"Ob auch welche da sind, weil sie mich aus dem Fernsehen kennen? Manche sehen so aus. Ja, seltsame Motivation, oder? Irgendwo hinzugehen, um zu überprüfen, ob etwas, dass man aus dem Fernsehen kennt, auch in Wirklichkeit da ist …"
Fast im Flüsterton beginnt Max Uthoff sein Programm – aber einen wirbelnden Bühnenderwisch erwartet auch niemand, schließlich wirkt er auch in der ZDF-Kabarettsendung "Die Anstalt" immer, wie der etwas steife Gegenpart zum emotional gestikulierenden Claus von Wagner. In der Seriosität eines Juristen mit zweitem Staatsexamen liegt aber die besondere Kraft und Ironie der Bühnenfigur Max Uthoff. Und so folgt ihm das Premiere-Publikum gern, bei gradlinigen Pointen ebenso, wie bei ironischen Brüchen.
"Aber Freiheit hatte viele Bedeutungen. Freiheit konnte mal Rebellion sein. Noch ein Beispiel aus meiner Kindheit. Für die über 40jährigen, die anderen werden es vielleicht gar nicht kennen: Easy Rider, dieser großartige Film mit Dennis Hopper und Peter Fonda. Da war Freiheit Rebellion. Das war Auflehnung. Phantastisch, oder? Ich hab das geliebt, diesen Film, wie die da mit ihren Choppern über die Landstraße … und dann röhrte da dieser Freiheitsdrang, dieser der satte Sound. Und erinnern Sie sich an das Ende? Da sind die da von diesen Spießern aus dem LKW, von diesen Rednecks mit nem Gewehr abgeschossen werden. Ich war völlig fertig. Und ich musste neulich an die Szene wieder denken, weil morgens ist meine Tochter um halb sechs aus dem Schlaf gerissen worden. Da fuhr ein Motorradfahrer vor unserem Haus vorbei. Der Motorradfahrer der hatte auch so einen satten Sound, der hatte auch so einen Freiheitsdrang. Morgens um halb sechs röhrte da sein Freiheitsdrang. Wahnsinn. Und als ich meine weinende Tochter dann getröstet habe, dachte ich mir: Vielleicht war das Ende von Easy Rider nur eine sehr effektive Lärmschutzmaßnahme."
Das Paradies voller Katzenfutter
Freiheit, Migration, Konsum - es sind die "großen Themen", die Max Uthoff in gut 100 Minuten Programm ausbreitet. Jedoch ohne zusammenhängenden Plot oder roten Faden. Stattdessen: politische Statements und gesellschaftliche Analysen, aber immer wieder gut geerdet durch persönliche Alltagsbeobachtungen. Die Wirren und Irrungen der Zeit beschreibt Max Uthoff treffend, neigt dabei manchmal zum Dozieren – auch das kennt man aus der "Anstalt". Flipcharts oder Magnettafeln braucht er diesmal nicht, er teilt einfach und anschaulich das Publikum für ein paar Minuten auf: Vorn an der Bühne der reiche Norden und auf den hinteren Rängen der globale Süden.
"Diese Menschen dahinten übrigens, die wissen genau, wie es hier vorne aussieht. Sie wissen, wie wir leben, die haben das nämlich mitbekommen. Womit? Mit ihren Handys. Da haben sie gesehen, wie wir hier leben und haben sich gedacht: Mein Gott. das muss das Paradies sein. Ein Ort an dem die Menschen so wohlhabend sind, an dem sie so wunschlos glücklich sind, dass es dort Dinge gibt wie Katzenfutter. Stellen Sie sich die Überraschungen eines 12jährigen auf der Mülldeponie in Agbogbloshie vor, wenn er erfährt, dass es bei uns Katzenfutter gibt, Regale weise, in verschiedenen Variationen, meterlang, alle Geschmacksrichtungen, all die klassischen Beutetiere der Katze: Rind, Kalb, Pferd. Das muss das Paradies sein, in dem man diesen degenerierten Fellknäuel das Essen in Tüten packt, damit sie nicht, wie sonst üblich, im Rudel ein Rind jagen müssen."
Unterhaltsame Zeitdiagnose
Die titelgebenden "Moskauer Hunde" – zu hunderten herumstreunende Vierbeiner, die sich von ihren einstigen Herrchen emanzipiert haben – tauchen nur im Epilog auf. Eines der vielen Sinnbilder des Programms, das genauso gut "Regalmeterweise Katzenfutter" oder "Vom Irrsinn lackierter Stoßstangen" hätte heißen können. Es ist kein Programm der schnellen Pointen, aber eben auch kein Programm der kurzlebigen Belustigungen. Max Uthoff versucht sich an einer nachdenklichen und unterhaltsamen Zeitdiagnose – die ihm in weiten Teilen des Programms gelingt.
"Dass die Welt zusammenrückt, das war doch das Versprechen der neuen Medien, oder?
Manchmal klappt‘s auch. manchmal klappt’s, wenn Sie sich zum Beispiel ins Netz begeben auf der Suche nach Ihrer eigenen Meinung. Und dann chatten Sie mit einem 23jährigen Studenten aus Südkorea und dann schreibt der Ihnen, dass er fest davon überzeugt ist, dass Merkel diese Flüchtlinge absichtlich ins Land geholt hat, im Auftrag der Amerikaner, um Deutschland dem Untergang entgegenzubringen. Und wenn dann einer 8.700 Kilometer weit genauso ein borniertes Arschloch ist, wie der Typ im zweiten Stock, dann wächst die Welt ein ganz kleines Stück zusammen."