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Neues Konzept der FDP
Elternunabhängiges Baukasten-BAföG

Die BAföG-Reform der großen Koalition geht vielen Kritikern nicht weit genug. Mit einem "Baukasten-BAföG" wolle die FDP künftig Studierende unabhängig vom Einkommen ihrer Eltern fördern, sagte Jens Brandenburg, hochschulpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, im Dlf.

Jens Brandenburg im Gespräch mit Kate Maleike |
11.10.2018, Berlin: Jens Brandenburg, Bundestagsabgeordnete der FDP spricht im Bundestag. Foto: Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dpa | Verwendung weltweit
Jens Brandenburg, Bundestagsabgeordnete der FDP, gehen die BAföG-Pläne der Bundesregierung nicht weit genug. (picture alliance / Jens Büttner)
Kate Maleike: In die Debatte um die BAföG-Reform will sich die FDP mit einem Vorschlag einbringen, der BAföG völlig elternunabhängig gestalten will und wie ein Baukastenmodell funktionieren soll. Näheres hören wir dazu jetzt von Jens Brandenburg, dem hochschulpolitischen Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. Guten Tag!
Jens Brandenburg: Hallo, Frau Maleike!
Maleike: Sie wollen neuen Schwung in die BAföG-Pläne bringen und haben jetzt noch ganz schnell, kurz vor Toresschluss sozusagen, ein neues Modell vorgestellt. Elternunabhängig ist dabei das wichtigste Wort. Was genau planen Sie?
Brandenburg: Ja, wir haben vor, künftig Studierende unabhängig vom Einkommen ihrer Eltern zu fördern, weil wir sehen, dass die größten Probleme im Moment im Studium diejenigen haben, die kein BAföG bekommen und deren Eltern dennoch nicht genug Geld haben oder bereitstellen wollen zur Finanzierung des Unterhalts des Studiums. Und da haben wir eine Lösung.
Sockelbetrag von 200 Euro
Maleike: Sie haben eine Lösung, Sie sagen nämlich: Alle Studierenden bundesweit bekommen von uns, das ist sozusagen Teil eins Ihres Baukastens, 200 Euro im Monat per se.
Brandenburg: Genau! Dieser Sockelbetrag von 200 Euro ist quasi analog zum bisherigen Kindergeld. Der Unterschied ist der, dass es direkt an die Studierenden ausgezahlt werden soll, sodass man das sofort zur Verfügung hat.
Maleike: Ein weiterer Baustein wäre dann, dass Sie denjenigen, die zum Beispiel neben dem Studium auch arbeiten oder ehrenamtlich tätig sind oder eben bei der Pflege von Angehörigen behilflich sind, noch einen weiteren Betrag zukommen lassen von 200 Euro.
Brandenburg: Ganz genau. Dieser weitere Zuschuss soll gezielt diejenigen unterstützen, die auch einen eigenen Beitrag leisten wollen. Wir sehen, dass unter den Nicht-BAföG-Empfängern heute schon 40 Prozent der Studierenden weit über zehn Stunden in der Woche arbeiten im Schnitt, viele davon sogar doppelt so viel. Und denen wollen wir es ermöglichen, das auf ein zumutbares Maß zu beschränken, und schlagen deshalb diese sehr zielgenaue Förderung vor.
BAföG-Darlehen als freiwillige Leistung
Maleike: Dann wären wir bei 400 Euro, wenn wir jetzt mal diese beiden Komponenten hätten. Sie haben aber noch einen weiteren Teil in Ihrem Baukasten.
Brandenburg: Genau. Das ist das BAföG-Darlehen, also explizit ein zinsfreies Darlehen, das auch nur bei gutem Einkommen später erst zurückgezahlt werden soll. Der Unterschied zum bisherigen System ist, dass das eine freiwillige Leistung ist, das heißt, man muss den Darlehensteil nicht in Anspruch nehmen. Bisher ist das ja zwangsweise Teil des BAföG-Systems. Und außerdem auch in die andere Richtung erlauben wir mehr Flexibilität, das heißt, bis zu einer Summe von insgesamt 1.000 Euro soll die Möglichkeit auch sein, dieses zinsfreie Darlehen entsprechend aufzunehmen. Das ist sehr wichtig, vor allen Dingen, um eine gewisse Flexibilität im Alltag, wenn man auch kurzfristig auf Mittel zugreifen muss, zu gewährleisten.
"Längst überfälliger Inflationsausgleich"
Maleike: Warum gehen Ihnen denn die Pläne der Bundesregierung nicht weit genug, was das BAföG jetzt betrifft? Immerhin soll ja eine Erhöhung kommen, also nicht nur bei den Höchstfördersätzen, sondern eben zum Beispiel auch beim Wohngeld, was die Studierenden ja gerade in den großen Städten dringend brauchen.
