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Neues Label für Fleisch geplant
Nicht Bio, aber mehr Tierschutz

Bei ihren Sondierungen haben sich Union und SPD auf die Einführung einer neuen Kennzeichnung für Fleisch aus besserer Haltung geeinigt. Agrarmarketing-Experte Achim Spiller hält die Maßnahme für sinnvoll. Es gebe einen Markt für solche Produkte, sagte er im Dlf. Er sieht aber auch Schwierigkeiten bei der Umsetzung.

Achim Spiller im Gespräch mit Stefan Römermann    |
    Eine Fleischtheke
    Sollte die Haltungsform der Tiere auf Fleischverpackungen vermerkt sein? (picture-alliance / Alexandr Kryazhev)
    Stefan Römermann: Bilder von engen, überfüllten Ställen mit Tieren in erbarmungswürdigen Zuständigen, manchmal sogar krank, die sorgen immer wieder für Aufregung und dicke Schlagzeilen. Zugegeben: Solche Fälle sind auch bei der oft kritisierten Massentierhaltung nicht die Regel. Da läuft auch vieles sehr, sehr gut ab. Trotzdem wünschen sich viele Verbraucher in Umfragen mehr Tierschutz in der Tierhaltung. In der Sondierungsvereinbarung haben sich Union und SPD deshalb letzte Woche auch auf eine neue staatliche Kennzeichnung für Fleisch aus besserer Haltung geeinigt. Darüber möchte ich jetzt sprechen mit Achim Spiller. Er ist Professor für das Marketing von Agrarprodukten und Lebensmitteln an der Universität Göttingen und Mitglied im wissenschaftlichen Beirat für Agrarpolitik der Bundesregierung. Herr Spiller, hallo!
    Achim Spiller: Hallo, Herr Römermann.
    "Das ist sehr unverbindlich, was da erst mal drinsteht"
    Römermann: Sie haben sich die Sondierungsvereinbarung angeschaut. Was ist denn Ihr Eindruck? Bringt das den Tierschutz in Deutschland irgendwie voran?
    Spiller: Das ist sehr unverbindlich, was da erst mal drinsteht. Wir haben im wissenschaftlichen Beirat ausgerechnet, dass eine Umgestaltung der Tierhaltung in Deutschland zu mehr Tierschutz circa drei bis fünf Milliarden Euro jedes Jahr kosten würde, also sehr viel Geld, was da notwendig ist, weil die Tierhaltung in Deutschland so groß ist. Und Finanzen sind zum Beispiel gar nicht angesprochen im Papier.
    Römermann: Die Kosten würden dann im Zweifelsfall aber die Kunden zahlen, oder würde das staatlich gezahlt? Was stellen Sie sich da vor?
    Spiller: Im Endeffekt bleibt es natürlich irgendwo bei den Bürgern. Das kann sein über Subventionen oder zusätzliche Steuern. Auch das wird diskutiert, eine Tierschutzsteuer. Dann landet es bei den Steuerzahlern. Es kann aber auch bei den Käufern von Fleisch und Milchprodukten landen, wenn es zum Beispiel um ein Tierschutz-Label geht. Dann bezahlt es der Verbraucher an der Ladentheke. Wir brauchen beides.
    Tierschutz-Label in Niederlanden sehr erfolgreich
    Römermann: Es scheint ja, in der Sondierungsvereinbarung, tatsächlich ein Tierwohl-Label zu sein, was, ich sage mal, ein bisschen zusätzlich draufgesetzt wird. Wir haben einmal das Bio-Label, dann noch ein Label für Fleisch, was nicht bio ist, aber trotzdem, wo man ein bisschen ein besseres Gewissen hat. Gibt es für so was denn tatsächlich einen Markt?
    Spiller: Den gibt es wohl. Zumindest zeigen das viele wissenschaftliche Studien und zeigen auch Ergebnisse zum Beispiel am Markt aus den Niederlanden. Die Niederländer haben vor einigen Jahren ein solches Tierschutz-Label eingeführt. "Beter leven" heißt es da, besseres Leben. Das ist am Markt ausgesprochen erfolgreich. Wenn Sie in Holland durch die Regale gehen, sehen Sie das an allen Ecken und Enden. Das hat viel größere Marktanteile als in Deutschland bisher.
