie gesagt …
May: Na ja, es sind ja nicht 71 Prozent, die Sie gewählt haben. 48 Prozent haben an der Online-Abstimmung teilgenommen, davon 71 Prozent. Das ist weniger als die Hälfte.
Chrupalla: Ob nun 60 Prozent daran teilgenommen hätten, das hätte doch kein anderes Ergebnis gebracht. Das ist doch klar. – Und jetzt noch mal zum Extremismus, den Sie immer gerne betonen. Was ist denn eigentlich konkret Extremismus? Da müssen wir doch mal in die Definition gehen. Extremismus lehnt den demokratischen Verfassungsstaat ab und möchte ihn auch beseitigen, und das will in der AfD niemand. Deswegen muss ich Ihnen da ganz widersprechen, was Extremismus angeht.

Antesimitische Äußerungen von Andreas Harlaß

May: Jetzt werde ich aber hellhörig! Wir können einfach nur mal in Ihren Landesverband Sachsen schauen, wer da auf die guten Listenplätze gewählt wurde. Das waren alles keine gemäßigten Kandidaten aus dem sogenannten moderaten Lager. Die waren alle aus dem ehemaligen Flügel-Lager. Ich nenne jetzt nur ein Beispiel, ein einziges: Andreas Harlaß. Per Kampfabstimmung gegen einen gemäßigten Kandidaten ist der auf den sicheren Listenplatz fünf gekommen. Der hat in einem Artikel für die Junge Freiheit 2014 ernsthaft die Meinung vertreten, der deutsche Überfall auf Polen 1939 sei in Wirklichkeit proaktive Verteidigung in Erwartung eines kurz bevorstehenden polnischen Angriffskrieges gewesen. Den Artikel kann man immer noch nachlesen. – Jetzt könnte man natürlich sagen, 2014, das ist lange her, aber 2019 nach dem Attentat auf die Synagoge in Halle hat derselbe Andreas Harlaß auf Facebook geschrieben: "Nur mal zur Erinnerung: Der Psycho von Halle hat Deutsche erschossen, keine Semiten." – Ich gehe jetzt mal davon aus, wir beide hier sind uns einig, dass jemand, der offenbar grundsätzlich zwischen Juden und Deutschen unterscheidet, ein schlimmer, schlimmer Antisemit ist. Laut Gerichtsbeschluss darf man Harlaß sogar als Neonazi bezeichnen, und der sitzt mit Ihnen aller Voraussicht nach ab September im Bundestag. Wie fühlen Sie sich mit solchen Unterstützern?
Chrupalla: Herr May, ganz ehrlich sage ich mal, dass diese Äußerungen im Nachgang, wenn man diese so betrachtet, natürlich nicht gehen. Ich würde mich aber jetzt davor hüten, jemand sofort pauschal in die rechte Ecke und als Antisemiten zu bezeichnen.
May: Aber wann denn sonst?
Chrupalla: Ja, Moment! Das kann doch nicht für Sie die Messlatte in diesen Bereichen so sein. Das ist doch genau das, was wir jetzt tun. Schauen wir uns doch insgesamt …
May: Ganz kurz! Was soll denn sonst die Messlatte in diesen Bereichen sein, wenn man so was schreibt als Politiker!
Chrupalla: Ich kenne dieses Interview nicht, Herr May. Das muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen.
May: Das ist kein Interview! Auf Facebook! Sie kennen das ganz genau. Das ging ganz groß durch die Presse. Dafür musste sich auch die AfD äußern. Sie kennen dieses Zitat.
Chrupalla: Ja, das ist dieses Zitat. Und dass Herr Harlaß dieses Zitat in der Form auch nicht mehr tätigen würde und auch zurückgenommen hat, ist doch ganz klar! Über was diskutieren wir jetzt?
May: Ja, genau über dieses Zitat! Das kann man doch nicht einfach zurücknehmen.
Chrupalla: Wollen Sie jetzt an einer einzelnen Aussage festmachen, dass die AfD rechtsextrem ist?
May: Na ja. Ich stelle fest, dass Sie mit jemandem, der – noch mal – geschrieben hat: "Der Psycho von Halle hat Deutsche erschossen, keine Semiten." Mit dem sitzen Sie höchst wahrscheinlich, wenn uns die Umfragen nicht komplett trügen, ab September im Bundestag. Wie fühlen Sie sich dabei, noch mal?
Chrupalla: Entschuldigung, Herr May.
May: Sie müssen sich nicht entschuldigen.
Chrupalla: Doch, das tue ich sehr wohl. – Herr Harlaß ist bei uns auf Listenplatz fünf gewählt worden von den Mitgliedern. Und dass diese Aussage nicht geht, habe ich Ihnen gerade gesagt, dass ich die nicht in Ordnung finde und dass ich die zurückweise, ist doch auch klar.
Blumen und Kerzen mit der Aufschrift Shalom vor der Synagoge in Halle.
Nach dem Anschlag in Halle - Warum der Antisemitismus nie weg war
Nach dem tödlichen Anschlag in Halle stellt sich erneut die Frage: Werden rechtsextremistischer Terror und Antisemitismus unterschätzt? Statistiken zeigen: Die Angriffe auf Juden und jüdische Einrichtungen nehmen weltweit zu.
May: Letzte Woche hat sich Ihre Fraktion im Bundestag, als es um den Antisemitismus in Deutschland im Zuge des Israel-Palästina-Konflikts ging, geradezu zum Bollwerk, zum letzten Bollwerk gegen Antisemitismus stilisiert. Wie passt einer wie Harlaß da rein?
Chrupalla: Dass wir das natürlich in dieser Form tun, dass wir Extremismus und Antisemitismus in Deutschland die rote Karte zeigen, das ist ihnen bekannt. Und natürlich passt auch …
May: Nur Herrn Harlaß zeigen Sie nicht die rote Karte. Der kriegt jetzt eine Verwarnung, gelb vielleicht.
Chrupalla: Wie gesagt, ich kenne die komplette Aussage, diesen Kontext nicht, den Sie jetzt gerade herausgegriffen haben, und ich denke, Herr Harlaß würde diese Aussage in dieser Form nicht mehr tätigen.
May: Das nehme ich Ihnen nicht ab, dass Sie diesen Kontext nicht kennen. Der Kontext war das Attentat in Halle.
Chrupalla: Das können Sie mir jetzt abnehmen oder nicht, aber ich habe es Ihnen ja jetzt gerade gesagt.

