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Neues Album "YU" von Rosie Lowe
Liebe ist ein Wagnis

Sie ist anstrengend, kostet Kraft und macht auch manchmal Angst: Auf ihrem zweiten Studioalbum beschreibt die britische Künstlerin Rosie Lowe die Liebe als das beherrschendste Gefühl ihres Lebens. „YU“ ist ein Album voller Liebeslieder, aber ganz ohne Kitsch.

Von Anne Höhn |
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Neue Lieder über Liebe: Rosie Lowe bringt ihr zweites Album heraus (Marie Schuller)
"It could all be so simple, but." (Rosie Lowe: "Lifeline")
"It could all be so simple", es könnte alles so einfach sein. Ist es aber nicht und schon gar nicht in der Liebe. Das Thema lässt Rosie Lowe auch auf ihrem zweiten Album nicht los. Und doch:
"Heute stehe ich an einem ganz anderen Punkt in meinem Leben. Das Album ist vor allem über Liebe und über die Reise, die ich mache, gemeinsam mit meinem Partner und besten Freund. Ich möchte außerdem Psychotherapeutin werden und das hatte einen großen Einfluss auf das Album, genauso wie die Paartherapie, in der mein Partner und ich sind. Es geht also auch um die Politik der Liebe. Das letzte Album handelte absolut von Kontrolle und dem Versuch, die Kontrolle über all diese Dinge zu behalten und wie man loslässt. Während der Entstehung dieses Albums traf ich die Entscheidung, dass ich offener und kollaborativer sein will."
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Rosie Lowe ist in ihren Songs mal nah und verführerisch, mal nachdenklich, mal cool (Marie Schuller)
Dieser Wille zur Offenheit schlägt sich auch in der musikalischen Gestaltung des von Dave Okumu produzierten Albums nieder: Bei einigen der dreizehn Songs mischt beispielsweise der Rapper Jay Electronica mit.
Lust, Begehren, die Angst verletzlich zu sein
Und auf der vorab ausgekoppelten Single "Birdsong", ein Lied über die teils unheilvolle Anziehungskraft zwischen zwei Liebenden, umfließt Lowes rhythmischer Gesang die Einlagen eines Männerchors. Der besteht aus den Sängern und Songwritern Jordan Rakei, Kwabs, Jamie Woon und Jamie Lidell.
"And it's the very thought of you that gets me through the night
And the knowing that I'll get it once more
It’s the memory of the touch that keeps me from the light
And the scent of you on my pillow.
(Chor: Til the early morning)
Baby, the love that you give
Takes me to Heaven, to paradise
(Birdsong)
Every note that you sing
Tells me I'm doing something right
(Birdsong)
Never wanted to please somebody
So much in my life
('Til the early morning)
In the early morning
I'm waiting to hear your birdsong" (Rosie Lowe: "Birdsong")
Schon als Kind hat Lowe Songs geschrieben. Aufgewachsen ist die heute 29-Jährige in Devon, einem ländlichen Gebiet Englands, in einem vom Vater selbst gebauten Holzhaus. Ohne Fernsehen, dafür aber mit jeder Menge Musik: Sechs Instrumente spielte die Künstlerin als Kind. Wenn man sie heute fragt, wie sie ihren Sound beschreiben würde, muss sie nachdenken:
"Wenn mich jemand fragt, welche Art von Musik ich mache, sage ich immer: keine Ahnung. Ich kann es nicht hören, weil ich mitten drin stecke. Wenn die Leute sagen, sie hören ein bisschen Erykah Badu oder sogar Carole King, dann ist das toll, weil das alles Musik ist, die ich liebe und die mich offensichtlich inspiriert, aber es ist immer ein unbewusster Prozess. Meistens ist es ein Gefühl, wenn ich einen Song schreibe. Ein Gefühl wie … dass es sich warm anfühlt, oder als seien wir in einem Garten und ich will, dass es sich so anfühlt, als seien die Musikinstrumente sehr nah, ungefähr so."
