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Neues Gesetz
Für mehr Bereitschaft zur Organspende

In Deutschland ist die Anzahl der Spenderorgane deutlich niedriger als in anderen EU-Ländern. Darum tritt am 1. März ein Gesetz in Kraft, das mehr Anreize schaffen soll: Wer einen Personalausweis beantragt, soll seine Spendenbereitschaft in ein Online-Register eintragen – und auch jederzeit revidieren können.

Von Anja Nehls |
Eine Person hält einen Organspendeausweis in den Händen.
Die bisherige Misere: Laut der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung stehen 80 Prozent der Deutschen einer Organspende zwar grundsätzlich positiv gegenüber – allerdings haben das die wenigsten offiziell irgendwo festgehalten. (picture alliance / Fotostand / K. Schmitt)
Selbst einen Besuch im Café muss Sandra Schneller gut planen, denn sie ist auf die Dialyse angewiesen - und das kostet viel Zeit, jeden Tag. Statt für eine Blutwäsche alle drei Tage in einem spezialisierten Zentrum hat Sandra Schneller sich für die Bauchfelldialyse zu Hause entschieden:

„Also ich habe einen Katheter im Bauch und das Bauchfell ist ja die Hülle, die die Organe umgibt und da lasse ich dann immer Flüssigkeit ein, das Bauchfell übernimmt dann so eine Filterfunktion, filtert das, und alle vier bis fünf Stunden lasse ich die Flüssigkeit wieder raus und mache wieder neue rein. Aktuell mache ich das dreimal am Tag, manchmal auch viermal. Und dann alles desinfizieren, saubermachen, alles protokollieren.“

Das alles dauert täglich drei bis vier Stunden. Ihren Beruf als Rechtsanwältin kann die 43-Jährige deshalb nur noch eingeschränkt ausüben. Seit über 20 Jahren ist Sandra Schneller Diabetikerin, dann versagten nach und nach die Nieren und seit dem vergangenen Jahr geht ohne Dialyse gar nichts mehr.

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Die einzige Hoffnung auf ein halbwegs normales Leben sind jetzt eine neue Niere - und dazu auch noch eine neue Bauchspeicheldrüse, die dafür sorgen soll, dass eine mögliche Spenderniere durch die Zuckerkrankheit nicht wieder beschädigt wird. Seit zwei Jahren steht Sandra Schneller deshalb bei Eurotransplant auf der Warteliste für ein Spenderorgan:

 „Es ging damals ziemlich schnell, ich habe ja die Untersuchung gemacht, um diesen Status „transplantabel“ zu bekommen, also dass es sich noch lohnt. Also die untersuchen alles, ob man irgendwelche Krebserkrankungen hat, Herz, Lunge und dass man so eine OP überhaupt überstehen würde. Als ich dann damals von Eurotransplant den Brief bekommen habe, dass ich gelistet bin, da war ich schon sehr aufgeregt, hatte meine Tasche noch nicht mal gepackt, so, wenn die jetzt anrufen“.

Das werden sie wohl vorläufig nicht, denn die Wartezeit auf eine neue Niere betrage zurzeit über zehn Jahre, bei der als dringlicher eingestuften Doppeltransplantation von Niere und Bauchspeicheldrüse seien es vier bis sechs Jahre, so Schneller.
Das Diagramm zeigt die Anzahl der postmortalen Organspender in Deutschland in den Jahren von 1998 bis 2020

Die gemeinnützige Stiftung Eurotransplant vermittelt und koordiniert den internationalen Austausch von Spenderorganen in einem Verbund aus acht europäischen Ländern: Belgien, Deutschland, Kroatien, Luxemburg, den Niederlanden, Österreich, Slowenien und Ungarn.

Viel zu wenige Spenderorgane für 9.000 Wartende in Deutschland


Die Zuteilung erfolgt nach Schwere der Erkrankung, Erfolgsaussichten der Transplantation und der Wartezeit. Denn für 9.000 Menschen, die in Deutschland auf der Warteliste stehen, gibt es viel zu wenig Spenderorgane. Dabei finden laut einer Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung über 80 Prozent der Deutschen eine Organspende grundsätzlich positiv – allerdings habe das kaum jemand offiziell irgendwo mitgeteilt, beklagt Axel Rahmel von der Deutschen Stiftung Organtransplantation:

„Es ist schon bedrückend zu sehen, wenn Sie allein diejenigen betrachten, von denen wir es konkret wissen von den Organspendern, dass weniger als jeder fünfte von denen derzeit eine schriftliche Dokumentation seines Organspende willens hat, entweder im Organspendeausweis oder in der Patientenverfügung, da ist enorm viel Luft nach oben, also da kann einiges erreicht werden.“

Alle zwei Jahre sollen Hausärzte ihre Patienten über Organspende beraten


Deshalb tritt jetzt das neue Gesetz zur „Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende“ in Kraft. Vor einem Jahr hatte der Bundestag die Reform beschlossen. Demnach bleiben Organspenden weiterhin nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Gebers erlaubt. Allerdings soll es mehr Anreize geben. Wer einen Pass oder Personalausweis beantragt oder verlängert, soll Infomaterial bekommen und sich auch direkt im Amt oder von Zuhause aus in ein neues Online-Register eintragen können. Die in diesem Register hinterlegte Entscheidung kann jederzeit geändert werden. Das Onlineregister wiederum sollen die Krankenhäuser dann abfragen können. Alle zwei Jahre sollen Hausärzte künftig ihre Patienten über die Organspende beraten und sie soll in den Erste-Hilfe-Kursen im Vorfeld der Führerscheinprüfung thematisiert werden.
Kathrin Vogler, gesundheitspolitische Sprecherin der Linkenim Bundestag, hat sich für das neue Gesetz starkgemacht:

„Das war so unser Anliegen, dass Menschen einfach öfter angesprochen werden, um auf das Thema hingewiesen zu werden, dass sie auch eine Beratungsmöglichkeit bekommen, um eventuelle Ängste und Unsicherheiten auszuräumen. Und damit eben auch die Angehörigen zu entlasten in der Situation, die dann eben eine Entscheidung treffen müssen von der sie vielleicht gar nicht wissen, wie der Betroffene da zu Lebzeiten drüber gedacht hat.“

In einer Ausnahmesituation mit dem Sterben eines nahen Angehörigen konfrontiert zu sein, ist häufig eine Überforderung. Marita Donauer hat genau das erlebt, als ihr damals 46-jähriger Bruder an einem Gehirn-Aneurysma starb:

„Für mich war das größte Problem damals, eine Entscheidung für jemanden zu treffen, der bis dato seine Entscheidungen selbstbestimmt getroffen hat und das auch immer sehr unterstrichen hat. Und dann auf einmal, ich hatte ja seinen Tod noch gar nicht richtig realisiert, für ihn entscheiden zu müssen, also das war für mich fast ein bisschen übergriffig in dieser Situation, obwohl das völlig Blödsinn ist, weil er war ja verstorben, aber ich hatte es eben noch nicht realisiert.“
Gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin und seiner Exfrau entschied Marita Donauer, die Organe des Bruders zur Transplantation freizugeben. Einen Organspendeausweis hatte er nicht, aber alle drei kannten ihn gut und waren sich sicher, in seinem Sinne zu handeln:

„Wir hatten ein Gespräch mit dem Oberarzt der Station, auf der mein Bruder lag und der hat dann halt angefangen und alle Organe einzeln aufgezählt, linke Niere, rechte Niere und da habe ich gleich gesagt: ‚Stopp, Stopp, das mag ich gar nicht hören, nehmen Sie einfach alles, was noch gut funktioniert und was einem anderen Menschen jetzt ein gutes Weiterleben ermöglicht.’“

Mehr als jeder zweite Angehörige stimmt Organentnahme nicht zu


Keine Selbstverständlichkeit, sagt Kati Jordan. Die Oberärztin ist Transplantationsbeauftragte im Vivantes-Auguste-Viktoria-Klinikum in Berlin. Als eine von 1.500 deutschen Entnahmekliniken für Transplantationen ist sie die Schnittstelle der Krankenhäuser zu der Deutschen Stiftung Organtransplantation. Gespräche mit Angehörigen von Patienten, die für eine Spende infrage kommen, sind eine ihrer Aufgaben, dafür wurde sie speziell geschult:

„Da liegt ein Körper an Maschinen, der aussieht, als würde er gleich die Augen aufschlagen, der ist rosig unter Umständen, am Monitor schlägt das Herz und man kann natürlich denken, das kann alles gar nicht sein, was sie mir hier sagen. Man muss den Angehörigen begreiflich machen, dieser Mensch ist trotzdem tot. Und wir sind uns sicher. Es gibt keinen Zweifel.“

Solche Gespräche sind für die Ärzte eine schwere Aufgabe. Mehr als jeder zweite Angehörige stimmt in einer solchen Situation nicht zu.