"Wir sind jetzt geeint"

May: Okay! – Was wollen Sie denn dem unterlegenen Lager, dem sogenannten bürgerlichen Lager Ihrer Partei, das jetzt so verloren hat, anbieten?
Chrupalla: Herr May, erst mal biete ich den unterlegenen Kandidaten – es ist kein Lagerwahlkampf gewesen, auch kein Kandidatenlager-Wahlkampf. Das möchte ich noch mal strikt zurückweisen. Welchem Lager würden Sie mich denn zurechnen? Als Handwerksmeister, als Familienvater, der in diesem Land schon was geleistet hat? Alles andere als bürgerlich ist ja wirklich hanebüchen, was Sie jetzt aufzeichnen wollen.
Ich habe mich gefreut, dass Frau Cotar und auch Herr Wundrak uns die Unterstützung auch im Wahlkampf zugesagt haben, und deswegen wird es auch mit den beiden Kandidaten einen Wahlkampf geben. Wir sind jetzt geeint. Die Entscheidung ist gefallen. Von daher sehe ich diesem ganzen Verfahren, aber auch dem Wahlkampf freudig entgegen und freue mich auf die Zusammenarbeit.
May: Von Ihren Herausforderern gab es die Forderung, die AfD solle im Wahlkampf sympathischer auftreten, nicht nur als reine Dagegenpartei. Wie wollen Sie das machen?
Chrupalla: Das ist absolut richtig, kann ich nur unterstreichen, und das verkörpern Frau Weidel und ich genauso. Oder kennen Sie da andere Beispiele?
May: Nee, nee! Die Forderung kommt ja nicht aus dem Nichts. Sie muss ja einen Grund haben. Anscheinend haben selbst Vertreter Ihres eigenen Lagers das Gefühl, dass Ihre Partei häufig nur als Dagegenpartei auftritt.
Chrupalla: Nein! Ich sage mal so: Frau Weidel und ich vertreten doch genau diese Tonalität in dieser Form genauso. Deswegen sehe ich dort auch keine Unterschiede. Es war eine reine Personenwahl, wo die Mitglieder entschieden haben, pro oder dagegen. Das heißt nicht, dass die anderen Kandidaten in irgendeiner Weise nicht in diese AfD gehören. Wir freuen uns, dass Frau Cotar und auch Herr Wundrak dabei sind und dass die uns auch im Wahlkampf unterstützen.
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Debattenkultur mit der AfD - Parlamentarische Provokationen
Seit die AfD in den Parlamenten vertreten ist, hat sich aus Sicht vieler Beobachter die Debattenkultur verändert. Für den Landtag in Stuttgart lässt sich das jetzt auch sprachwissenschaftlich bestätigen.