Rosie Lowe zu Gast bei Corso
Rosie Lowe zu Gast bei Corso (Deutschlandradio/ Kernstin Janse)
Warm, nah, verführerisch. Nachdenklich oder cool. Lowe ist vieles in ihren Songs. Nur kitschig ist sie nie, obwohl die meisten Songs ohne Probleme als Liebeslieder durchgehen. Rosie Lowe verhandelt auf "YU" alle Facetten dieses lebensbestimmenden Gefühls - Lust, Begehren, aber eben auch die Angst verletzlich zu sein.
"Es ist okay, zu fallen. Du kannst wieder aufstehen"
"Little Bird" ist einer dieser dezent funkigen Songs, dessen leichtfüßiger Sound fast dazu verführt, über die doppelte Bedeutungsebene des Textes hinwegzuhören:
"Little bird about to fly
Spread his wings for the first time.
Maybe people fall and break,
But he might get up again.
Little bird you got to go.
It’s time to make it on your own,
To lose the ground in the sky
Find your truth, let it shine.
Protection, protection.
Little bird, you’ve gotta going.
You’ve never flown before." (Rosie Lowe: "Little Bird")
"Das ist also ein wirklich interessantes Lied, denn ich habe tatsächlich angefangen, dieses Lied über meinen Neffen zu schreiben, der anderthalb Jahre alt war, also geht es absolut um Kindheit. Ich habe ihn dabei beobachtet, als er laufen gelernt hat, und beobachtet, wie er dabei hingefallen ist und zwar wieder aufgestanden ist, aber dann Angst hatte. Also hab ich angefangen, dieses Lied für ihn zu schreiben, um zu sagen: Es ist okay, zu fallen und sich wehzutun. Du kannst wieder aufstehen und du wirst stärker sein."
Rosie Lowe
Rosie Lowe in der Corso-Redaktion (Deutschlandfunk/ Kerstin Janse)
"Little bird,
I’ve guide you
Step up from right behind you,
The freedom is yours." (Rosie Lowe: "Little Bird")
"Und während ich das Lied geschrieben habe, dachte ich: Was für eine Heuchlerin bin ich, denn bei mir ist es genauso. Ich erinnere mich immer daran, dass wir, als ich klein war, mit der Familie zu Freunden gingen, die ein Schwimmbad hatten mit einem Sprungturm. Und ich bin immer die Stufen hochgerannt, weil ich springen wollte – und ich bin nie gesprungen. Bis heute nicht. Daran musste ich denken, als ich den Song geschrieben habe. Das kleine Mädchen, das Angst hat zu springen. Ich denke, das ist ziemlich symbolisch für viele Dinge im Leben, wie z.B. nicht zu springen, weil man zu viel Angst hat."
"Keine Kompromisse"
Nach Angst hören sich die Songs auf "YU" nicht an. Eher nach einer musikalisch prallen Zukunft:
"Wenn ich an die Musikindustrie denke und an all die aufstrebenden Frauen, die die Instrumente spielen und die Songs schreiben, die alles im Griff haben: die Frontfrauen, die Frauen hinter den Songs, Frauen, die Saxophon spielen, Frauen, die die Platten mischen, Frauen, die die Platten beherrschen - und das ist keine Masche, sie sind einfach die beste Person für den Job. Diese Entwicklung ist aufregend."
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Tolle Fotos zum neuen Album "YU" (Marie Schuller)
Lowe hat ihren eigenen Stil und trotz den hohen Anforderungen im Musikgeschäft an junge Frauen - verbiegen lassen will sie sich nicht. Würde eh nicht klappen:
"Weil ich sowieso keine Kompromisse eingehe. Also jeder, der es versucht, wird nicht sehr lange Teil meines Lebens sein. Und außerdem steht für mich die Musik im Mittelpunkt. Also nein, ich habe niemanden gehabt, der gesagt hat, dass ich so oder so klingen muss. Dann hätte ich auch gesagt: Viel Glück damit, das wird nicht passieren."