Es fängt meist harmlos an. Etwa mit einem angewinkelten Bein, auf dem er oder sie sitzt und am Computer arbeitet. Dadurch gerät das Becken in eine Fehlhaltung. Folge: Die Rückenmuskulatur arbeitet dagegen und feuert dabei ständig entsprechende Informationen zum Rückenmark. Davon merkt zunächst niemand etwas, erklärt Dr. Gerhard Müller-Schwefe, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie. Doch dann ...
"... fällt Ihnen ein Bleistift auf den Boden, Sie bücken sich und es fährt Ihnen in den Rücken, weil dann haben Sie einen massiven Reiz gesetzt und die schon vorher angetörnten Nervenzellen agieren wie verrückt, schießen los und Sie können sich nicht mehr bewegen – weil das System ist in Aufruhr."
Jetzt hilft nur noch schnelles Handeln, weil sonst die Nervenzellen immer weiter agieren. Da sie durch ständige Schmerzreize überempfindlich geworden sind, reagieren die Nervenzellen bald schon auf harmlose Reize wie Berührungen: Die Rückenschmerzen werden chronisch.
"Früher haben wir gesagt nach sechs Monaten, dann haben wir gesagt nach drei Monaten, heute wissen wir – das kann nach Stunden passieren. Entscheidend ist die Funktion des Nervensystems."
In Deutschland werden Rückenschmerzen häufig zu spät und falsch behandelt. Viele Patienten wandern vom Hausarzt zum Orthopäden, vom Orthopäden zum Physiotherapeuten. Nacheinander. Dabei missachten sie die Komplexität von Rückenschmerzen, sagt Gerhard Müller-Schwefe, und schlägt stattdessen das Konzept der "integrierten Rückenversorgung" vor:
"Rückenschmerzen haben, wenn sie chronisch werden, immer verschiedene Komponenten, da spielt die Seele mit, da spielen die Kontakte mit, die Beziehungen und natürlich auch die Bandscheiben, die Muskulatur, der Rücken, all diese Dinge. Und wenn man das richtig behandeln will, dann muss ein Team aus Experten zusammenarbeiten und dieses integrierte Rückenversorgungskonzept sieht genau das vor."
Dieses Modellprojekt bietet die Deutsche Gesellschaft für Schmerztherapie seit einigen Jahren zusammen mit zwei Krankenkassen an. Dabei werden Patienten, die seit mehreren Wochen wegen ihrer Rückenschmerzen arbeitsunfähig sind, in einer konzertierten Aktion von einem Psychologen, einem Schmerztherapeuten und einem Physiotherapeuten untersucht. Anschließend legt das Team die Therapie fest. Es folgt ein vierwöchiges Intensivprogramm inklusive Schmerz, Verhaltens-, Entspannungs- und Physiotherapie. Einzeln betrachtet ist jede dieser Methoden "ein alter Hut".
"Das Geheimnis ist aber, dass die verschiedenen Fachrichtungen zusammenarbeiten. Dass nicht jeder vor sich her wurschtelt und keiner weiß, was der andere macht, sondern die müssen zusammenarbeiten und dann funktioniert das sehr gut. Dazu gehört aber auch, dass die Therapeuten Freiheit zu therapieren haben. Es gibt keine Vorschriften, was gemacht werden muss. Wir können Therapieverfahren einsetzen wie Biofeedback, Akupunktur, Stimulationsverfahren, die zahlen die Krankenkassen normalerweise gar nicht. Aber in diesem Projekt wird pauschal vergütet und erfolgreich ist, was hilft."
Die Ergebnisse verblüffen: Nach vier Wochen konnte knapp die Hälfte der Patienten wieder arbeiten, nach acht Wochen waren es sogar 85 Prozent. Normalerweise kehrt in Deutschland nur etwa ein Drittel der Rückenschmerzpatienten an ihren Arbeitsplatz zurück, wenn sie einmal längere Zeit arbeitsunfähig waren.
Bislang profitieren jedoch erst knapp 4000 Patienten von dieser interdisziplinären Therapieform, die laut Müller-Schwefe problemlos auch auf andere Schmerzformen übertragbar wäre. In Deutschland sei nicht die Grundlagenforschung das Problem, etwa was neue Schmerzmittel betrifft:
"Es gibt Therapieverfahren, bei denen wir mit Medikamenten, die wir aus der Natur kennengelernt haben - mit Gift von Meeresschnecken zum Beispiel - ganz spezielle Schmerzen, nämlich brennende Nervenschmerzen, die man anders nicht behandeln, kann durch die Gabe dieses Medikamentes in den Wirbelkanal an die Nervenzellen im Rückenmark hin solche Schmerzen sehr gut behandeln kann."