"Deutsche Tugenden" fördern

May: Schauen wir aufs Wahlprogramm. Sie verlangen unter anderem von der Bundeswehr mehr Korpsgeist, eine Rückkehr oder ein Bekenntnis zu deutschen Werten von Bundeswehrsoldaten. Was genau meinen Sie damit?
Chrupalla: Ich denke, dass ist auch in dieser jetzigen Zeit angebracht, auch gerade in der Bundeswehr – und da erleben wir ja doch vieles -, dass der Halt zur Bundeswehr fehlt, dass sich auch die jungen Menschen überhaupt nicht mehr interessiert zur Bundeswehr bekennen können, und ich denke, da gehören auch deutsche Tugenden, Fleiß, Disziplin wieder mit zu dem Wertekanon, den wir ein Stück weit auch mit fördern wollen. Deswegen finde ich diese Forderung sehr gut.
Die Delegierten zeigen in der Dresdener Messehalle beim Bundesparteitag der AfD in Dresden ihre Stimmkarten am 10.04.2021.
Mit welchem Programm die AfD in die Bundestagswahl zieht
In vielen Punkten wurden die Positionen der Partei verschärft. Forderungen sind unter anderem ein EU-Austritt Deutschlands und eine vollständig andere Corona-Politik.

May: Vermissen Sie das bei der Bundeswehr, Fleiß und Disziplin?
Chrupalla: Ja, das vermisse ich generell in unserer Generation beziehungsweise auch in unserer Gesellschaft, dass diese Tugenden, diese Anerkennung, Pünktlichkeit, Fleiß, dass die eine gewisse Identität Deutschlands auch darstellen. Dass die fehlen, das erleben wir jeden Tag, und deswegen, denke ich, ist es eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
May: Wo erleben Sie das genau? Können Sie ein Beispiel nennen?
Chrupalla: Wissen Sie, ich bin selbst als Handwerksmeister für die Ausbildung von Jugendlichen mit verantwortlich gewesen. Ich habe selber Lehrlinge ausgebildet. Und ich nehme schon wahr, mit welchen schulischen Leistungen teilweise die jungen Leute abgehen heutzutage von der Schule und was natürlich auch an Sauberkeit, an Pünktlichkeit, an Disziplin vorhanden ist, an Respekt. Das nehme ich schon sehr wahr, dass eine gewisse Verwahrlosung in unserer Gesellschaft stattfindet. Das fordere ich nicht bloß politisch ein, sondern natürlich auch von der gesamten Gesellschaft, dass das wieder auch Anerkennung findet.
May: Daran liegt das, dass die schulischen Leistungen Ihrer Auszubildenden schlechter geworden sind, glauben Sie, dass diese Werte tatsächlich fehlen?
Chrupalla: Diese Werte müssen vermittelt werden, Herr May, und das muss auch in der Schule passieren. Das ist genau das, was ich kritisiere. Wir beschäftigen uns mit Genderisierung. Wir verhunzen unsere Sprache. Daran erkennt man auch, dass in diesem Land etwas schiefläuft. Wer gibt eigentlich diesen Menschen der Genderisierung das Recht, unsere Sprache so zu verhunzen.
May: Und weil gegendert wird, kommen Ihre Auszubildenden zu spät? Habe ich das richtig verstanden?
Chrupalla: Das ist ein Punkt gewesen, Herr May. Ich habe gerade von Werten gesprochen, die in diesem Land wieder vermittelt werden müssen. Da müssen wir über unsere Identität, aber auch natürlich über unseren ganzen Wertekanon mal diskutieren.