Brandenburg: Wenn man sich das mal anschaut, sowohl die Höchstsätze, als auch die Einkommensfreibeträge, das soll jetzt in den nächsten Jahren um insgesamt 16 Prozent ansteigen. Der allergrößte Teil davon ist ein längst überfälliger Inflationsausgleich, damit wird es nicht gelingen, die große Trendwende im BAföG zu erreichen und auch den vielen Studierenden, die jetzt Unterstützung brauchen, unter die Arme zu greifen. Also das ist zwar ein kleiner Schritt in die richtige Richtung, aber viel zu kurz gesprungen.
"Vorschlag, der haushälterisch umsetzbar ist"
Maleike: Wenn Sie jetzt sagen, wir nehmen die Elternfreibeträge komplett raus aus diesen Rechnungen, laufen Sie ja völlig konträr zu dem, was bislang gemacht wurde. Wie wollen Sie das denn finanzieren?
Brandenburg: Der Vorschlag, den wir machen, der ist mit den Mitteln, die ohnehin im Haushalt dafür vorgesehen sind, weitgehend schon gegenfinanziert. Wir haben ja bewusst gesagt, wir wollen jetzt mal in dieser erlahmten Debatte zwischen kleinen Trippelschritten, Inflationsausgleich und den großen Umverteilungsfantasien mal einen Vorschlag machen, der haushälterisch umsetzbar ist, also mit aktuellen Mitteln somit im nächsten Jahr bereits umgesetzt werden kann, gleichzeitig aber die Zahl der Geförderten schon im nächsten Jahr nahezu verdoppeln kann, also deutlich mehr Studierende in die Förderung mit aufnimmt, indem wir es eben deutlich zielgenauer gestalten und dafür sorgen, dass jeder eine realistische Chance hat, sich den Unterhalt über das BAföG insgesamt auch entsprechend für das Studium zusammenzufinden.
"Midlife-BAföG in der Mitte des Lebens"
Maleike: Und die Altersgrenzen? Bislang ist es so, 30 Jahre ist die Grenze beim Bachelor und 35 beim Master, dann bekommt man kein BAföG mehr. Wollen Sie diese Grenzen bestehen lassen oder aufheben?
Brandenburg: In diesem ersten Schritt würden wir auf den bisherigen Regelungen da aufbauen, das ist aber sicher eine Diskussion für weitere Reformschritte, über die man dann noch mal diskutieren sollte. Insbesondere für den Bereich des lebenslangen und auch berufsbegleitenden Lernens wollen wir aber generell ein zweites Bildungssystem schaffen. Wir sehen das ja, dass es über dieses erste Studium, für das es BAföG gibt, hinaus ganz viele Situationen gibt, wo man mit Mitte 40, Mitte 50 vielleicht auch kleinere Module dazulernen möchte. Die finanziellen Möglichkeiten wollen wir allen Bürgern schaffen, also gewissermaßen eine Art Midlife-BAföG in der Mitte des Lebens. Das ist aber unabhängig von dieser Studienförderung am Anfang des Erwerbslebens.
"Talente aus der beruflichen Bildung deutlich stärker unterstützen"
Maleike: Es gibt ja viele Kritiker auch von BAföG oder BAföG-Erhöhungen, das kommt zum Beispiel auch aus dem Bereich der Ausbildung, weil man sagt, bei den Studierenden wird staatlich stark geholfen, aber bei den Auszubildenden kann man sich zum Beispiel noch nicht mal auf ein Ticket für öffentlichen Nahverkehr oder so einigen. Müssten Sie nicht eigentlich auch in den Ausbildungsbereich dann stärker gucken? Ich weiß, Sie sind hochschulpolitischer Sprecher, aber das ist ja eine Diskussion, die man mit führen muss.
Brandenburg: Absolut. Da gibt es viele Baustellen. Beim Aufstiegs-BAföG, was man beispielsweise für eine Meisterausbildung bekommt, gibt es eine leichte Unterstützung, aber unter dem Strich, je nach Berufsbild, kostet alleine die Meisterausbildung schon zwischen 3.000 und 20.000 Euro. Das kann es natürlich nicht sein, erst recht nicht, wenn man sieht, dass man als Studierender ja an staatlichen Hochschulen in aller Regel gebührenfrei studieren kann, ist das eine sehr große Ungleichbehandlung. Da wollen wir also die Talente aus der beruflichen Bildung deutlich stärker unterstützen, und das geht hin bis zum Schulgeld, was wir zum Beispiel in der Erzieherausbildung in einigen Bundesländern weiter verlangen, also da ist definitiv noch viel zu tun.
Maleike: Jens Brandenburg war das, der hochschulpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. Seine Partei hat ein BAföG-Modell vorgeschlagen, das elternunabhängig funktionieren und deshalb für jeden Studierenden möglich sein soll.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.