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Neues Kleinanlegerschutzgesetz
Nachbarschaftsinitiativen fürchten Probleme

Die Bundesregierung will Kleinanleger besser schützen. Eigentlich keine schlechte Idee, doch das Gesetz in seiner bisherigen Form könnte üble Nebenwirkungen haben. Von Bürgern finanzierte Solarparks oder Wohnprojekte könnten daran scheitern.

Von Manuel Waltz | 31.10.2014
    In ihrem Koalitionsvertrag erklärt die schwarz-rote Bundesregierung, sie wolle kleine alternative Projekte wie Freie Schulen und Kindergärten, von Bürgergemeinschaften betriebene Solar- und Windparks, Dorfläden oder Wohn- und Hausprojekte fördern. Tritt aber das geplante Kleinanlegerschutzgesetz in der jetzt vorliegenden Form tatsächlich in Kraft, ist das genaue Gegenteil der Fall, beklagt Stefan Rost vom Freiburger Mietshäusersyndikat, in dem sich rund 90 Hausprojekte in ganz Deutschland zusammengeschlossen haben.
    "Es ist ein Bereich von Tausenden wenn nicht Zehntausenden Initiativen bundesweit, denen damit das Aus drohen würde."
    Denn all diese Projekte finanzieren sich über Direktkredite, die sie direkt von Bürgern erhalten. Im Falle einer Insolvenz werden diese als letztes bedient. Auch Prokon hat eine ähnliche Form von Krediten genutzt. Viele Prokon-Anleger werden deshalb wohl ihr Geld nicht wieder sehen. Der Gesetzentwurf aus dem Bundesfinanzministerium sieht in seiner aktuellen Fassung nun vor, dass Projekte, die mit dieser Finanzierungsform arbeiten, künftig einen sehr aufwendigen und kostspieligen Prospekt vorlegen müssen, der von einer Fach-Anwaltskanzlei erstellt und von der Finanzaufsicht BaFin geprüft wird – genauso wie ein milliardenschwerer Fonds. Dies, so Stefan Rost, würden die Projekte finanziell überfordern.
    "Das sind 50.000 Euro und das ist nicht nur ein Mal. Wenn man eben Direktkredite anwirbt, die wir brauchen als Eigenkapital, um Bankkredite überhaupt zu bekommen, für unsere Wohnprojekte, dann müssen wir Jahr für Jahr 50.000 Euro auf den Tisch legen."
    Zudem zweifelt Rost die Wirksamkeit der Prospekte an. Denn Prokon, dessen Pleite die Begründung für die Ausweitung der Prospektpflicht ist, hatte genau einen solchen Prospekt veröffentlicht. Trotzdem ließen sich viele Kleinanleger auf die riskanten Papiere ein. Tatsächlich ist ein solcher Prospekt in der Praxis für private Anleger kaum von Nutzen, denn sie sind für Laien praktisch nicht zu verstehen. Dazu seien sie viel zu kompliziert und in einer Finanz-Fachsprache gehalten, die nur professionellen Anlegern als Orientierung dienen kann, sagt auch der Verbraucherzentrale Bundesverband. Dennoch befürwortet er die Ausweitung der Prospektpflicht, da sich so immerhin Experten informieren könnten.
    Für Stefan Rost dagegen zeigt gerade die Pleite von Prokon, dass solche Prospekte Kleinanleger in einer falschen Sicherheit wiegen könnten und sie dadurch erst zu einem sorgloseren Anlageverhalten angestiftet werden. Denn die BaFin prüft nur, ob die Inhalte nachvollziehbar und widerspruchsfrei sind. Nicht aber, ob es auch eine solide Anlage ist.
    Für alternative Bürgerprojekte könnte die Prospekt-Pflicht das Aus bedeuten
    "Und das Fatale ist, dass diese formelle Prüfung mit einem Siegel der Bankenaufsicht versehen ist und das erzeugt dann eben bei den Verbrauchern den Eindruck, ach, das ist ja alles in Ordnung das ist ja von einer staatlichen Stelle geprüft worden."
    Das Ministerium überarbeitet den Entwurf derzeit, noch im November soll die neue Version vom Kabinett beschlossen werden. Initiativen und Projekte aus ganz Deutschland kämpfen nun für Ausnahmen in der Prospektpflicht. Sie argumentieren damit, dass es sich bei ihnen stets um kleine, überschaubare Einheiten und Projekte geht: ein konkretes Hausprojekt oder ein Windpark in der Gemeinde. Diese Struktur allein mache sie bereits wesentlich transparenter und für die einzelnen Geldgeber leichter zu überblicken. Prokon und andere vergleichbare Fonds dagegen investieren ihr Geld an vielen verschiedenen Orten, oft auch im Ausland. Zudem unterscheiden sich die Motive sehr deutlich, mit denen Menschen ihr Geld in einem Fonds wie Prokon anlegen oder in alternative Bürgerprojekte investieren. Sicherlich handelt sich bei beiden um eine Geldanlage, aber:
    "Die Leute, die da Geld geben, die machen das in erster Linie aus persönlicher Überzeugung von dem Projekt, weil sie eben auch wissen, dass wir selber damit ja auch kein Geld verdienen, sondern dass es ja um den Gebrauchswert sage ich mal geht."
    Sagt Tobias Bernet. Er steht im Hof eines neuen Hausprojekts in Leipzig und rührt gerade auf der Baustelle Putz an, für die Fassade.
    "Es geht darum, eine Idee zu unterstützen, ein konkretes Projekt. Eben eine Form der Wohnungswirtschaft, die nicht profitorientiert ist und das ist auf jeden Fall eine Überzeugungssache."
    Das Mietshäusersyndikat will deshalb die Prospekt-Pflicht an der Höhe der Verzinsung festmachen. Prokon wurde als lukrative Geldanlage vermarktet und hat eine Verzinsung von acht Prozent versprochen. Bei Häusern des Mietshäusersyndikats und vergleichbaren Projekten können die Kreditgeber selbst entscheiden, wie viele Zinsen sie erhalten wollen. In der Regel reicht die Spanne von Null bis zwei, manchmal auch maximal drei Prozent. Projekte mit solch niedrigen Zinsen könnte man von der Prospektpflicht befreien, so das Syndikat. Denn wer hier sein Geld anlegt, wolle schließlich in der Regel nichts verdienen, sondern das konkrete Projekt unterstützen. Und was man unterstützen will, das kennt man, dazu ist kein 50.000 Euro-Prospekt nötig, so Tobias Bernet.