Christoph Reimann: Jasmin Tabatabai, der Song "Puppet on a string" war zu hören Ende der Neunziger im Film "Bandits". Vier Frauen, gespielt von Katja Riemann, Nicolette Krebitz, Jutta Hoffmann und eben Jasmin Tabatabai. Die Frauen, die nutzen im Film einen günstigen Moment, brechen aus dem Gefängnis aus, machen Musik und werden noch auf der Flucht zu Popstars. Und mit Jasmin Tabatabai spreche ich jetzt. Guten Tag!
Jasmin Tabatabai: Hallo, guten Tag!
Reimann: Frau Tabatabai, "Bandits", das ist ja schon Ihr bekanntester Film, und jetzt haben Sie nicht nur den gerade gehörten Song, sondern eben noch zwei weitere Songs aus diesem Soundtrack noch mal neu aufgenommen. Was erzählt er Ihnen denn jetzt noch, dieser Song, jetzt neu aufgenommen im Jazzgewand?
Tabatabai: Für mich ist dieser Song einer, den ich mal vor, weiß ich nicht, 23 Jahren oder so, in der Küche meiner WG geschrieben habe auf einer Gitarre. Und mittlerweile ist es wie so ein erwachsenes Kind, das schon völlig selbstständig ist und sein eigenes Leben so entwickelt hat und weiter geführt hat.
Ich fühle mich einerseits so abgenabelt davon, andererseits bin ich so stolz, wie man auf ein Kind ist, das so seine eigenen Wege geht. Aber ich finde es immer noch erstaunlich, dass ich den Song überhaupt noch singen kann, ohne dass er mich langweilt. Und ich glaube, das geht nur, weil wir ihn eben neu interpretieren.
Reimann: Es ist ein sanfter Jazz. Es gibt instrumentellen Jazz, und es gibt auch eine sanftere Form, das ist so der Pop-Jazz, so ein bisschen auch der – so die verbürgerlichte Form vom Jazz, die eingängige Version vom Jazz.
Tabatabai: Die verbürgerlichte – ja, vielleicht. Ich muss Ihnen auch ehrlich sagen – gut, das ist wahrscheinlich böse, wenn ich jetzt dieses Wort sage, aber so ein Dudel-Jazz, also einer, der sehr kopfig ist und sehr improvisiert, der passt auch gar nicht jetzt zu dem, was ich mache, glaube ich. Es ist sicherlich was Eingängiges. Ich mag auch gern eingängige Musik, also es ist kein Problem.
Ich habe immer eher sanft gesungen
Reimann: Ich hatte mich ein bisschen gewundert bei dem Sound, denn wenn man so an Ihre Filme denkt, dann spielen Sie oft so taffe Frauenrollen. Und jetzt so ein eingängiger Sound, da dachte ich, wie passt das zusammen?
Tabatabai: Ich finde, das passt hundertprozentig zusammen, und ehrlich gesagt, diese Schublade der Taffen verstehe ich, wird oft so aufgemacht, oder da werde ich gern mit in Verbindung gebracht. Aber wenn man genau hinschaut, auch auf meine Kompositionen – so Rockröhre war ich nie. Ich habe immer eher sanft gesungen.
Reimann: Das mit dem Passen, das muss ich vielleicht auch noch erklären. Ich kam darauf eben auch wegen dieses Songs. Aller guten Dinge sind drei, das ist so eine Geschichte eines Familienalltags, wo die Mutter, die Sie da so ein bisschen in diese Rolle singen, reingehen, eigentlich mehr Managerin ist, es ist relativ chaotisch, und das eine Kind pinkelt auf den Teppich, das andere kommt mit schlechten Noten nach Hause. Also so ein Mutti-Song sozusagen, und sie selbst haben drei Kinder zu Hause.
Tabatabai: Genau. Ich habe drei Kinder, und witzigerweise ist dieser Song aber von einem Mann geschrieben, nämlich vom großartigen Reinhard Mey, und dazu auch noch vor über 30 Jahren. Und der passt einfach. Ich glaube, jeder, der mehrere Kinder hat, also wo die Kinder so in der Mehrzahl sind, der kennt solche Situationen. Und ich finde den Text einfach nur wunderbar und so lustig.
Reimann: Gerade haben Sie Reinhard Mey angesprochen. Den Titel der Platte, den haben Sie allerdings von Georg Kreisler. Was sagt man zu den Menschen, wenn man traurig ist. Und das Lied, das interpretieren Sie ja auch auf diesem Album. Die Antwort, die der Song gibt, die lautet: Was macht man? Ja, man macht nichts, man lächelt einfach. Ist das…
Tabatabai: Man sagt nichts, damit man lächeln kann.
