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Neues Album von Tokunbo
"Wir waren immer sehr klangaffin"

Warum beendet man eine Band nach durchaus erfolgreichen 15 Jahren? Um etwas Neues zu kreieren. So tat es Tokunbo mit ihrer Soul-Jazz-Band "Tok Tok Tok". Nun ist sie bereits mit dem zweiten Album solo unterwegs und malt transparente Pop-Klangbilder: "Meine Fans erwarten eine gewisse Qualität", sagte Tokunbo im Dlf.

Tokunbo im Corsogespräch mit Anja Buchmann | 17.02.2018
    Die Musikerin Tokunbo, die mit der Acoustic-Soul-Band Tok Tok Tok ihre Karriere bekann.
    Es hat sich als Gesamtklangwerk entwickelt, sagt die Musikerin Tokunbo über ihr neues Album (Anne de Wolff)
    Anja Buchmann: Die Soul- und Jazz-Affinen kennen sicher noch die Band Tok Tok Tok. 15 Jahre lang gab es die, im Grundgerüst bestehend aus der deutsch-nigerianischen Sängerin Tokunbo Akinro und dem dänischen Saxofonisten Morton Klein. Akustik-Soul mit dezenten Jazzanteilen; fünfmal haben sie den deutschen Jazz Award gewonnen. Eine Auszeichnung des Bundesverbands Musikindustrie, für mehr als 10.000 im Inland verkaufte Tonträger. Im Jazz schaffen das tatsächlich nicht viele Bands und Musiker. Jedenfalls: 2013 wurde Tok Tok Tok beendet und Tokunbo hat sich allein auf den Weg gemacht. Nun erscheint ihr zweites Album "The Swan". Ich habe die Musikerin vorgestern gesprochen und sie auch gefragt, wo sie Veränderungen im Vergleich zu ihrer ersten Solo-CD "Queendom come" sieht.
    Tokunbo: Ich habe ja den Begriff 'Folk Noir' geprägt für das erste Album "Queendom Come" und wir haben diesen Stil schon etwas weiter getragen mit dem neuen Album. Es ist...
    Buchmann: Es ist nicht mehr so 'noir' auf jeden Fall.
    Tokunbo: Ja. Vielleicht nicht mehr so noir, aber insgesamt denke ich, ist schon so ein bisschen eine dunkle Grundierung in der Musik, und gleichzeitig hat es aber auch was Schwebendes und ist ein großes Gesamtklangwerk, finde ich, was sich entwickelt hat. Und was wir als Vision hatten für dieses Album, es ist sehr filigran, sehr vielschichtig und im Songwriting hat sich insofern etwas entwickelt, für mich war es textlich gesehen ein großes Anliegen, eine neue Stimme zu finden auch für die Texte und für die Geschichten. Das erste Album "Queendom Come", das war sehr retrospektiv, ich habe viele Songs Menschen gewidmet in meinem Leben, die mich geprägt haben als junger Mensch. Und in diesem Album geht es um Situationen im Hier und Jetzt.
    Buchmann: Also eine neue Stimme heißt auch für Sie eine aktuellere Stimme?
    Tokunbo: Ja. Eine aktuellere Stimme, aber auch eine Stimme, die, ich wollte eine assoziativere Sprache finden für die Texte. Ich habe bei Queendom wirklich sehr konkrete Geschichten erzählt und konkrete Situationen beschrieben. Und diesmal wollte ich das ein bisschen öffnen für Assoziationen und habe auch kleine literarische Zitate mit reingebracht, weil das auch etwas ist, was mein Leben begleitet.
    Buchmann: Zum Beispiel?
    Tokunbo: Das kann man sehr schön hören in dem Song "Headlights", das ist so ein ziemlich, ja, vielleicht schon eines der dunkleren Lieder auf dem Album und da geht es um ein großes Beziehungsdrama, und da habe ich einfach nach Bildern gesucht, die das rüberbringen können, die das darstellen können. Diese Gefühlswelt, die stattfindet, wenn ein Bruch passiert oder wenn es richtig knallt.
    Buchmann: Und da haben Sie mit literarischen Zitaten gearbeitet, die Sie jetzt nicht nennen möchten?
    Tokunbo: Doch, doch. Ich bin ein bisschen zu Shakespeare gegangen, aber ich habe eben auch aus der Poesie, aus der Lyrik, habe ich auch Bilder gewählt, die man so kennt, wenn man sich damit beschäftigt, für bestimmte Emotionen oder für Situationen.
