Hass ist ein massives gesellschaftliches Problem geworden. Das betonte am Dienstag Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier beim Treffen mit Lokalpolitikern in Zwickau. Mutmaßliche Neonazi-Terrorgruppen und Drohungen gegen Kommunalpolitiker seien unterschiedliche Phänomene. Sie hätten aber eines gemeinsam.
"Sie gedeihen eben in demselben gefährlichen Klima, das die Rathäuser und Parlamente genauso wie Schulhöfe und Internetforen erreicht. Ein Klima der Empörung und Enthemmung, der Herabsetzung und des Hasses."
Wenn es nach der großen Koalition geht, soll ein ganzes Gesetzespaket diesem Trend entgegenwirken. Das so genannte Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität, über das heute der Bundestag erstmals berät.
Hass entsteht im Kopf
Innen- und Justizministerium hatten bereits nach dem Anschlag auf eine Synagoge in Halle vergangenen Herbst Vorschläge erarbeitet. In der Debatte nach dem rassistisch motivierten Terroranschlag von Hanau sah sich Justizministerin Christine Lambrecht vergangene Woche bestätigt:
"Über 70 Prozent der angezeigten Hassposts im Netz gehen gegen Migrantinnen und Migranten. Und es verwundert nicht, dass sie sich in unserer Gesellschaft nicht mehr wohlfühlen. Natürlich entsteht Hass und Hetze nicht im Internet, es entsteht im Kopf. Aber Rechtsextremisten missbrauchen das Internet, um die menschenverachtenden Botschaften in die Köpfe zu treiben."
Straftaten, Morddrohungen, Terror-Pläne
Ein Teil der vorgesehenen Änderungen: Das sogenannte Netzwerkdurchsetzungsgesetz wird verschärft. Internet-Plattformen wie Facebook, Twitter oder Youtube müssen gemeldete Problem-Inhalte nicht nur löschen. Handelt es sich um Neonazi-Propaganda, die Billigung schwerer Straftaten, Morddrohungen, Terror-Pläne oder Volksverhetzung gehen die Informationen an eine Stelle beim Bundeskriminalamt, inklusive der zugehörigen IP-Adresse des Computers.
Alexander Rabe vom Verband der Internetwirtschaft Eco sieht die Bundesregierung auf dem falschen Weg. Das schlechte Netzwerkdurchsetzungsgesetz sei nun schärfer, nicht besser geworden.
"Was wir hier machen ist, aufgrund von politischen Symbolpolitikakten offensichtlich hier eine Verschärfung, die auf bürgerliche freiheitliche Rechte zielt und diese stark gefährdet."
Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahre möglich
Um für Abschreckung zu sorgen, wird auch das Strafrecht geändert: Gerade der öffentliche Charakter von Äußerungen im Netz wirkt nun strafverschärfend: Bei öffentlichen Beleidigungen oder Androhungen von Verbrechen verdoppelt sich die mögliche Freiheitsstrafe auf je bis zu zwei Jahre. Wer Frauen öffentlich mit sexueller Gewalt droht, muss sogar mit bis zu drei Jahren rechnen.
Kommunalpolitiker wiederum sollen künftig besseren Schutz vor übler Nachrede und Verleumdungen erhalten: Sie werden hier Bundes- und Landespolitikern gleichgestellt. Auch Sperren im Melderegister werden erleichtert.
Prognose: bis zu 150.000 zusätzliche Ermittlungsverfahren
Die Bundesregierung rechnet alleine durch die neuen Internet-Meldepflichten mit jährlich 150.000 zusätzlichen Ermittlungsverfahren. Der deutsche Richterbund fordert deshalb einen zügigen Personalausbau.
Und Andreas Armborst, Leiter des Nationalen Zentrums für Kriminalprävention, warnt vor zu großen Erwartungen: Mit Mitteln des Strafrechts könne man keine gesellschaftlichen Konflikte lösen.