Stefan Römermann: Weniger Tempo beim Ausbau der Erneuerbaren, niedrigere Fördersätze und weniger Ausnahmen für energieintensive Unternehmen sowie ein möglichst schneller Ausbau von Stromleitungen – die Reform des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes nimmt konkrete Züge an. Gestern wurde ein Entwurf aus dem Wirtschaftsministerium bekannt und die betroffenen Lobby-Verbände bringen sich in Stellung, meist mit heftiger Kritik.
Betroffen von der Energiewende sind auch die privaten Stromverbraucher. Die Kilowattstunde Strom hat sich seit der Jahrhundertwende in etwa auf das Doppelte verteuert. Der Verbraucherzentrale Bundesverband hat immer wieder auf die Belastung der Verbraucher durch die steigenden Preise für Elektrizität hingewiesen. Verbunden bin ich jetzt mit Holger Krawinkel, er ist Energieexperte der Verbraucherzentralen. Herr Krawinkel, können denn die Stromverbraucher auf niedrigere Strompreise hoffen?
Holger Krawinkel: Nein, das werden sie sicher nicht, und ich glaube, das war auch nicht die Erwartung an die Bundesregierung. Realistischerweise muss man sagen, dass es schon ein Fortschritt wäre, wenn die Strompreise stabilisiert würden, aber auch das ist mit dem Konzept wahrscheinlich nicht erreichbar. Das liegt vor allen Dingen daran, dass die Regierung nach wie vor auf die relativ teuere Offshore-Technologie setzt. Die ist noch nicht durchentwickelt, noch nicht reif, da entstehen hohe Technologie-Entwicklungskosten, ähnlich wie bei der Solarenergie vor wenigen Jahren, und das wird natürlich die Strompreise noch mal deutlich belasten.
"Stabile Strompreise wären schon ein Fortschritt"
Römermann: Es gab ja auch den Gedanken, dass diese Kosten teilweise auch über Kredite finanziert werden sollen. Findet sich da im Gesetzentwurf etwas dazu?
Krawinkel: Nein. Das wird offensichtlich im Wirtschaftsministerium geprüft. Wir haben ja inzwischen sehr viele Anhänger dieser Idee. Wir hatten das ins Gespräch gebracht, auch die Gewerkschaften, die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen, es werden immer mehr, weil völlig klar ist, aufgrund dieser hohen Technologie-Entwicklungskosten, sowohl in der Vergangenheit wie in der Zukunft, bekomme ich natürlich die Strompreise nicht wirklich in den Griff, und diese Entwicklungskosten sind natürlich besser in einem Fonds aufgehoben, der auch zum Teil dann aus öffentlichen Mitteln finanziert wird.
Römermann: Sie haben sich ja gestern, haben Sie erzählt, durch diesen Wälzer schon ein bisschen durchgekämpft. Das sind ja rund 190 Seiten, das muss man sich auch erst mal vorstellen. Haben Sie denn da andere Dinge entdeckt, die, ich sage mal, vielleicht aus Verbrauchersicht zumindest ansatzweise positiv zu bewerten wären?
Krawinkel: Das Konzept insgesamt ist ja positiv. Dass Vergütungen abgesenkt werden, weil sich auch die Kosten nach unten entwickelt haben, ist vollkommen richtig. Windenergie an Land ist in bestimmten Regionen überfördert, Biomasse sowieso. Dass da weniger gebaut wird bei Biomasse, vollkommen richtig. Bei Windenergie an Land bin ich mir nicht ganz sicher, ob es sinnvoll ist, da wirklich auf die Bremse zu drücken, weil das ist eine Technologie, die mit die geringsten Zusatzkosten verursacht. Was uns ein bisschen Sorge macht ist natürlich auch die Belastung des Eigenverbrauchs bei privaten Haushalten. Das ist noch nicht endgültig geregelt.
"Konzept ist insgesamt positiv"
Römermann: Vielleicht erklären Sie einfach noch mal ganz kurz: Was versteht man darunter?
Krawinkel: Wenn jetzt ein privater Haushalt oder auch ein Gewerbebetrieb aus seiner Solaranlage oder über eine Kraft-Wärme-Kopplungsanlage, über ein kleines Kraftwerk im Keller seinen Strom selber produziert, sollen die künftig auch an der EEG-Umlage beteiligt werden, vor allen Dingen an diesen Technologie-Entwicklungskosten aus der Vergangenheit.
Das mag sich zwar gerecht anhören, aber ist natürlich auch eine gewisse Gefahr für diese Geschäftsmodelle. Man bestraft Kunden, die tatsächlich in die Energiewende weiter investieren wollen. Ich glaube, die Solidarität muss erstellt werden oder erreicht werden dadurch, dass auch diese Kunden sich an den Infrastruktur-Kosten, an den Netzkosten beteiligen, das wäre richtig, aber nicht an den Altlasten. Ich glaube, das wäre der falsche Weg.
Römermann: Ganz kurz: In dem Gesetzentwurf steht auch drin, dass zukünftig Bahnunternehmen an der EEG-Umlage beteiligt werden sollen, dass die auch da reinzahlen sollen. Ist das im Sinne des Verbrauchers?
Krawinkel: Das haben wir ja mehrfach kritisiert. Auch da könnte man sagen, klar, Straßenbahnen stehen nicht im internationalen Wettbewerb. Aber darum geht es ja gar nicht, sondern es geht darum, dass die Entlastung für die Stromkunden sehr gering ist, aber die Belastung für diejenigen, die die Straßenbahn oder die Bahn nutzen, deutlich höher ist. Da werden natürlich auch wieder die zur Kasse gebeten, die an sich schon ein umweltfreundliches Verkehrsmittel nutzen, und das kann auch nicht ganz richtig sein.
Römermann: Das war Holger Krawinkel, Energieexperte beim Verbraucherzentrale Bundesverband. Vielen Dank nach Berlin, sage ich.
Krawinkel: Ich danke Ihnen.
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