Reimann: Genau, damit man lächeln kann.
Tabatabai: Das ist eine der Antworten, die er gibt, und ...
Reimann: Ist das die beste Antwort?
Tabatabai: Weiß ich nicht. Wissen Sie, jeder geht mit seiner Trauer anders um. Was ich wichtig finde, ist, dass Trauer ein ganz wichtiges Gefühl ist, was man auch braucht, um vielleicht auch empathischer empfinden zu können oder so. Dass es aber halt in unserer Gesellschaft ganz allgemein als etwas gilt, was vielleicht sogar tabu ist, was man einfach nicht so gern zeigt, was man nicht so wahrhaben will und was so als Schwäche gilt. Ein trauriger Mensch, der gilt so als schwach.
Ich habe das sehr stark empfunden mit 19, als mein Vater verstorben ist und ich zu seiner Beerdigung in den Iran gefahren bin – das letzte Mal, das ich in dem Land war. Und da habe ich wirklich gesehen, wie unterschiedlich in diesen beiden Kulturen, also in der deutschen und der iranischen, mit einem Trauerfall umgegangen wird.
Tabatabai: Im Iran wird Trauer richtig zelebriert
Reimann: Nämlich?
Tabatabai: Wie gesagt, hier, dass man – dass es halt eher etwas ist, worüber man ungern spricht. Und im Iran wird das richtig zelebriert. Da spricht auch jeder darüber. Jeder umarmt einen. Es wird sozial ganz anders aufgefangen. Allgemein hatte ich das Gefühl, dass man in Deutschland oder im Westen mit seiner Trauer auch vielleicht ein bisschen mehr alleine ist als in Ländern, wo einfach die Familienstrukturen auch noch anders funktionieren.
Reimann: Ein Song auf der Platte, der ist ja ein persisches Volkslied. Welche Beziehung haben Sie denn heute noch zum Iran?
Tabatabai: Es ist das Land meiner Kindheit, es ist da, wo ich aufgewachsen bin, und ich habe natürlich noch eine sehr, sehr starke Verbindung dazu. Dieses Lied ist in der Tat eines der bekanntesten persischen Volkslieder.
Reimann: "Gole Sangam" …
Tabatabai: "Gole Sangam", "Ich bin die Blume aus Stein" ist die Übersetzung. "Wenn du, wie die Sonne, nicht auf mich strahlst, dann verblasse und erkalte ich." So fängt der Text an. Und das ist natürlich ein Liebeslied, ein trauriges Liebeslied, weil das sind die beliebtesten im Iran. Und mein Vater hat das zum Beispiel sehr gern gehört, und ich erinnere mich, wie er immer auf der Terrasse saß und rauchte und traurige Musik aus dem Radio hörte und dabei weinte. Und das ist so ganz normal im Iran. Da ist nichts dabei, das wird auch nicht als unmännlich empfunden oder so. Ich weiß, die deutschen Männer weinen nur beim Fußball.
Iran: Rückbesinnung auf eigene Erzähltraditionen
Reimann: Beobachten Sie denn auch die Filmszene im Iran. Interessiert Sie das?
Tabatabai: Natürlich, das sind ganz großartige Filme. Es gibt diese tolle Erzähltradition im Iran, und man hat fast das Gefühl, dass – also auf jeden Fall ist der iranische Film heute sehr viel besser, als er es war vor der Revolution. Vielleicht ist diese starke Zensur und dieses starke Ausklammern oder dieses – man darf sich ja nicht an den Amerikanern so orientieren, weil das gilt ja als schlecht oder so. Und vielleicht hat das auch zu so einer Besinnung auf die eigenen Erzähltraditionen wieder geführt oder so. Ich kann mich erinnern, als Kind – der iranische Film war in der Regel ein B-Movie. Alles blondierte Frauen, die dann singen und tanzen, also wie man sie oft auch aus anderen orientalischen Ländern oder aus Indien kennt. Bollywood. Also so absolute B-Movies. Und jetzt haben die eine solche Qualität und so eine Tiefe. Ich liebe iranische Filme. Ich sehe sie auch sehr gerne.
Reimann: Bei Ihren eigenen Filmen, da haben Sie, habe ich das Gefühl, da haben Sie so ein bisschen zurückgefahren. Also gerade Anfang der Nuller-Jahre, da haben Sie ja noch ziemlich viele Filme gedreht, und zuletzt hat man Sie gesehen vor allen Dingen in der ZDF-Serie "Letzte Spur Berlin". Ich habe es schon vorhin gesagt, Sie haben jetzt drei Kinder zu Hause. Das jüngste Kind, ich glaube, so zwei, drei Jahre alt, noch ziemlich klein.
