"Am Ende des Tages geht es als Journalist nicht nur darum eine Geschichte zu erzählen. Es geht darum, die Ergebnisse mit den Lesern zu teilen und sicher zu gehen, dass sie verstehen, was in der Welt passiert."
Laut Phoebe Conelly lässt die Washington Post dafür nichts unversucht. Sie kümmert sich um die Videoumsetzung von Geschichten und brennt daher für die Twitch-Offensive. So richtig begonnen hat die vor gut vier Wochen mit "Playing Games with Politicians".
Zuschauer können Fragen einreichen
Auf dem virtuellen Footballfeld stehen sich Matt Gaetz, Republikaner und Vertreter des Bundesstaates Florida im US-Repräsentantenhaus, und Politikjournalist Dave Weigel gegenüber. Während der Politiker Gaetz sein Gegenüber im Nationalsport der Amerikaner bei American-Football-Simulation "Madden 18" vorführt, lässt er sich über die heimische Politik und seine Ambitionen ausfragen. Sidekick Gene Park reicht zusätzlich Fragen der Zuschauer ein.
"Ich denke, unser Ziel ist es, unseren Zuschauern auf Twitch so zu begegnen, dass sie sich angesprochen fühlen, und in einer Art, wie sie Berichterstattung konsumieren wollen. Es geht nicht nur um das Streamen und auch nicht um Zuschauerzahlen, es geht um den Austausch mit Zuschauern im Chat", erklärt Conelly.
Das zweite Format "Live with Libby Casey" beschäftigt sich mit Events und News, die die Washington Post als besonders wichtig erachtet. Vor einigen Wochen haben Libby Casey und Gene Park zum Beispiel eine politische Analyse zum Treffen von US-Präsident Donald Trump und seinem russischen Pendant Wladimir Putin in Helsinki live präsentiert.
"Twitch ist und bleibt immer noch eine Plattform von Gamern für Gamer"
Steffen Grziwa von den Rocket Beans findet den Vorstoß der Washington Post spannend, weil der moderne Gamer oder auch Nerd seiner Meinung nach jemand ist, der neben seiner Tätigkeit als Spieler auch noch viele andere Interessen hat. Dazu gehört auch Politik.
RocketBeansTV gehört zu den beliebtesten Streams Deutschlands. Die Bohnen kümmern sich auch in ihrem Twitch-Stream um politische Fragen - solange es um Themen geht, die den Gamer interessieren, etwa die schleppende Digitalisierung in Deutschland oder das Urheberrecht.
"Gleichzeitig darf natürlich Twitch auch einfach nicht seine Kernkompetenz verlieren. Denn Twitch ist und bleibt einfach immer noch eine Plattform von Gamern für Gamer. Und solange das eben auch erhalten bleibt, sehe ich da kein Problem sich eben auch für weitere Themenfelder zu öffnen." Steffen Grziwa schätzt vor allem die Bemühungen der Washington Post, eigene Formate für Twitch zu entwickeln.
"Experimentieren ist die Zukunft des Journalismus"
Marc Ziegele von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf beschäftigt sich vornehmlich mit politischer Onlinekommunikation. Er vergleicht den Vorstoß der Washington Post mit Anfängen des Journalismus auf Facebook. Der Grund warum so etwas funktioniert, sei simpel: "Weil die junge Zielgruppe nachgewiesenermaßen ein Bedürfnis nach neuen Formen der Nachrichtenpräsentation hat. Also dieses alte Massenkommunikationsschema, dass da einer sendet und alle anderen hören zu, stößt bei der Jugend ein bisschen auf Befremden."
Vor dem Scheitern auf Twitch hat Phoebe Connelly von der Washington Post jedenfalls keine Angst: "Wenn wir nicht erfolgreich sind, müssen wir eine andere Art des Geschichtenerzählens versuchen. Es bedeutet aber nicht, dass es die Mühe nicht wert war. Ich habe also keine Angst. Experimentieren ist die Zukunft des Journalismus."
Auch wenn das Feedback der Twitch-User positiv ist: Mit rund 15.000 Followern steht die Washington Post noch ganz am Anfang.