In Deutschland ist die Zahl der gespendeten Organe und die Zahl der Transplantationen bezogen auf die Einwohnerzahl deutlich niedriger als in anderen europäischen Ländern. Das liegt unter anderem daran, dass in Deutschland potentielle Organspender oder deren Angehörige einer Organentnahme ausdrücklich zustimmen müssen.
Die Grafik zeigt die durchschnittliche Anzahl postmortaler Organspender in ausgewählten europäischen Ländern in den Jahren 2014 bis 2020
Die Grafik zeigt die durchschnittliche Anzahl postmortaler Organspender in ausgewählten europäischen Ländern in den Jahren 2014 bis 2020 (Statista.de/ Eurotransplant - Annual Report 2020)
In den meisten anderen europäischen Ländern wie Kroatien, Spanien oder Schweden gilt die sogenannte Widerspruchslösung. Das heißt, jeder, der nicht ausdrücklich widersprochen hat, ist Organspender. Diese Regelung hat dort teilweise zu einer Verdoppelung oder Verdreifachung der Spenderorgane geführt. Deutschland empfängt deutlich mehr Organe, als es über Eurotransplant zur Vergabe beisteuert.

Allerdings sind hier im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern die Organspendezahlen in den vergangenen beiden Corona-Jahren trotz Belastung der Krankenhäuser stabil geblieben. 933 Menschen spendeten im vergangenen Jahr nach ihrem Tod Organe.

Kati Jordan kämpft für jedes einzelne Organ. Aber während Corona sei das deutlich härter, vor allem, weil Angehörigenbesuche schwieriger zu realisieren waren und sind:

„Wenn die Tränen fallen in die FFP-Maske und es bricht einem das Herz, dass diese Frau nicht einfach die Tränen fließen lassen kann und man sie nicht in den Arm nehmen kann, das war schon nochmal herausfordernder und schwieriger.“

Um Angehörigen diese Entscheidung abzunehmen, plädiert auch Kati Jordan für eine Widerspruchslösung, die wohl überlegt zu Hause getroffen werden sollte. Einen Gesetzentwurf für eine Einführung der Widerspruchslösung hatte vor zwei Jahren eine Gruppe von Abgeordneten um den damaligen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn von der CDU und dem heutigen Gesundheitsminister Karl Lauterbach von der SPD eingebracht. Er wurde im Plenum heftig diskutiert, Lauterbach war einer der stärksten Befürworter:

„Das steht in dieser Form schon mehr oder weniger in der Bibel. Das, was ich will, was mir selbst zugute kommt, muss ich auch bereit sein, anderen zu geben. Das ist in der Tradition der Aufklärung. Das hat Kant so ausgedrückt, das ist die goldene Regel. Es ist unethisch, ein Organ nehmen zu wollen, aber nicht bereit zu sein, zumindest Nein zu sagen, wenn man nicht bereit ist, zu spenden. Das ist eine unethische Haltung.“

Vor- und Nachteile des Online-Registers


Die Widerspruchslösung scheiterte im Januar 2020 mit 379 zu 292 Stimmen. Die Abgeordneten einigten sich auf den Gesetzentwurf „zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft“, der nun im März in Kraft treten soll. Eine Gruppe von Abgeordneten um Annalena Baerbock von den Grünen und Katja Kipping von der Linken hatte den Gesetzentwurf eingebracht. Für Annalena Baerbock war dabei das Online-Register das Herzstück des neuen Gesetzes. Für die Krankenhäuser sei das besser als ein Organspendeausweis, der nicht ausgefüllt oder nicht mitgeführt werde:

„Und das ist ein großer Unterschied, ob ich hier so einen Pappausweis - wenn ich noch nicht mal ein Portemonnaie bei mir trage bei Kleidern - dabeihabe, oder – und das ist unser Vorschlag – ein Online-Register zu schaffen, wo sich jeder eintragen kann. Wissen Sie, was unser Problem ist in den Krankenhäusern? Selbst wenn alle Menschen Spenderinnen und Spender wären: 8,2 Prozent von denjenigen, die für hirntot in den Krankenhäusern erklärt worden sind, die wurden überhaupt nur transplantiert, weil sie nicht gemeldet wurden. Da müssen wir ran. Wenn wir diese Zahlen verdreifachen, haben wir genug Organe, sehr verehrte Damen und Herren.“

Ein Online-Register helfe allerdings auch nicht, wenn potenzielle Spender in den Kliniken gar nicht erst erkannt und getestet werden, sagt die nierentransplantierte Bettina Lange von der Selbsthilfegruppe „Niere“ aus Potsdam.