Tabatabai: Im August wird er drei, ja.
Reimann: Da mussten Sie doch einfach ein bisschen zurückstecken, ein bisschen zurückfahren, oder?
Tabatabai: Ja, zum einen zurückfahren, zum anderen, also – es ist ja nicht ganz so richtig. Ich arbeite eigentlich so viel wie noch nie. Aber ich mache nicht mehr so viel Kino, was oft einfach medienmäßig mehr Aufmerksamkeit erfährt, sondern ich mache jetzt schon, bereits in der sechsten Staffel, eine erfolgreiche Serie. Und da habe ich eine der Hauptrollen, und das heißt, dass ich eigentlich das halbe Jahr über auch damit beschäftigt bin. Und dann will ich natürlich noch gerne meine Familie sehen, noch ein bisschen Musik machen, und da bleibt einfach nicht so viel Zeit, um jetzt jede – natürlich drehe ich auch noch andere Sachen nebenbei, aber ich – Sie haben schon recht, ich kann da jetzt gar nicht so wahnsinnig viel machen im Moment. Das sind die Kompromisse, die man machen muss, wenn man eine Familie haben will und seine Kinder auch sehen will.
Reimann: Laura Tonke, Schauspielkollegin, Gewinnerin des Deutschen Filmpreises 2016, doppelt, die hat vor Kurzem in einem Interview gesagt, "'Tja, ab und zu wird man halt vergessen, das ist normal. Normal für die Branche, für die Filmbranche."
Und Tonke hat auch eine Pause gemacht, weil sie ein Kind bekommen hat. Muss man sich damit abfinden? Ist es so, dass es dann zum Selbstläufer irgendwie wird, dass man dann auch weniger Angebote bekommt, einfach weil man sich zurückziehen muss aus familiären Gründen?
Tabatabai: Kaum Rollen für Frauen über 40 im deutschen Kino
Tabatabai: Ich glaube, ja, vielleicht, es ist bei Frauen sicherlich ein großer Nachteil, in Anführungsstrichen für die Karriere, wenn man erst einmal natürlich weg vom Fenster ist, sagen wir mal, zwei Jahre Kind. Es ist ja bei Schauspielerinnen auch so. Man sieht es ja, ob man schwanger ist oder nicht. Und ich hatte zum Beispiel jetzt das Glück, dadurch, dass ich in der Serie war, hat man die Schwangerschaft sozusagen eingebaut in die Rolle. Im Endeffekt habe ich sechs Wochen pausiert und war dann wieder da. Aber das ist beim Kino natürlich nicht möglich. Da muss der Film entweder komplett verschoben werden oder es wird eine andere Schauspielerin engagiert, was im Regelfall passiert.
Hinzu kommt, dass wir ein unglaubliches Ungleichgewicht haben. Das ist aber ein völlig andere Diskussion. Was Rollen für Frauen im Kino – ich rede nicht vom Fernsehen, aber generell im Kino, im Mainstreamkino – Rollen für Frauen über 40, da gibt es mittlerweile ganz sachliche Erhebungen, dass es kaum Rollen gibt, die nicht gerade dem Mutti-Klischee auch – ich habe schon das Wort Mutti-Song von Ihnen gehört. Das sind natürlich so diese Klischees, mit denen man konfrontiert wird, wenn man eine Familie gründet. Und das empfinde ich auch sehr, sehr oft und stark in Deutschland, dass dann die sogenannte Mutti-Schublade so aufgemacht wird. Vor allem, wenn man mehrere Kinder hat. Und dann heißt es so: Na, jetzt kommt die Mutti, Mutti und so weiter.
Und auch da muss ich sagen, erhoffe ich mir doch für die Zukunft ein bisschen mehr Entspanntheit, weil ein Mensch ändert sich ja nicht komplett, nur weil er irgendwie jetzt ein Kind hat. Aber Tatsache ist, dass es einfach für Frauen, die nicht mehr 25 sind, auch einfach sehr wenige Rollen gibt im deutschen Kino. Da muss man sich, wenn man arbeiten will, früher oder später auch zum Fernsehen hin orientieren, wo es einfach auch mehr Rollen gibt, oder eben auch andere Sachen machen. Das ist so.
Reimann: Jasmin Tabatabai. Die neue Platte heißt "Was sagt man zu den Menschen, wenn man traurig" ist. Haben Sie vielen Dank für das Gespräch!
Tabatabai: Ich danke Ihnen!
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