Das Problem sei eher das "Wie". Um Patienten mit Schmerzen optimal versorgen zu können, fordert der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie individuellere Therapien und mehr interdisziplinäre Zusammenarbeit. Und: dass das Fach "Schmerztherapie" endlich Teil der Ausbildung deutscher Medizinstudenten wird.
"... fällt Ihnen ein Bleistift auf den Boden, Sie bücken sich und es fährt Ihnen in den Rücken, weil dann haben Sie einen massiven Reiz gesetzt und die schon vorher angetörnten Nervenzellen agieren wie verrückt, schießen los und Sie können sich nicht mehr bewegen – weil das System ist in Aufruhr."
Jetzt hilft nur noch schnelles Handeln, weil sonst die Nervenzellen immer weiter agieren. Da sie durch ständige Schmerzreize überempfindlich geworden sind, reagieren die Nervenzellen bald schon auf harmlose Reize wie Berührungen: Die Rückenschmerzen werden chronisch.
"Früher haben wir gesagt nach sechs Monaten, dann haben wir gesagt nach drei Monaten, heute wissen wir – das kann nach Stunden passieren. Entscheidend ist die Funktion des Nervensystems."
In Deutschland werden Rückenschmerzen häufig zu spät und falsch behandelt. Viele Patienten wandern vom Hausarzt zum Orthopäden, vom Orthopäden zum Physiotherapeuten. Nacheinander. Dabei missachten sie die Komplexität von Rückenschmerzen, sagt Gerhard Müller-Schwefe, und schlägt stattdessen das Konzept der "integrierten Rückenversorgung" vor:
"Rückenschmerzen haben, wenn sie chronisch werden, immer verschiedene Komponenten, da spielt die Seele mit, da spielen die Kontakte mit, die Beziehungen und natürlich auch die Bandscheiben, die Muskulatur, der Rücken, all diese Dinge. Und wenn man das richtig behandeln will, dann muss ein Team aus Experten zusammenarbeiten und dieses integrierte Rückenversorgungskonzept sieht genau das vor."
Dieses Modellprojekt bietet die Deutsche Gesellschaft für Schmerztherapie seit einigen Jahren zusammen mit zwei Krankenkassen an. Dabei werden Patienten, die seit mehreren Wochen wegen ihrer Rückenschmerzen arbeitsunfähig sind, in einer konzertierten Aktion von einem Psychologen, einem Schmerztherapeuten und einem Physiotherapeuten untersucht. Anschließend legt das Team die Therapie fest. Es folgt ein vierwöchiges Intensivprogramm inklusive Schmerz, Verhaltens-, Entspannungs- und Physiotherapie. Einzeln betrachtet ist jede dieser Methoden "ein alter Hut".
"Das Geheimnis ist aber, dass die verschiedenen Fachrichtungen zusammenarbeiten. Dass nicht jeder vor sich her wurschtelt und keiner weiß, was der andere macht, sondern die müssen zusammenarbeiten und dann funktioniert das sehr gut. Dazu gehört aber auch, dass die Therapeuten Freiheit zu therapieren haben. Es gibt keine Vorschriften, was gemacht werden muss. Wir können Therapieverfahren einsetzen wie Biofeedback, Akupunktur, Stimulationsverfahren, die zahlen die Krankenkassen normalerweise gar nicht. Aber in diesem Projekt wird pauschal vergütet und erfolgreich ist, was hilft."
Die Ergebnisse verblüffen: Nach vier Wochen konnte knapp die Hälfte der Patienten wieder arbeiten, nach acht Wochen waren es sogar 85 Prozent. Normalerweise kehrt in Deutschland nur etwa ein Drittel der Rückenschmerzpatienten an ihren Arbeitsplatz zurück, wenn sie einmal längere Zeit arbeitsunfähig waren.
Bislang profitieren jedoch erst knapp 4000 Patienten von dieser interdisziplinären Therapieform, die laut Müller-Schwefe problemlos auch auf andere Schmerzformen übertragbar wäre. In Deutschland sei nicht die Grundlagenforschung das Problem, etwa was neue Schmerzmittel betrifft:
"Es gibt Therapieverfahren, bei denen wir mit Medikamenten, die wir aus der Natur kennengelernt haben - mit Gift von Meeresschnecken zum Beispiel - ganz spezielle Schmerzen, nämlich brennende Nervenschmerzen, die man anders nicht behandeln, kann durch die Gabe dieses Medikamentes in den Wirbelkanal an die Nervenzellen im Rückenmark hin solche Schmerzen sehr gut behandeln kann."
Das Problem sei eher das "Wie". Um Patienten mit Schmerzen optimal versorgen zu können, fordert der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie individuellere Therapien und mehr interdisziplinäre Zusammenarbeit. Und: dass das Fach "Schmerztherapie" endlich Teil der Ausbildung deutscher Medizinstudenten wird.