    "Ich habe die Hoffnung, dass Menschen zusammenkommen"
    Buchmann: Was ist das bei Ihnen für ein Zusammenspiel zwischen Text und Musik, Melodie, Harmonie, Rhythmik? Immer die berühmte Frage: Was kommt zuerst? Ist das bei Ihnen etwas, was sehr stark miteinander verzahnt ist oder gibt es da schon so eine gewisse Reihenfolge?
    Tokunbo: Beides. Es ist, auf der einen Seite gibt es eine Reihenfolge. Normalerweise schreibe ich erst die Musik, und es beginnt an der Gitarre bei diesem Album, weil das die Gitarre, die das als dominierendes Kompositionswerkzeug da war, und dann kommt der Text. Allerdings war es auch bei "The Swan" so, dass ich schon Textfragmente hatte, für die ich dann musikalisch wiederum mehr auf die Suche gegangen bin. Und gleichzeitig ist es am Ende so, dass das Ganze sehr verzahnen soll und verschmelzen soll und das eine das andere Element unterstützen soll und ja, die Stärke noch rausbringen soll. Sowohl der Text aus der Komposition und umgekehrt.
    Buchmann: "White Noise" ist ein Titel, der sich - ich würde mal sagen - mit der aktuell schwierigen Weltlage beschäftigt, aber auf eine sehr persönliche Art und doch eher positiv. Also ein kleines Zitat wäre - aus dem Refrain glaube ich - "Through the white noise in a low whisper, courage will be singing her song". Das heißt, Sie sind eigentlich, im Grunde, eine Optimistin?
    Tokunbo: Genau, absolut, durch und durch. Das war mir ein Anliegen, dass dieser Song zwar sich damit beschäftigt, mit dem, was in unserer Welt schon verstörend sein kann oder auch, ja, zum Teil leider auch deprimierend. Aber gleichzeitig habe ich immer wieder die Hoffnung, dass Menschen zusammenkommen, dass man sich beschäftigt überhaupt. Dass man auch in einen Zustand kommt, sich nicht einfach nur davon überrollen zu lassen, sondern Gedanken zu machen, sich auszutauschen und jeder auf seine eigene Art und Weise einen Beitrag leisten kann, sei es nur, in dem man ein Bewusstsein entwickelt.
    Buchmann: Das wäre die anschließende Frage, die sich mir da stellt. Es wird ja zurzeit auch gerne diskutiert, eine Art von "Verantwortung" von Musikern und Musikerinnen, Künstlern allgemein, Stellung zu beziehen zu schwierigen politischen Entwicklungen, politisch zu sein. Wie sehen Sie das?
    Tokunbo: Ich sehe das nicht als Verpflichtung. Das wäre zu viel, das kann nicht jeder leisten. Aber es ist eine Möglichkeit. Als Musiker oder Musikerin hat man die Möglichkeit, viele Menschen zu erreichen. Und das ist natürlich schön, wenn man das wahrnehmen kann und wenn man auch eine Sprache finden kann, die das transportiert. Das ist eben auch nicht so leicht, das war auch ein Punkt, der für mich ganz wichtig war, dass es eben nicht plakativ ist. Ich wollte mit Bildern arbeiten, die ein bisschen subtiler sind. Ich freue mich sehr, wir haben ja ein Video dafür gedreht, für die Plattform 'Demotapes.org', die gegründet wurde für Musik, die politische Dinge anspricht. Und viele Musiker sind dabei und die Hoffnung war dabei, eben die Hörer mitzureißen, mit dabei zu sein und sich zu beteiligen, und in dem Fall ging es um die Bundestagswahl.
    "Meine Fans erwarten eine gewisse Qualität"
    Buchmann: Der Sound auf Ihrer Platte ist wirklich astrein - sehr räumlich, kristallklar, transparent würde ich sagen. Sind Sie eine Klangästhetikerin, eine richtige Perfektionistin diesbezüglich?
