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Neues Buch über Paul Abraham
Meister der rebellischen Jazz-Operette

Ein faszinierender Künstler, ein beeindruckendes Werk, eine zerstörte Karriere: Ein neues Buch erzählt das Leben des Jazz-Operetten-Komponisten Paul Abraham, der 1933 von den Nazis aus Deutschland vertrieben wurde – und nimmt sich dabei eines dunklen Kapitels der deutschen Musikgeschichte an.

Von Dieter David Scholz |
Der ungarische Komponist Paul Abraham (u.a. die Operette "Die Blume von Hawaii") gibt während seines Aufenthalts im Universitätskrankenhaus in Hamburg-Eppendorf am 28. Juni 1956 ein kleines Konzert für die Hamburger Presse.
Steile Karriere, dann ein tiefer und tragischer Absturz: Paul Abraham, der unter anderen die Operette "Die Blume von Hawaii" schuf. (picture alliance / Herold)
Paul Abraham war einer der originellsten, rebellischsten und frechsten Operettenkomponisten im Übergang von der Weimarer Republik zum Dritten Reich. Seine Musik spiegelt die Euphorie, die Hoffnungen, aber auch die Brüche dieser Zeit. Vergnügliches, Schmissiges, Pikantes, Frivoles mischt sich mit Nostalgie, mit ungarisch-österreichisch-berlinerischem Lokalkolorit, aber auch mit amerikanischem Jazz. Der Operetten-Spezialist Kevin Clarke vom Operetta Research Centre:
"Das Besondere an Paul Abrahams Operetten ist der Klang, diese Klangfarben, diese Klanggewalt, dieser Rausch, den er entwickelt, das ist natürlich der typische Klangrausch der späten Zwanziger-, frühen Dreißigerjahre in der deutschsprachigen Operette, aber mir ist niemand bekannt, von den anderen Operettenkomponisten, der solche Wucht und solchen Drive in der Musik hat."

Kometengleiche Karriere vor 1933

Die Liedtexte und Dialoge der Abraham-Operetten sind sarkastisch, ironisch, gewagt und tagesaktuell, oftmals durchzieht sie aber auch Melancholie. Abraham hatte die besten Librettisten seiner Zeit, Fritz Löhna-Beda und Alfred Grünwald, sie verstanden sich auf feinen Humor der Ausgegrenzten. Und es geht in den Stücken immer darum, wie finden sich Mann und Frau, und wie wird man einander wieder los:
"Flittchen, Femme fatales und Mäuschen. Es sind hintersinnige Stücke von Liebesfreud und Liebesleid sowie Irrungen und Wirrungen zwischen den Geschlechtern, wie sie kein anderer so auf die Bühne brachte."
Paul Abrahams Karriere war kometengleich. Vom Nobody aus dem kleinen ungarischen Ort Apatin, kam er 1930 über Budapest nach Berlin und stieg innerhalb von nur drei Jahren zum europaweit bestbezahlten und meist bejubelten Operettenkönig seiner Zeit auf. Man kann das nachlesen bei Klaus Waller. Sein Buch liest sich wie ein Roman. Abraham wurde steinreich, lud zu Champagner und Kaviar, besaß Limousinen, Butler und Chauffeur und kaufte sich in der noblen Berliner Fasanenstrasse eine schlossartige Villa. Doch so steil wie seine Kometenbahn 1930 aufstieg, so steil stürzte sie 1933 ins Nichts. Abraham floh über Budapest, Wien, Paris und Havanna nach New York. In den USA konnte er an seine Erfolge in Europa allerdings nicht anknüpfen, erkrankte an Syphilis, war geistig verwirrt und verbrachte schließlich zehn Jahre – von der Welt vergessen – in einer psychiatrischen Klinik. Ein besonders tragischer Fall von deutschem Emigrantentum in den USA, das Klaus Waller ausführlich darstellt.

Rückkehr nach Hamburg als Patient

Durch einen Zeitungsartikel im New Yorker "Aufbau" aufmerksam geworden, überschrieben "Der Komponist im Irrenhaus", wurde 1956 Paul Abraham auf Betreiben von Freunden, organisiert in einem "Paul-Abraham-Komitee", vor allem aber auf Initiative des Neurologen Professor Bürger-Prinz am Eppendorfer Klinikum Hamburg nach Europa zurückgeholt. Abraham verbrachte in Hamburg die letzten vier Jahre seines Lebens. Der renommierte Professor Bürger-Prinz hatte nach 1945 seine Nazi-Vergangenheit und seine Mitwirkung an Euthanasie-Projekten geleugnet. Das erschütternde Schlusskapitel aus dem Leben Paul Abrahams wird in der ungeschönten Biographie von Klaus Waller nicht verschwiegen:
"Der von den Nationalsozialisten verfolgte Paul Abraham wurde nun von einem Arzt behandelt, der im Dritten Reich unter anderem als Richter im 'Erbgesundheitsgericht' tätig war. Bürger-Prinz konnte der Patient nur Recht sein, denn er war dabei, sich in der Bundesrepublik ein neues Renommee zu verschaffen."
Das Buch von Klaus Waller beschreibt gewissenhaft die wesentlichen Werke Abrahams, ihre Aufführungsgeschichte und ihre Darsteller, unter denen die Soubrette Rosy Barsoni und der Buffo Oscar Denes zu den Lieblingen Abrahams gehörten.

Manischer Produktionszwang

Diese völlig unkitschige, ja angriffslustige Operettentradition der Dreißigerjahre wurde von den Nazis unwiederbringlich ausgelöscht. Klaus Waller spricht es deutlich aus. Seine Abraham-Biographie enthält darüber hinaus nicht nur einen aufschlussreichen Beitrag des Arrangeurs Henning Hagedorn über die Rekonstruktion der Partituren Abrahams. Viele sind nicht vollständig erhalten. Abraham stand unter manischem Produktionszwang. Er schrieb neben unzähligen Operetten auch Filmmusiken und Schlager für die Film- und Operettengrößen der Zeit.
Die Produktionen des Regisseurs Barrie Kosky an der Komischen Oper Berlin hatten geradezu Signalcharakter für die internationale Wiederentdeckung Abrahams auf den Theatern. Kosky bricht denn auch in einem Gespräch mit dem Dirigenten und Pianisten Adam Benzwi, das im Buch abgedruckt ist, eine Lanze für Abraham als "Sinfoniker der Großstadt" und macht ungeniert Werbung für sein Haus. Er ist stolz darauf, in den letzten Jahren immerhin vier Operetten Abrahams an der Komischen Oper aufgeführt zu haben.
So wie Barrie Kosky mit seinen Inszenierungen an der Komischen Oper, trägt auch das Buch von Klaus Waller zur Wiederentdeckung Paul Abrahams bei, der im Gegensatz zu Franz Lehar, (der ihn seinen "Kronprinzen" nannte), im allgemeinen Bewusstsein nicht mehr vorhanden ist. Wallers Buch ist mit fabelhaftem Bildmaterial ausgestattet, darunter viele bewegende Foto-Raritäten. Ein Buch, das nicht nur außerordentlich informativ ist, sondern den Leser neugierig macht auf Paul Abraham und seine Musik.
Klaus Waller: Paul Abraham – Der tragische König der Jazz-Operette.
Starfruit Publications, 384 Seiten, 28 Euro.