Georg Ehring: Weitaus die meisten Menschen bei uns wollen keine Lebensmittel, die mit Hilfe der Gentechnik produziert worden sind, und Lebensmittel mit gentechnisch veränderten Zutaten sucht man in den Regalen der Supermärkte vergebens. Wer besonderen Wert auf Gentechnik-Freiheit legt, kauft Lebensmittel mit dem Siegel "Ohne Gentechnik", denn wirklich frei von genveränderten Zutaten sind viele konventionelle Lebensmittel nicht.
Dabei geht es vor allem um Futtermittel. Sie enthalten oft Gentechnik-Soja oder Raps und dem Fleisch oder der Milch sieht man es hinterher nicht an, ob Gentechnik gefüttert worden ist oder nicht. Eine Kennzeichnung ist hier nicht vorgeschrieben.
Der Verein Lebensmittel ohne Gentechnik bringt jetzt sein neues Siegel für gentechnikfreie Futtermittel heraus und mit seinem Geschäftsführer Alexander Hissting bin ich telefonisch verbunden. Guten Tag, Herr Hissting.
Alexander Hissting: Schönen guten Tag!
Ehring: Herr Hissting, Futter mit Gentechnik muss gekennzeichnet werden, und wo keine Kennzeichnung auf dem Futtermittelsack ist, ist auch keine Gentechnik drin. Wozu dann Ihr neues Siegel?
Hissting: Das neue Siegel - das nennt sich VLOG-geprüft, so wie der Verband VLOG-geprüft - bietet einfach noch mehr Sicherheit dem Landwirt, weil die Gentechnikfreiheit auch durch externe Kontrollen verifiziert wird. Man muss sich nicht nur auf die Aussage des Futtermittelherstellers verlassen, sondern unabhängige Institute gehen in den Betrieb rein und kontrollieren nach fest definierten Vorgaben, ob diese Abwesenheit der Gentechnik-Kennzeichnung auch tatsächlich eingehalten wird. Insofern ergibt sich für den Landwirt und damit dann natürlich auch für den Verbraucher noch mehr Verlässlichkeit, dass diese Futtermittel tatsächlich gentechnikfrei sind.
Ehring: Hat es denn da in der Vergangenheit Fälle gegeben, wo die Gentechnikfreiheit gar nicht stimmte?
Hissting: Es kommt immer mal wieder vor, dass Futtermittel, die nicht gekennzeichnet sind als gentechnisch verändert, eigentlich hätten gekennzeichnet sein müssen. Und wir sehen auch, dass die Futtermittel-Unternehmen, die sich bereits heute nach dem Zertifizierungsstandard, den wir herausgegeben haben, zertifizieren lassen, deutlich bessere Analyseergebnisse vorweisen können als andere Unternehmen. Das bestätigt uns in dem Weg, jetzt diese Futtermittel auch mit einem klaren Siegel zu kennzeichnen, sodass der Landwirt, wenn er seine Futtermittel-Lieferung bekommt, auch klar sieht, welche Qualität er denn eigentlich einkauft.
Ehring: Das heißt, das Siegel richtet sich an Landwirte? Für die Endkunden ist es eigentlich dann nicht mehr zu sehen?
Hissting: Das ist richtig. Für den Endkunden ist das Siegel "Ohne Gentechnik" relevant. Überall wo auf einem Lebensmittel "Ohne Gentechnik" steht, hat der Gesetzgeber genau vorgegeben, welche Kriterien eingehalten werden müssen für die Fütterung. Und der Landwirt wiederum, der kann sich jetzt in Zukunft auf das Futtermittel-Siegel "VLOG-geprüft" stützen und er hat diese zusätzliche Verlässlichkeit durch die externe Zertifizierung.
"Der Gesetzgeber hat klare Fristen definiert"
Ehring: Beispielsweise Fleisch ohne Gentechnik - muss ein Rind oder ein Schwein das Ganze Leben auf Gen-Soja verzichten, oder nur die letzten Monate vor der Schlachtung?
Hissting: Es ist immer der Großteil des Lebens. Der Gesetzgeber hat hier klare Fristen definiert. Bei einem Schwein zum Beispiel sind es die letzten vier Monate, die das Tier gentechnikfrei gefüttert sein muss, vier Monate von ungefähr sechs Monaten, aber das betrifft natürlich die Periode, wo das Tier gemästet wird, wo es den Großteil an Soja frisst. Und bei einem Rind ist zum Beispiel das ein Dreiviertel des Lebens. Es betrifft immer den Großteil des Lebens, in dem das Tier tatsächlich gentechnikfrei gefüttert sein muss.
"Zusatzstoffe selbst sind nicht gentechnisch verändert"
Ehring: Die Verbrauchererwartung wäre ja vermutlich ganz ohne Gentechnik, aber es gibt ja auch Zusatzstoffe. Die sind bei Ihnen wahrscheinlich auch erlaubt?
Hissting: Der Gesetzgeber hat nicht ausgeschlossen, dass auch Zusatzstoffe, die hergestellt sind durch gentechnisch veränderte Mikroorganismen, im Futter vorhanden sein dürfen.
Allerdings sind diese Zusatzstoffe selber nicht gentechnisch verändert, sondern sind wie gesagt nur in einem geschlossenen System, also in einem Fermenter von gentechnisch veränderten Mikroorganismen produziert worden. Aber diese gentechnisch veränderten Mikroorganismen selber landen nicht im Futter, sondern nur deren Produkte.
Aber diese zum Beispiel Aminosäuren, die sind in der Tat zugelassen. Der Gesetzgeber hat das entschieden, um hier auch der Tiergesundheit Vorsorge zu tragen, weil diese Aminosäuren für eine ausgewogene Ernährung oft sehr wichtig sind.
"Diese Analysen sind alles andere als verlässich"
Ehring: Ist denn die Gentechnik-Freiheit am Ende im Produkt, im Fleisch oder in der Milch nachweisbar?
Hissting: Hier gibt es zwar Grundlagenforschung, wo man meint, ab und zu Gene von gentechnisch veränderten Pflanzen gefunden zu haben, aber diese Analysen sind alles andere als praxistauglich und verlässlich. Im Grunde kann man sagen, nein, in tierischen Produkten kann man nicht verlässlich nachweisen, ob die Tiere Gentechnik gefressen haben oder nicht. Um das zu analysieren, muss man tatsächlich auf den landwirtschaftlichen Betrieb gehen, in den Futtertrog schauen, dort Analysen anstellen, und dann weiß man, ob das Tier tatsächlich Gentechnik gefressen hat oder nicht.
Ehring: Alexander Hissting vom Verein Lebensmittel ohne Gentechnik war das - herzlichen Dank.
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