„Weil die Krankenhäuser entweder nicht die Möglichkeiten haben, keine Kapazitäten, jetzt kommt noch die Corona-Lage dazu. Wenn wir mit der postmortalen Spende im Krankenhaus mehr hinterher wären, würden auch die Zahlen anders sein.“

800 mögliche Spender oder 1.600 Nieren gingen so jedes Jahr verloren, meint Bettina Lange. Sie lebt nach Jahren der Wartezeit auf ein neues Organ inzwischen mit der Niere ihres Mannes.

„Und seitdem geht es mir gut. Mein Mann hat aber leider dieses Fatigue Syndrom, was auch etliche Spender haben, dieses Erschöpfungssyndrom, sodass er morgens beispielsweise gar nicht in Tritt kommt. Die Lebendspende ist natürlich diese Geschichte, dass man im Endeffekt zwei Patienten hat. Denn auch die Lebendspende hinterlässt ja bei dem Spender irgendwann Bluthochdruck, kann passieren, dass er auch irgendwann an die Dialyse muss.“
Die Grafik zeigt die Anzahl der Organspender in Deutschland nach Altersgruppen in den Jahren von 2009 bis 2020

Knapp 2.000 Nieren wurden 2020 in Deutschland transplantiert, davon ein Viertel als Lebendspende. Eine Lösung für den Organmangel in Deutschland ist das nicht. Das sieht Kati Jordan, die Transplantationsbeauftragte im Berliner Auguste-Viktoria-Klinikum, ähnlich. Dass der Mangel zu beheben sei, wenn die Krankenhäuser potenzielle postmortale Spender besser erkennen, testen und melden würden, glaubt sie allerdings nicht. Es gebe einfach zu wenig Spender, weil ein Hirntod bei uns für eine Organspende Voraussetzung ist – und der sei inzwischen ein relativ seltener Fall:

„Das ist sicher an einer Klinik, wo Patienten mit schweren komplexen Verletzungsmustern hinkommen, die dann auch Schädel-Hirn-Trauma-Verletzte versorgen mal häufiger als an einer Klinik, die keine Neurochirurgie hat und keine großen Polytraumata versorgt, da ist das noch seltener. Gott sei Dank, die Airbags haben sich verbessert, die Unfälle sind seltener, wir haben, Gott sei Dank, keine, wenig, Schussverletzte in Deutschland als beispielsweise in den USA, wo das ein ganz anderes Thema ist, aber die Patientengruppe ist überschaubar. Und dann gibt es auch Länder, die auch nach Kreislaufinsuffizienz und Herzstillstand transplantieren, die haben auch nochmal ein anders Potenzial.“ Wie zum Beispiel Spanien.

Spanien als Musterbeispiel

In Spanien hat diese Regelung zusammen mit der Widerspruchslösung und neuen Organisationsstrukturen in den Krankenhäusern dazu geführt, dass auf eine Million Einwohner im Durchschnitt 48 Organspender kommen. Hierzulande sind es gerade mal ein Viertel so viel.  

Im Koalitionsvertrag taucht das Thema nicht auf. Das Bundesgesundheitsministerium möchte zum Thema Organspende kein Interview geben und verweist auf das am 1. März in Kraft tretende „Gesetz zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende“. Dessen Ziel sei, „dass sich mehr Menschen mit der Frage der Organ- und Gewebespende und der eigenen Spendenbereitschaft auseinandersetzen und dazu eine informierte Entscheidung treffen, die dokumentiert wird.“

Umsetzung des Gesetzes schon jetzt im zeitlichen Verzug


Dass das geplante digitale Organspende-Register erst frühestens Ende dieses Jahres startbereit sei, räumte das Gesundheitsministerium Mitte Januar gegenüber der Frankfurter Rundschau ein. Der Aufbau des Abruf-Portals der Kliniken scheine aufgrund technischer und organisatorischer Probleme deutlich langsamer voranzukommen als der des Portals für die Erklärungen. Kathrin Vogler, gesundheitspolitische Sprecherin der Linken im Bundestag:

