Archiv

Neues Album Greta van Fleet
Tonnenschwerer Grabstein

Drei Jahre nach ihrem Debütalbum melden sich Greta Van Fleet mit "The Battle At Garden's Gate" zurück: technisch avanciert, mit viel Pathos – und musikalisch völlig uninteressant- findet unser Kritiker.

Von Tim Baumann |
Zwei Männer stehen auf einer Bühne. Der Mann links hält ein Mikrofon in der Hand und singt. Der Mann rechts spielt Gitarre.
Eine Hälfte der Band Greta van Fleet: die Brüder Josh (li.) und Jake Kiszka (picture alliance/ Owen Sweeney)
Musik: "Heat Above"
Die ersten Takte von "The Battle At Garden's Gate" klingen feierlich, beinah sakral. Sam Kiszkas Orgelfläche breitet sich langsam aus – dann knüppelt Danny Wagners Schlagzeug den Auftakt zum zweiten Studioalbum von Greta Van Fleet.
Die vier Musiker aus Michigan feierten seit 2017 mit ihren EPs und dem Debütalbum "Anthem Of The Peaceful Army" nicht nur große Erfolge, sie sorgten außerdem für verbissen geführte Diskussionen unter Classic-Rock-Fans: Denn bislang klang das, was die drei Kiszka-Brüder und Drummer Danny Wagner produziert haben, verdächtig nach einem Neuaufguss von Led Zeppelin – nicht zuletzt wegen Josh Kiszkas Gesang, der in Stil, Lage und Timbre stark an Zeppelin-Frontmann Robert Plant erinnert.

Folk, Energie und ein freundliches Rumpeln

Auf "The Battle At Garden's Gate" ist aber eine Emanzipation vom Sound der britischen Hardrockpioniere zu erkennen. Wenn auch nicht in jedem Song – wenn sie etwa in "Built By Nations" quasi eins zu eins das Wechselspiel zwischen Gitarrenriff und Schlagzeug aus "Black Dog" stibitzen.
An vorherige Erfolge werden Greta Van Fleet mit diesem Album insgesamt nicht anknüpfen können. Denn der Sound, den sie jenseits ihrer Zeppelinhaftigkeit vor allem in der zweiten Hälfte des Albums produzieren, ist mit "langatmig", "selbstverliebt" und "anstrengend" noch sehr freundlich beschrieben.
Dabei überzeugen die ersten Stücke durchaus: Der Eingangstitel "Heat Above" wirkt mit seinen akustischen Gitarrenklängen über dem Hammond-Bett anfangs überraschend folkig, entpuppt sich aber durch Streichereinsatz und Chorgesang als angenehm vielschichtig. Über all dem thront die Stimme von Josh Kiszka – der sich hier bis zum unglaublich hohen As schraubt.
Auch der zweite Titel, "My Way, Soon", enthält viel von der Energie, die Greta Van Fleets gitarrengetriebene Musik bislang immer ausgemacht hat. Zwar ist das Haupt-Gitarren-Riff arg nah dran an einem ihrer großen Erfolgstitel, dem "Safari Song" aus ihrer ersten EP Black "Smoke Rising", der freundlich vor sich hinrumpelnde Refrain aber entschädigt ein wenig für diese Recycling-Aktion.
Musik: "My Way, Soon"

Pomp und Pathos

Hier aber endet der schnelle Beginn des Albums schon wieder. Denn der Großteil des mehr als einstündigen Werks ist von Stücken geprägt, die sich durch zumeist niedriges Tempo und ein äußerst geringes dynamisches Spektrum auszeichnen. Dafür ertrinken sie aber beinahe im Pathos. Etwa im Song "Age of Machine".
Musik: "Age of Machine"
In gemächlichem 4/4-Takt schleppt sich der Song dahin, Steigerungen oder auch nur Variationen in Tempo oder Dynamik gibt es nicht. Dafür eine monotone Fläche aus vier Gitarrenakkorden, sanft gebettet auf die Klänge der Hammondorgel. Und auch Sänger Josh Kiszka zieht hier – wie auch in so gut wie jedem anderen Song des Albums – die immergleichen Register, ob es nun passt oder nicht. Ein Chor ergänzt den Pomp im Refrain, der nach einer gefühlten Ewigkeit einsetzt, den Titel aber nicht retten kann.
Klar: Ein Song über das Maschinenzeitalter gibt eine robotische Form schon vor – leider aber prägt das, was man in "Age Of Machine" noch als Stilmittel deuten kann, auch den Rest des Albums – dann aber als kompositorischer Makel.

Technische Raffinesse allein ist nicht genug

Über Mängel in der Ausführung kann man hingegen nicht klagen – Greta Van Fleet verstehen ihr Handwerk: Gitarrist Jake Kiszka sprüht in seinen Soli vor technischer Raffinesse, Sam Kiszka macht an Bass und Hammond-Orgel gleichermaßen eine gute Figur und über die stimmlichen Qualitäten von Frontmann Josh dürfte es keine zwei Meinungen geben, was etwa in "The Weight Of Dreams" deutlich hörbar ist.
Musik: "The Weight Of Dreams"
Das aber rettet The Battle Of Garden's Gate leider nicht. Zu gravitätisch, zu pompös, letztlich zu gefangen in einem sich in jedem Song wiederholenden sinnlosen Gestus von Drama sind die Titel darauf geraten. Und so wird aus dem Album, das Gitarrist Jake Kiszka in Interviews als "Meilenstein" angekündigt hat für viele Fans der Band wohl eher ein Grabstein: bleischwer und unbeweglich.