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Neues Buch "Musik und Gesellschaft"
Musikgeschichte „von der Gegenwart her gedacht“

Teufelsmusik, Musikwettbewerbe und Musik bei Folter und Hinrichtungen: Eine neue Sozialgeschichte der Musik will bislang wenig beachtete Aspekte der Musikgeschichte beleuchten. Alle im Buch vorgestellten Themen seien „immer von der Gegenwart her gedacht“, sagte Mitherausgeber Frieder Reininghaus im Dlf.

Frieder Reininghaus im Gespräch mit Jochen Hubmacher |
    Teilnehmer in historischen Uniformen marschieren mit Trommeln über einen Weg, während in der historischen Festungsanlage die Schlacht um Bourtange im Jahr 1814 nachgestellt wird.
    Marschieren und kämpfen im Takt der Trommeln: Musikgeschichte hat viele gesellschaftliche Aspekte, auch militärische (picture alliance / Hauke-Christian Dittrich)
    Auf Markplätze, in Kampfzonen und ins Elysium will das gut 1.400 Seiten starke Buch führen, das der Publizist und Hörfunkautor Frieder Reininghaus gemeinsam mit Judith Kemp und Alexandra Ziane herausgegeben hat. Im Deutschlandfunk erklärte Frieder Reininghaus zur Idee hinter dem Buch:
    Das zweibändige Buch soll eine Ergänzung zur gängigen Musikgeschichtsschreibung darstellen. "Musikgeschichte wird im Zusammenhang mit Gesellschaftsgeschichte im Augenblick weder gedacht, noch geschrieben."
    Musik als Folter in Gefängnissen
    Auch gebe es in der Musikgeschichte viele Aspekte, die bislang nicht beachtet worden seien, so Frieder Reininghaus: Teufelsmusik im Mittelalter. Oder das Phänomen des Musikwettbewerbes. Oder Musik bei Folter und Hinrichtungen. Zum letzteren Aspekt gebe es auch ein ganz aktuelles Beispiel: Im Gefangenenlager Guantanamo würden Häftlinge fortwährend mit Musik beschallt, die sie ganz besonders wenig mögen, das sei "durchaus als Tortur gemeint".
    Alle im Buch vorgestellten Themen seien "immer von der Gegenwart her gedacht."
    "Für Leute, die sich sonst mit Musik nicht beschäftigen"
    Das Buch richte sich nicht ausschließlich an Musikwissenschaftler. "Wir schreiben für Leute, die auch gerne Romane lesen, musikalische Essays", erklärte Frieder Reininghaus.
    "Es ist auch ein Versuch musikalische Essayistik zu kultivieren. Wir haben versucht, ein schönes Buch zu machen, gut lesbar für jedermann, für Feuilletonleser oder Leute, die sich sonst mit Musik theoretisch überhaupt nicht beschäftigen."
    Unsicher, "ob das Musikleben wiederkehrt"
    Zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Musik sagte Frieder Reininghaus: Menschen, die in der Musik- oder Theaterbranche tätig seien, müssten sich vermutlich über 2021 hinaus oder sogar noch weiter, auf einen "Plan B" oder "Plan C" einstellen. "Es ist gar nicht sicher, ob das Musikleben, in dieser Form, wie wir es gekannt haben, ob das alles wiederkehrt. Wir sind da sehr skeptisch."
    Historische Epidemien wie Pest oder Cholera hätten große Auswirkungen gezeigt:
    "Die Einbrüche in der Vergangenheit bei der Kirchenmusik, bei der Konzertmusik müssen sehr, sehr groß gewesen sein und ich glaube nicht, dass das bisher systematisch erforscht worden ist."
    Frieder Reininghaus, Judith Kemp, Alexandra Ziane (Hrsg.)
    Musik und Gesellschaft. Markplätze, Kampfzonen, Elysium.
    2 Bände, 1.424 Seiten
    Verlag Königshausen und Neumann
    58 Euro