„Ich bin ehrlich gesagt ein bisschen frustriert, dass sich die Umsetzung so lange hinzieht und dass da so wenig Nachdruck vom Bundesgesundheitsministerium gemacht worden ist. Die Situation in den Kliniken ist natürlich unter den Pandemiebedingungen ohnehin belastet und bei den Krankenhäusern ist sowieso notwendig, dass mehr in Digitalisierung investiert wird, das steht ja auch im Koalitionsvertrag. Da darf auf keinen Fall dieses Organspenderegister hinten runterfallen.“

Auch Kati Jordan ist enttäuscht. Denn selbst wenn das Register startbereit wäre, sei der Zugang für Menschen, die ihre Zustimmung zu einer möglichen Organentnahme dokumentieren wollen, sehr kompliziert und damit eher abschreckend. Und auch den Ärzten werde die Arbeit nur teilweise erleichtert:

„Natürlich wäre das wünschenswert, wenn es gelänge, in diesem Register alle Antworten von Menschen über 16 zu hinterlegen. Aber das heißt ja nicht, dass es nicht dennoch der eine oder andere auf dem Organspendeausweis trägt, im Portemonnaie und der nächste hat vielleicht eine Patientenverfügung, wo ein Inhalt ist. Das heißt, es bleibt weiter an verschiedenen Stellen zu suchen. Und in meinen Augen bleibt es so, dass die Angehörigen unser erster Ansprechpartner sein werden, weil wir danach fragen müssen.“

Auch weitere Punkte des Gesetzes können nicht pünktlich umgesetzt werden. Denn dass man künftig auch bei den örtlichen Passämtern und Ausweisstellen Informationen bekommt und seinen Spendewillen online hinterlegen kann, scheitert bisher noch an einer Einigung des Bundes mit den Ländern.

Einzig bei der Vorbereitung der Hausarztpraxen auf ihre künftigen Pflichten scheint es voranzugehen. Sie sollen laut Gesetz die Patientinnen und Patienten bei Bedarf alle zwei Jahre über die Organspende informieren. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung hat entsprechende Materialien entwickelt. Aufgrund der Vergütung halte sich aber die Begeisterung der Ärzte in Grenzen, sagt der Vorsitzende des Hausärzteverbands Ulrich Weigeldt.

„Man kann sich vorstellen, wenn man hier Beratung sucht, ist das etwas, was auch einen gewissen zeitlichen Aufwand mit sich bringt. Die Broschüre dafür ist, glaube ich, alleine 50 Seiten lang. Wenn ich dann sehe, dass ich fünf Minuten Zeit bekomme, nach den bisher bekannt gewordenen Regularien, um dieses doch diffizile Thema zu besprechen, dann glaube ich, da möchte irgendjemand auch, dass wir das nicht tun.“
Die Organspende positiv in die Öffentlichkeit und mehr ins kollektive Bewusstsein zu bringen, ist für Kati Jordan aber auf jeden Fall der richtige Weg. Es brauche aber mehr Maßnahmen, als die, die das Gesetz vorsieht. Das Thema müsse immer im Hinterkopf sein, bei jedem, auch bei den Ärzten:

„Das ist in Deutschland immer noch so negativ belegt. Warum? Und in Deutschland sollten wir endlich mal die Augen aufmachen und sagen, das ist etwas Positives und wir wollen das. Man muss die Themen in den Schulunterricht bringen. Ich finde es extrem wichtig, dass es Teil im Studium und bei den medizinischen Berufen wird. Ich glaube, es muss so eine Kehrtwende machen, wie wir alle da draufschauen.“

Für Marita Donauer, die die Organe ihres Bruders für eine Transplantation freigegeben hat, ist das längst keine Frage mehr. Sie würde es jederzeit wieder tun. Zwar bleiben Spender und Empfänger bei der Organspende anonym, Informationen oder Briefe gibt es aber trotzdem, weitergeleitet von der Deutschen Stiftung Organtransplantation. Erst vor wenigen Wochen hat sie wieder ein Schreiben bekommen - 15 Jahre nach dem Tod ihres Bruders:

Bis auf Herz und Lunge leben alle Organe noch, also die beiden Nieren, die Bauchspeicheldrüse, die Leber. Was natürlich für uns was ganz Besonderes war, ist die Tatsache, dass wir einen Dankesbrief bekommen haben vom Empfänger der Lunge. Und der hat sich bedankt, weil er seit seinem fünften Lebensjahr zum ersten Mal richtig durchatmen konnte und er war immerhin jetzt 40 Jahre alt. Und das ist so eine Freude und so ein Trost, das ist unbeschreiblich.“