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Neues Album von Father John Misty
"Unsere Gesellschaft basiert auf Entertainment"

Die Karriere von Joshua Tillman als Singer/Songwriter begann langsam und leise - bis er für sich herausfand, wie verlogen er das ganze Popgeschäft findet. Seit 2012 macht er als Father John Misty alles anders – und spart auf dem aktuellen Album auch nicht mit Kritik an der Politik.

Von Ina Plodroch |
    Der US-amerikanische Rockmusiker Father John Misty.
    Der US-amerikanische Rockmusiker Father John Misty. (picture alliance / dpa / PIAS Cooperative)
    Willkommen im Zeitalter der Unterhaltung und dem dritten Album von Father John Misty. "Pure Comedy".
    Eigentlich ist es schon sein elftes, weil er als Singer/Songwriter J. Tillmann schon auf etlichen Alben melancholisch und introvertiert an der Gitarre herumgezupft hat. Doch seit er sich Father John Misty nennt, mittlerweile den Vollbart zu einem Oberlippenbärtchen reduziert hat - holt er zur großen Pop-Geste aus.
    Kritik an der Entertainment-Gesellschaft
    Sein Song "Total Entertainment Forever" klingt wie die verheißungsvolle Versprechung, dass bald alles gut werde, wenn arm und reich gleichermaßen unterhalten werden und jeder Fernseh- und Radiosender gleich sein wird. Wie eine sozialistische Idee, die sich doch als ein Unterhaltungs-Diktat entpuppt. In der sich die Menschheit zu Tode amüsiert.
    "Ich habe nichts gegen ein bisschen Unterhaltung. Aber es ist ein Problem, wenn eine ganze Gesellschaft auf Entertainment basiert. Wir schauen Nachrichten, als wäre es Unterhaltung. Auch Religion ist Entertainment. Es ist zu einem gängigen Muster geworden, und das ist wirklich bedenklich. Weil es eben darum geht, sein Leben zu vergessen. Kunst ist hingegen ein Mittel, um sich an das Leben zu erinnern."
    Aber wie ernst kann so eine Kritik schon gemeint sein, wenn er gleichzeitig für Beyoncé und Lady Gaga Songs geschrieben hat? In manchen Interviews erklärt er, warum er dies tut. In diesem hat er keine Lust, davon zu erzählen. Nur so viel:
    "Die Leute sollten mehr von Herzen schreiben und sich nicht von kapitalistischen Zwängen leiten lassen, die vorgeben, dass ein Song ein Produkt sein muss. Was mich wirklich an der Musikwelt beunruhigt, ist, dass die Produzenten wissen, wie sie Leute dazu bringen, das zu lieben, was sie produzieren – dass sie also letztlich Geld drucken können."
    Seine Kritik ist keine Masche: Obwohl ihn Major-Labels unter Vertrag nehmen wollen, ist er beim Indie Label Sub Pop geblieben. Popmusik: die Kommerzschleuder – die Kritik ist so alt wie Bob Dylan. Doch das ist das Seltsame: Father John Misty dröselt sie so gekonnt in seinen Songs auf, dass es nicht platt wirkt, wenn er sich über die Verlogenheit beschwert und auf die Algorithmen der Streamingdienste schimpft.
    "Was hat das alles zu bedeuten?"
    Er ist also eher der Punker unter den Popstars, der sich nicht um sein Image schert. In Interviews erzählt er, dass er gerade LSD genommen hat, "seine eigene Medikation gegen seine Depression". Und auf seinem Album "Pure Comedy" stellt er die ganz große Frage:
    "Es geht darum: 'Was hat das alles zu bedeuten?' Das ist eine typische Erwachsenenfrage. Und daher kommt auch der Humor in meiner Musik, weil ich dann denke: Ein Album über diese Frage - was soll das denn, habe ich das gerade wirklich gedacht?"
    Genau das macht Father John Misty zu einem der spannendsten und vielschichtigsten Musiker dieser Zeit. Um diese große Frage zu beantworten, tritt er tatsächlich gedanklich ins Weltall und schaut von oben auf die Erde. Das klingt schon wieder genau so absurd-lustig, wie alles bei ihm. Halb Ironie, halb ernst.
    Vielschichtig und ohne Plattitüden
    Seine Antworten auf die "Was-soll-das-alles-Frage" sind in großen Teilen vielschichtig und ohne Plattitüden, wie sonst in Popsongs üblich. Da ist der Mann, der vor seinem Tod noch schnell seinen Facebook-Feed checkt, um zu wissen, was er im Jenseits verpassen wird. Den Song "Two Widly Different Perspektives" hat er lange vor Trumps Wahl geschrieben, und doch analysiert er in wenigen Songzeilen die politische Lage Amerikas gekonnt: Auf der einen Seite die Konservativen, auf der anderen die Liberalen. Irgendwie wollen doch beide das gleiche – und driften trotzdem im Hass auseinander.
    Nach gut 70 Album-Minuten verheddert er sich dann doch zu sehr im Universum. Und es ist gar nicht so klar, "was das alles soll". Aber vielleicht ist auch genau das wieder so ein Father John Misty-Streich – was wissen wir schon über uns und die Welt? Irgendwie: nichts. Und das ist eben die pure Komik.