Eine Oberschule in Hongkong. Eine Musiklehrerin erlaubt ihren Schülern, im Unterricht das Lied "Glory to Hongkong" zu singen. Der Songtext handelt von der Selbstverpflichtung, nicht aufzugeben und weiter auf demokratische Freiheiten zu pochen. Im vergangenen Spätsommer wurde die Hymne erschaffen – und zum Symbol der pro-demokratischen Protestbewegung in Hongkong.
"Unsere Lehrer sind sehr vorsichtig geworden"
Als Konsequenz aus dieser Gesangseinlage im Unterricht wird der Vertrag der Musiklehrerin jetzt nicht verlängert. Faktisch gefeuert, weil sie kritisches Liedgut zugelassen hat. Ein 16-jähriger Junge, der sich KFC nennt, ist Schüler auf der betroffenen Hongkonger Schule.
"Nachdem unsere Lehrerin gefeuert wurde, haben wir Schüler eine Menschenkette organisiert, um dagegen zu protestieren. Das hat viel Aufsehen erregt. Unsere Lehrer sind sehr vorsichtig geworden und wollten uns davon abhalten, weil sie sich Sorgen um unsere Sicherheit machen."
Viele Schüler seien wütend und hätten Schuldgefühle, weil die Musiklehrerin ihren Job verloren habe, berichtet KFC. Seine Schule galt schon vorher als überwiegend pro Peking ausgerichtet, aber jetzt sei das Klima noch repressiver geworden.
"Nachdem das Nationale Sicherheitsgesetz in Kraft getreten ist, gibt es zunehmend Druck auf die Schüler, die dem prodemokratischen Lager angehören. Und dieser Druck führt natürlich dazu, dass wir genau aufpassen, was wir sagen."
Erinnerung an Zeiten der Kulturrevolution
Schon länger ist die Hongkonger Regierung dabei, den Schulunterricht stärker zu kontrollieren. Unter Beschuss ist dabei auch das Fach "Freie Studien", das 2009 eingeführt wurde, um das kritische Denken der Schüler zu fördern.
Zur Selbstzensur, weil Schüler und Lehrer Angst vor den Konsequenzen des neuen Sicherheitsgesetzes haben, kommt die Zensur. Öffentliche Bibliotheken und Schulbibliotheken sind aufgefordert, zu kritische Bücher zu entfernen. Der stellvertretende Leiter einer Schule in Hongkong, der nicht genannt werden möchte, fühlt sich an dunkle Zeiten erinnert.
"Wenn wir sehen, wie öffentliche Bibliotheken Bücher aus ihren Regalen räumen müssen, erinnert das an die Kulturrevolution der 60er-Jahre in China. Das bricht einem das Herz, wenn Presse-, Meinungs- und Veröffentlichungsfreiheit von der Regierung so stark kontrolliert und limitiert werden. Wir haben Angst, dass die Kulturrevolution nach Hongkong zurückkommt."
Neue Protestform: unbeschriebene Zettel
Gut zwei Wochen sind jetzt vergangen, seitdem das neue Gesetz zur Nationalen Sicherheit in Hongkong in Kraft getreten ist. Und sogar das Straßenbild der Hafen-Metropole hat sich verändert. Wo vorher in Cafés und Restaurants Aufkleber mit Pro-Demokratie-Parolen hingen, kleben jetzt unbeschriebene Zettel an der Wand. Als neue Form des Protests. Weil politische Forderungen und Meinungen unter dem neuen Gesetz in Hongkong ein gefährliches Risiko sind.