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Neues Leserzentrum
New York Times trennt sich von Leseranwalt

Fast 15 Jahre lang beschäftigte die New York Times Ombudsmänner, die sich um die Kontaktpflege zu den Lesern gekümmert haben. Nun hat sich das Blatt von der letzten Ombudsfrau getrennt. Das Ende einer Ära?

    Der Gebäude der "New York Times" in Manhattan - mit gelben Taxen im Vordergrund.
    Der Redaktionssitz der New York Times in Manhattan (imago / Rüdiger Wölk)
    Die Ombudsstelle existiert nicht mehr. Doch könnten die Ziele, die man sich für das neue Leserzentrum der New York Times gesteckt hat, dem Ratgeber eines Grossfamilientherapeuten entnommen sein. Von optimiertem Austausch ist da die Rede, von Feedback und Miteinbeziehen, von Community und Transparenz.
    Leiterin Hanna Ingber: "We’re really trying to not be a watchdog of the newsroom, but instead we’re trying to empower the newsroom to do this themselves."
    Statt wie bis anhin von einem Quasivertreter der Öffentlichkeit beaufsichtigt zu werden, soll sich die Redaktion mit Hilfe des Reader Centers künftig selber auf die Finger schauen. Der eigentliche Schwerpunkt ihrer Arbeit liege darin, die Kommunikation zwischen der New York Times und ihren Lesern zu fördern, so Hanna Ingber:
    "We hope that we change the relationship between our readers and our journalists and that we find new ways to create connections.”
    Kritische Distanz nicht garantiert
    Da es sich bei den Lesern der New York Times längst nicht mehr nur um Leser, sondern auch um Hörer und Zuschauer handelt, läuft die Beziehungspflege schon jetzt auf allen Kanälen. Reporter twittern im Halbstundentakt. Auf Facebook Live probt die Zeitung interaktiven Journalismus in Echtzeit. Es locken ein halbes Dutzend New York Times-Podcasts. Und während im Augenblick noch zehn Prozent aller Artikel für Leserkommentare offen stehen, werden es Ende des Jahres 80 Prozent sein.
    Nicht alle sind davon überzeugt, dass sich durch diese multimediale Umtriebigkeit eine kritische Instanz innerhalb der Redaktion erübrigt. Margaret Sullivan war von 2012 bis 2016 Ombudsfrau der Times und damit von den insgesamt sechs Public Editors seit der Schaffung der Position 2003 am längsten in Amt.
    Margaret Sullivan: "Die sozialen Medien und Leserkommentare können eine Ergänzung, kein Ersatz für die Ombudsstelle sein. Der Public Editor hat, was dem Publikum fehlt, nämlich Zugang zu den obersten Etagen des Hauses. Auch leitende Redakteure sind ihm Rechenschaft schuldig, denn genau dafür haben sie ihn eingestellt. Und ihre Reaktionen auf Kritik bringt der Public Editor direkt zurück zur Leserschaft."
    Effekte für das Marketing
    Im Gegensatz zum Ombudsmann, der sich unabhängig durch das ganze Unternehmen bewegte, wird das Reader Center unter anderem eng mit der Marketingabteilung zusammenarbeiten.
    Hanna Ingber: "Das Marketing sagt zum Beispiel: Wir werden diese E-Mail an unsere Abonnenten verschicken, auf welchen unserer tollen Artikel könnten wir darin hinweisen? Jemand aus unserem Team wird dann als Vertreter der Redaktion Vorschläge machen. Diese Person fungiert als Kontakt zwischen Marketing und Redaktion."
    Dabei sei das Reader Center keineswegs selber eine Marketinginitiative, betont Hanna Ingber. Es werde von der Redaktion gesteuert.
    Margaret Sullivan bezweifelt, dass sich diese Trennung aufrecht erhalten lässt:
    "Es ist doch ein Widerspruch, wenn das Reader Center die Zeitung einerseits attraktiver machen und sie andererseits zur Verantwortung ziehen soll. Beides zusammen geht nicht."
    Margaret Sullivan ist inzwischen Medienkolumnisten der Washington Post. Die Post hat ihre eigene Ombudstelle 2013 abgeschafft. Damit verfügen nur noch zwei überregionale Medienorganisationen in den USA über Public Editors: Der Radiosender NPR und der Fernsehkanal PBS, wobei die Stelle bei PBS im Moment unbesetzt ist. Nicht unbedingt ein Erfolgsrezept in einer Zeit, in der Falschnachrichten florieren und der lediglich einer von drei Amerikanern den Mainstreammedien überhaupt noch vertraut.