    Römermann: Aber die Leute könnten ja eigentlich auch Biofleisch kaufen. Was ist der Anreiz da?
    Spiller: Der Unterschied liegt im Preis. Biofleisch ist teurer, deutlich teurer, häufig doppelt, meistens sogar eher dreimal so teuer wie konventionelles Fleisch. Das hat einmal was mit den besseren Haltungsbedingungen zu tun, aber auch mit dem teuren Biofutter. Und wenn man jetzt "nur" auf Tierschutz setzt und das auch vielleicht in deutlich größeren Größenordnungen macht - wir haben im Moment einen Bio-Marktanteil bei Schweine- und Hühnerfleisch von einem Prozent. Das trägt auch dazu bei, dass es so teuer ist, dass das so Minimärkte sind. Wenn man es in größerem Stil machen würde und nur auf den Tierschutz setzen würde, dann könnte man auch mit mehr Preisen in der Größenordnung von 30 Prozent auskommen, und das ist was anderes als 200, 300 Prozent und dann gäbe es auch deutlich größere Zielgruppen.
    Eier: Verbraucher zahlen freiwillig mehr für Tierschutz
    Römermann: Bei Eiern haben wir ja das System, dass auf jedem Ei inzwischen draufgedruckt ist, es ist entweder aus Freilandhaltung, aus Bodenhaltung oder Biohaltung. Wäre so was nicht auch eine Möglichkeit, dass man bei Fleischprodukten einfach auch immer draufschreibt, aus was für einer Art Haltung das ist? Dann könnte man sich doch so ein zusätzliches Label eigentlich sparen.
    Spiller: Letztlich ist das natürlich auch eine Art von Label, diese verpflichtende Haltungskennzeichnung, wie wir sie bei Eiern haben. Die hat ja auch ausgesprochen gut funktioniert. Wir haben bei Eiern fast 30 Prozent an der Menge und ungefähr 40 Prozent des Umsatzes, die dort heute auf Freiland und auf Bio entfallen, wo die Verbraucher freiwillig mehr Geld bezahlen für den Tierschutz.
    "Nicht leicht zu sagen, was die tierfreundliche Haltungsform ist"
    Römermann: Aber die Bauernverbände sind von so einer Variante, glaube ich, nicht so begeistert, oder?
    Spiller: Sie ist auch in der Tat, das muss man sagen, nicht ganz einfach umzusetzen. Sie würde am Markt wahrscheinlich noch besser wirken, weil der Verbraucher eine größere Transparenz hätte, aber zum einen verlangt das dann eine flächendeckende Prüfung, Kontrolle in der Landwirtschaft, und es ist nicht so ganz einfach zu definieren, was denn die tierfreundlichen Haltungsformen sind. Bei Legehennen in der Eierproduktion, da gibt es relativ klare standardisierte Haltungssysteme, klare Stalltypen, weil die von einigen wenigen Stallbau-Unternehmen so hergestellt werden. Die sind wirklich typologisiert und da weiß man, es gibt Bodenhaltung, es gibt Freilandhaltung, es gibt Biohaltung. Bei Schweinen, bei Kühen gibt es ganz viele unterschiedliche Stalltypen. Es wäre gar nicht so einfach zu sagen, was denn da die tierfreundliche Haltungsform ist. Das ist aufwendiger und inzwischen hat sich auch die Forschung ein bisschen weiterentwickelt. Man weiß, es kommt nicht nur auf das Haltungssystem an, was man so als Tierschutz mit dem Zollstock bezeichnet, weil es da viel um Platz geht, sondern es geht auch darum, wie mit den Tieren umgegangen wird. Das ist genauso wichtig, ob der Landwirt viel Kompetenz hat, die Tiere gut zu betreuen. Auch das muss man irgendwo mit erfassen. Das ist das eine Problem und das zweite ist …
    Römermann: Herr Spiller, ich fürchte, uns läuft langsam die Zeit weg, sehe ich gerade. Ich bedanke mich trotzdem für das Gespräch. Ich glaube, es waren gute Anregungen drin. Und ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag.
    Spiller: Ja! Danke auch, Herr Römermann. – Tschüss!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.