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Neues Mekons-Album "Deserted"
Erfolglos glücklich

Seit mehr als 40 Jahren veröffentlicht die in Leeds gegründete Band ihre Musik. Alle paar Jahre erscheint ein Studio-Album des in viele Himmelrichtungen verstreuten Haufens von Gleichgesinnten. Die Mekons feiern ihre seltenen Treffen dann in und mit fröhlicher musikalischer Anarchie.

Von Frank Sawatzki |
The Mekons wiedervereint 2019
Das neue Album entstand im Studio am Rande der Joshua-Tree-Wüste in Kalifornien - So weit nach draußen hatte es selbst die Mekons bisher noch nicht verschlagen, aber das Ambiente passt. (Ricky Malpas)
"Für uns ist das immer ein bisschen wie eine Wiedervereinigung, wir sehen einander nicht die ganze Zeit, weil wir die Band nicht als Full-time-Projekt betreiben. Es ist einfach großartig, gemeinsam abzuhängen, wie eine Gruppe von Freunden. Jeder genießt die Anwesenheit und die musikalischen Ideen des anderen."
Als Jon Langford 1977 die Band mit ein paar Kumpels von der Art School in Leeds gründete, soll keiner der Musiker auch nur annähernd ein Instrument beherrscht haben. Das war das Gebot der Stunde, die Mekons zählten zu den jungen Punk-Gruppen im Vereinigten Königreich, die dem reichlich saturierten Rock der 70er in die Parade fuhren. Sie gingen im selben Moment aber schon einen Schritt über das hinaus, was viele Punkrockakteure verkörperten. Ihre erste Single war eine Art Antwortschreiben auf den Aufruf zur Rebellion, den die Clash in "White Riot" formuliert hatten. "Never Been In A Riot" kam einer lautstark vorgetragenen Reflektion über Nihilismus und Ambivalenz gleich, gespielt von einer Mischpoke überzeugter Amateure.
Die Launen des Zeitgeist sind ihnen egal
Gut vier Jahrzehnte später ist die Band ihrer Grundidee treu geblieben: Sie muss nichts und niemandem gerecht werden, weder den Launen des Zeitgeistes, noch den Vorgaben von Plattenfirmen. "Deserted" heißt das neue Album, das im Studio von Bassist Dave Trumfio am Rande der Joshua-Tree-Wüste in Kalifornien entstand. So weit nach draußen hatte es selbst die Mekons bisher noch nicht verschlagen, aber das Ambiente passt.
The Mekons 2019 - die acht Bandnmitglieder in der Joshua-Tree-Wüste in Kalifornien
The Mekons 2019 - Das neue Album "Deserted" entstand am Rande der Joshua-Tree-Wüste in Kalifornien (Ricky Malpas)
"Wir fühlen uns den kleinen Wüsten-Tierchen sehr nahe, die sich in ihren Gemeinden verstecken. Den mit Spitzen übersäten Samen, die herausspringen, wenn es an der Zeit ist. Das ist alles andere als eine Karriere-Strategie im Musikbusiness, aber es scheint für uns in den letzten 42 Jahren funktioniert zu haben."
Abrechnung mit dem Mythos Rock'n'Roll
42 Jahre - reichlich Zeit für Selbsterkundungen und zahlreiche musikalische Probefahrten in bis dahin unbekannte Territorien. Die Band war auch stets bereit, sich für eine derbe Bemerkung ins eigene Fleisch zu schneiden, sie rechnete mit dem Mythos Rock'n'Roll ab, indem sie die Rockmusik als liebstes Kind des Kapitalismus bejubelten, sie dichtete eine Hymne auf den amerikanischen Astronauten, der einen Schritt auf den Mond machte, nur um das Publikum vom hässlichen Vietnam-Krieg abzulenken. Das war 1988, da hatte Country-Musik schon einen wichtigen Stellenwert auf ihrer Agenda gewonnen.
"Wir haben damals viel amerikanischen Country gehört, Roots Music und Cajun. Es war nicht so, dass wir Country imitiert haben, es war mehr ein Prozess der Osmose. Country und Punk, das sind einfache Musiken, die uns anziehen, weil es um Inhalte und nicht so sehr um Virtuosität geht."
Gute Geschichten sind nicht immer wahr
Die Songs auf "Deserted" klingen, als hätten sie die Zeit vergessen. Die Band spielt gegen gerade angesagte Klangbilder. Sie hat nun einen für ihre Verhältnisse doch üppigen Cinemascope-Sound entwickelt, der deutlich über Country und Folk hinausreicht. Eine sehr offene Musik, die Raum für Betrachtungen über die Natur bietet, und in einem weiteren Sinne über die Verwüstungen, die wir ihr antun. "Deserted" wäre aber dann aber doch kein Mekons-Album, wenn Jon Langford sich nicht ein paar Minuten für eine skurrile Erzählung nähme - wie etwa im Song "Weimar Vending Maschine".
"Ich hatte diese Geschichte über Iggy Pop in Berlin gehört, er wollte ein Sandwich kaufen und zog an einem Automaten dann eine Tüte Sand. Dass es Automaten gegeben haben soll, die Sand ausspuckten, fand ich amüsant, es passte auch zum Thema unseres Albums. Viele gute Geschichten sind ja nicht unbedingt wahr, das macht sie aber auch nicht kaputt."