Vor vier Jahren brachte Channy Leaneagh unter dem Namen Poliça ihr erstes Album heraus. Damals passierte etwas Eigenartiges: Das so verpönte Auto-Tune wurde im Zusammenhang mit der Band aus Minneapolis plötzlich anerkannt. Leaneaghs Stimme wurde durch die Effekte so auseinander gezogen, dass sie sich wie ein Schleier um die Stücke legen konnte. Damals folgte der Gesang noch den Instrumenten. Das hat sich mit dem neuen Album geändert.
"Seit ein paar Jahren haben wir keine Platte mehr rausgebracht und werden generell immer dafür kritisiert, dass wir zu viel mit Gesangseffekten und Auto-Tune arbeiten. Deshalb sollte gerade am Anfang meine Stimme extrem bearbeitet klingen", erklärt Channy Leaneagh.
Und täglich grüßt das Murmeltier könnte man nach den ersten zwei Minuten des dritten Poliça-Albums denken. Wieder also dieser so typische Gesang. Doch mit den Worten "Child finds the exit", das Kind findet den Ausgang, löst sich Leaneaghs Stimme schnell von den Geistern, die sie vor 4 Jahren gerufen hat. Endlich! Damit befreit sie sich von ihrer Unsicherheit aus den Anfangstagen.
Die Platte sollte eine kreative Herausforderung sein
"Viele Songs habe ich damals zum ersten Mal gesungen. Es war ein Happening. Ich bin sehr froh darüber, dass wir es in dieser Form veröffentlich haben, weil wir damit einen sehr besonderen Moment in unserer Geschichte eingefangen haben. Ich habe auch zum ersten Mal in Gegenwart von Ryan gesungen. Man hört diese Schüchternheit. Das dritte Album klingt eher so, wie wir live klingen."
Ryan Olson, intelligenter Produzent und heimlicher Kopf von Poliça, ist auch auf dem neuen Album wieder mit dabei. Geschrieben wurden die Stücke im heimischen Studio, als Band mit Synthesizer, Trompeten, einem Bassisten, und zwei Schlagzeugern. Letztere sorgen im Doppelpack dafür, dass die Songs stark grooven. Es wird viel mehr gejammt als auf den Vorgänger-Alben.
"Ich habe mir bei dieser Platte tatsächlich vorgenommen, über Sachen zu schreiben, die nichts mit mir zu tun haben. Das sollte eine Art kreative Übung sein, mit der ich mich selbst herausfordern wollte. Es ist sehr einfach, nur über sich selbst und das Verhältnis zu anderen Menschen zu schreiben. Oft komme ich zwar auch innerhalb der Songs auf meine Person zurück, aber den Ausgangspunkt sollte stets eine andere Person darstellen."
Angst, Solidarität und Politik
So steht der Albumtitel "United Crushers" für ein solidarisches Gefühl und nicht nur für die persönlichen Befindlichkeiten von Leaneagh. Gefunden hat sie die Worte an einer Hauswand in ihrer Heimatstadt. Sie bedeuten so viel wie: "Gemeinsam durchbrechen!"
"Das ist ein Graffiti in Minneapolis. Es ist quasi eine Hommage an Minneapolis und will sagen, dass wir gemeinsam einen Gegendruck auf die bösen Mächte der Dunkelheit ausüben müssen. Gemeinsam erschaffen wir etwas Gutes."
Besonders die Schwangerschaft von Leaneagh veränderte den Blickwinkel. Während der Aufnahmen wurde sie zum zweiten Mal Mutter. Die Sorge um die Zukunft ihrer Kinder steht im Vordergrund. Die Stücke handeln unter anderem von dem Niedergang US-amerikanischer Städte, der Gentrifizierung und sozialer Ungerechtigkeit. Ein klares Statement gibt sie dazu auch in dem Video zu dem Song "Wedding" ab. Es ist eine Kopie eines Sesamstraßen-Clips. Unterbrochen werden die Bilder von Videomaterial, das Polizeigewalt zeigt.
"Ich will Kinder großziehen, die sich um ihre Geschwister und Freunde kümmern. Auch wenn man selbst nicht von Polizeigewalt und Unrecht betroffen ist, soll man im Namen der Opfer dagegen ankämpfen. Seit Jahrhunderten passieren dieselben Dinge in Amerika. Schwarze Männer und Frauen werden von der Polizei getötet. Das muss sich ändern. Die Gewalt, die mit Schusswaffen ausgeübt wird, muss generell gestoppt werden."
Ist "United Crushers" also politisch? Jein. Es ginge doch im Endeffekt nur um die eigenen Ängste, so Leaneagh. Aber das Aufstehen und sich Wehren macht die Stücke eben politisch. Und Poliça dabei zuzuhören, wie die Band zum ersten Mal auf Albumlänge ihr Leiden in positive Energie umwandelt, ist erfrischend.
"Das Leben ist zu kurz, um Angst zu haben. Ich hasse es zum Beispiel zu fliegen, aber man muss sich überwinden und tapfer sein. Man darf kein Leben in Angst führen."