Chrupalla kritisiert Sanktionen gegen Belarus

May: Herr Chrupalla, zu einem aktuellen außenpolitischen Thema möchte ich noch kommen. Belarus, die erzwungene Landung einer Passagiermaschine in Minsk und die Verhaftung eines Regime-Kritikers und seiner Freundin. Die EU hat mit strengen Sanktionen reagiert und alle Flüge von und nach Minsk gestoppt. Ihre Co-Spitzenkandidatin Alice Weidel kritisiert das. Alexander Gauland, der findet die Maßnahmen hingegen richtig, der Co-Fraktionschef. Wo stehen Sie da?
Chrupalla: Frau Weidel hat nach meiner Kenntnis die Sanktionen kritisiert und die kritisiere ich in dieser Form auch, weil wir haben ja bislang in den anderen Konflikten gesehen, zum Beispiel auch gegenüber Russland, in welcher Form überhaupt Sanktionen was bringen. Ich bin immer für den Dialog, der, denke ich, wichtig ist auch in diesem Bereich.
Auch wenn es mit schwierigen Machthabern anderer Länder zu tun hat, auch mit schwierigen Funktionsträgern in anderen Ländern, sollte man immer den Dialog suchen, um die Probleme zu lösen. Ob die Sanktionen auch in diesem Fall wirklich was bringen, bezweifele ich stark, und das hat auch Frau Weidel kritisiert.
Roman Protasewitsch wird von Polizisten abgeführt.
Nach Flugzeugentführung durch Belarus - EU reagiert mit Sanktionen 
Mit Empörung und Sanktionen hat die EU auf die erzwungene Landung einer Ryanair-Passagiermaschine in Belarus reagiert. Regimekritiker Roman Protasewitsch befindet sich in U-Haft.
May: Was wollen Sie noch mit Lukaschenko genau besprechen?
Chrupalla: Dialog heißt natürlich nicht, einseitig Forderungen zu stellen. Man muss natürlich schon sehr wohl erstens mal das gesamte Verfahren noch mal aufrollen, in welchen Formen überhaupt gegen diese Person, die jetzt dort festgenommen wurde, welche Vorwürfe vorliegen. Das muss man prüfen. Ich denke, das ist maßgebend.
May: Wer soll das prüfen?
Chrupalla: Dafür gibt es ja Gerichtsbarkeit, und wenn es die UNO ist.
May: Die UNO soll das prüfen?
Chrupalla: Der UNO-Sicherheitsrat kann sehr wohl dort überprüfen, in welcher Form hier Rechtsstaatlichkeit missachtet wurde und wie weit natürlich auch in den internationalen Luftraum eingegriffen wurde. Das muss man sehr wohl prüfen und da muss man natürlich gegebenenfalls auch Strafmaßnahmen durchsetzen. Inwieweit die hier zielführend sind, darüber muss man diskutieren.
May: Und Sie glauben, das ist nicht zielführend? – Ich frage mich, soll die UNO eine Resolution machen?
Chrupalla: Ja, zum Beispiel! Warum nicht!
May: Sie kennen natürlich die Gegebenheiten im UN-Sicherheitsrat. Da sitzt Russland. Russland ist enger Verbündeter von Weißrussland.
Chrupalla: Aber, Herr May, das ist doch genau der Punkt! Deswegen sage ich ja, ohne Dialog wird es nicht gehen. Was wollen Sie denn sonst machen? Wollen wir Belarus angreifen, wollen wir einen Krieg initiieren? Was wäre denn jetzt Ihre Lösung?
May: Ich frage Sie. Ich muss gar keine Lösungen hier vorschlagen.
Chrupalla: Dialog ist doch immer der bessere Weg, um Konflikte zu lösen. Das ist mein Ansatz. Das bezieht sich genauso auf Russland oder auf den Ukraine-Konflikt.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.