    Tokunbo: Absolut. Das ist natürlich auch meiner Geschichte mit Tok Tok Tok geschuldet. Wir waren immer sehr klangaffin, und das war ein ganz wichtiger Faktor, und das hat sich weitergetragen. Und freue mich einfach riesig, dass wir alle gemeinsam in meiner Band und in meinem Team da auf einer Fährte sind und dass wir da dann auch noch im Mix und Mastering mit Marc Ebermann von den Music Factory Studios arbeiten konnten, der unsere Vision sehr, ja, fein herausgearbeitet hat und auch ein Klangperfektionist ist. Und meine Fans, die natürlich auch noch aus der Tok Tok Tok Zeit stammen, die erwarten auch eine gewisse Qualität. Und ich freue mich sehr, dass wir das mit diesem Album auch so umsetzen konnten, wie ich mir das vorgestellt habe. Und es wird auch eine Vinylausgabe dazu geben, und da gibt es ein extra Vinyl Mastering, wo dann nochmal, noch mehr Klangtiefe durch eine größere Dynamik zu erleben ist, und darüber freue ich mich sehr.
    Buchmann: Aber Sie haben es jetzt nicht in Jazz-Manier alle gemeinsam aufgenommen, sondern schon nacheinander?
    Tokunbo: Wir haben Teile zusammen aufgenommen, aber dann wurden ja auch Sachen, also Tracks, geloopt oder auch gebastelt - das ist jetzt besonders dann auch im Schlagzeugbereich gewesen - sodass wir da ein halbes Baukastenprinzip hatten und gleichzeitig aber auch viele Live-Teile.
    Buchmann: Die Songs wirken auch sehr entspannt, sehr gelassen, sehr ruhig. Sie schreiben in den Liner-Notes, dass zum Teil der Zeitpunkt ihres Komponierens auch morgens so zwischen zwei bis vier Uhr war, weil Sie eben ein junges Kind oder Baby noch haben. Hat sich diese Zeit des Schreibens auch auf die Art der Songs ausgewirkt?
    Tokunbo: Das weiß ich nicht genau, das kann ich nicht so sagen. Aber was sich natürlich darauf ausgewirkt hat, war die Tatsache, dass ich Mutter geworden bin und dass ich so ein zartes Wesen plötzlich mir anvertraut habe.
    Buchmann: Wie alt ist dieses zarte Wesen?
    Tokunbo: Jetzt drei inzwischen schon. Jetzt nicht mehr ganz so zart, aber am Anfang, als eben auch viele der Songs entstanden sind, in den ersten Skizzen war das so dieses Gefühl von erst mal, der Stecker ist rausgezogen, was passiert jetzt. Ist es ein luftleerer Raum, in den ich mich auch fallen lasse. Und das war ein wunderschöner Nährboden, um so ganz zarte Songpflanzen wachsen zu lassen. Und das hat bestimmt auch ein Einfluss darauf gehabt, dass dann insgesamt der Ton des Albums auch entspannt ist.
    "Ich habe mich bewusst für Crowdfunding entschieden"
    Buchmann: Sie haben Unterstützung bekommen von der Initiative Musik und haben auch noch eine kleine Crowdfunding Kampagne gestartet. Ist das anders nicht mehr möglich? Also wie war das eigentlich vor Crowdfunding frage ich mich manchmal.
    Tokunbo: Das sind ja so fließende Übergänge. Also ich habe mich entschieden - ganz bewusst - aufgrund dessen natürlich, dass in der Musikindustrielandschaft bestimmte Zusammenarbeiten schwierig sind insofern, als dass die Mitbestimmung der Künstler eingeschränkt ist oder auch die finanzielle Beteiligung als Künstler nicht angemessen ist zum Teil. Und daher habe ich mich ganz bewusst dafür entschieden, unabhängig zu sein und unabhängig zu arbeiten. Und das war natürlich eine ganz tolle Möglichkeit, über Förderung von der Initiative Musik und aber auch über das Crowdfunding diese Produktion möglich zu machen, aber auch das Team, was drum herum ist. Denn es gehört natürlich nicht nur die Musik dazu, sondern auch das Artwork, und da gehört dazu, dass ein Team da ist und die Platte vorstellt eben der Presse und den Medien. Und dass ich da die Möglichkeit habe, auch mit den Menschen zu arbeiten, die ich kennengelernt habe und deren Arbeit ich schätze und mir das selber auswählen konnte, das freut mich natürlich sehr und das wurde mir durch diese Kombination ermöglicht.
    Buchmann: Herzlichen Dank für das Corsogespräch, Tokunbo.
    Tokunbo: Dankeschön.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.