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Neues Album von Bear’s Den
Das sanfte Zwei-Mann-Orchester

Bear’s Den aus London werden oft mit Mumford & Sons verglichen, aber das Duo verbindet doch auf ganz eigene Art Folk mit Rock und Akustik mit Elektronik sowie sehr persönlichen Texten: „Kommunikationsprobleme sind ein zentrales Thema“, sagen sie über ihr drittes Album „So That You Might Hear Me“.

Von Bernd Lechler |
Duo Bear’s Den: Andrew Davie (l.) und Kevin Jones sitzen vor einer bunten Wand mit Comic-Figuren
Duo Bear’s Den: Andrew Davie (l.) und Kevin Jones (Sequoia Ziff)
"Damit du mich erhörst, machen sich meine Worte manchmal so zart wie die Spuren der Möwen auf dem Strand", so beginnt ein Liebesgedicht des chilenischen Nobelpreisträgers Pablo Neruda. Was sagt es über eine Band aus, wenn sie sich so eine Zeile Poesie als Albumtitel borgt: "So That You Might Hear Me" - zum Beispiel, dass Bear’s Dens Texter Andrew Davie nicht von Anfang an klar war, was er eigentlich sagen wollte:
"Kommunikationsprobleme sind ein zentrales Thema des Albums, und dieses Gedicht beschreibt wunderbar, wie Worte manchmal scheitern. Außerdem wirkt es, als würde sich Neruda erst beim Schreiben über sich klar. Und ich war bei diesem Album auf einer ganz ähnlichen Reise."
Sonntag ist kein guter Tag zum Aufnehmen
Die Reise begann erstmals im eigenen kleinen Studio im Anbau einer Kirche. Man meint dem Album anzuhören, dass die beiden dadurch mehr Zeit hatten - die elektronischen Elemente etwa klingen ausgetüftelter und eigenständiger als zuvor. Sie hätten sich, sagen sie, mit ihren Geräten nun auch mal richtig beschäftigen und länger an einem Song arbeiten können. Gestört haben höchsten mal die Kirchenglocken.
"Yeah, Sundays! Sunday’s not a good day to record, haha."
Davies Texte sind poetisch, metaphernreich, rätselhaft - aber auf Nachfrage erklärt er ganz offen, wer da etwa im Song "Hiding Bottles" Flaschen versteckt:
"Da geht es ganz klar um den Umgang meiner Mutter mit Alkohol - und wie ich diesem Thema auswich, statt es anzusprechen. Aber auch um meinen eigenen Umgang damit und den vieler Leute: Dass man damit versucht, etwas abzuwehren. Dabei trinkt man doch am besten, um die Gefühle zu verstärken, die man gerne hat!"
"Laurel Wreath", der Song mit dem Lorbeerkranz, kritisiert eine überkommene Idee von Sieg und Mannsein und feiert die Verletzlichkeit. "Crow" basiert auf dem Roman "Trauer ist das Ding mit Federn" von Max Porter - ein schlichter Walzer, und nicht ohne Grund, erklärt Kevin Jones, der mehr für die musikalischen Finessen zuständig ist:
"Ein bewährter Weg, Songtexte musikalisch umzusetzen, ist: einfache Akkorde und eine vertraute Taktart zu verwenden. Du begreifst sofort: ‚Das kenn‘ ich, das verlangt keine Konzentration, ich kann einfach in das eintauchen, was gesagt wird.’"
Manche abgründige Zeile wird arg weich bettet
Jones hört sehr genau hin, was Kollege Davie so dichtet. Und versucht es teils sehr detailliert umzusetzen.
"Im Buch kommt diese Krähe zu der trauernden Familie, erst mit ihr wird auch die Trauer verschwinden. Im Song überrollt ein Sound am Ende alles andere - und hört dann plötzlich auf. Und nur ein Klavierton bleibt, der steht für die eine Feder, die noch daliegt und an die Krähe erinnert."
Sparsam arrangierte Stellen hätte das Album vielleicht noch mehr vertragen. Die meisten Songs beginnen zart und schwellen dann zu einem mächtigen Finale an, zu einer Klangwolke, die manche abgründige Zeile arg weich bettet. Ist auch Geschmackssache, klar - man kann das auch einfach schön finden, und es wird nie wirklich bombastisch, dank der klar spürbaren Haltung dieser zwei offensichtlich eng befreundeten, sensiblen bärtigen Bärentypen, denen jegliche rockistische Breitbeinigkeit fernliegt. Trotzdem auffällig, dass in Rezensionen ihrer Alben recht oft das Wort "majestic" auftaucht. Majestätisch klingen - ist es das, was sie anstreben? Nicht wirklich, sagen sie.
Andrew Davie: "Wir mögen einfach Hörner, plakative E-Gitarren, wuchtige Trommeln… wobei es immer ums Gesamtbild geht; wir fragen uns dann: Wie wirkt dieses Element mit jenem zusammen? Wie wird es interessanter? Aber wenn man all diese Schichten aufbaut, dann entsteht eben etwas Orchestrales - nur mit modernen Instrumenten."
Wobei "modern" nicht heißt: aktuell. Bear’s Den beziehen sich kaum auf das, was in der Popmusik sonst so passiert, weder um mitzumischen, noch um avantgardistisch davonzuziehen. Nur im eigenen Kosmos entwickeln sie sich weiter, diesmal weg von den eindeutigen Folk-Bezügen des Debüts, weg von den 80er-Jahre-Einflüssen des Vorgängers, und sind nochmal ein Stück eigenständiger in ihrem Wohlklang mit Tiefgang.